Wie ein Orkan fegt die Französische Revolution 1789 über Europa, ihre freiheitlichen Ideen wecken Begeisterung auf dem ganzen Kontinent. Als aber auf die Freiheitseuphorie erst der Terror und dann die Herrschaft Napoleons folgen, schlägt die Stimmung um. Napoleon wird zum Kaiser und Eroberer, der auch Deutschland unterwirft. 1806 wird Preußen - neben Österreich der mächtigste deutsche Staat - vernichtend geschlagen und von Frankreich besetzt. Aber die katastrophale Niederlage bietet auch eine Chance: Das innerlich erstarrte Preußen braucht Reformen, wie 1807 der preußische Minister und spätere Staatskanzler Karl August von Hardenberg erklärt:
"Die Französische Revolution gab den Franzosen unter Blutvergießen einen ganz neuen Schwung. Die Gewalt dieser Grundsätze ist so groß, dass der Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen Annahme derselben entgegensehen muss. Eine Revolution im guten Sinn, das ist unser Ziel."
In Preußen beginnt ein gewaltiges Reformunternehmen. Die Voraussetzungen dafür sind - trotz autoritärer Monarchie - nicht schlecht. Preußen verfügt über einen hervorragenden Verwaltungsapparat, der schon lange reformorientierte Intellektuelle aus ganz Deutschland anzieht. Wie Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, einen Adligen aus Nassau, der seit 1780 im preußischen Staatsdienst steht. 1804 wird er Finanz- und Wirtschaftsminister und gemeinsam mit Hardenberg zum entscheidenden Verfechter einer Reformpolitik. Herzstück von Steins Wirken wird die Preußische Städteordnung. Sie soll die Bürger an politischen Entscheidungen und am Reformprozess beteiligen. Der Historiker Bernd Sösemann:
"Zu den Erfahrungen der Französischen Revolution gehört – und das gilt auch für die preußischen Reformer - dass sie erkannt haben, staatliche Maßnahmen an der Öffentlichkeit vorbei - sie entdecken den Faktor Öffentlichkeit - können nicht das Ergebnis erzielen, das man erreichen will. Sie erkennen, dass die Zeiten sich gewandelt haben und sie handeln in diesem Sinn: mit der Öffentlichkeit, für die Öffentlichkeit."
Am 19. November 1808 wird die "Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie" in Kraft gesetzt. Zentrum der Reform ist die Idee der Selbstverwaltung der Städte - ohne staatliche Bevormundung. Die Bürger wählen eine Stadtverordnetenversammlung, aus der wiederum der Magistrat gewählt wird. Ein sensationelles Novum.
"Dass im preußischen Staat ein Konzept entwickelt wird, eine Konzeption auch, die die Bürger dazu auffordert, an diesem Staat mitzuarbeiten, das ist geradezu revolutionär, wenn wir an die vorausgegangene Zeit denken."
Doch so umwälzend die Reform ist, so sehr bleibt Stein, der aus altem Reichsadel entstammt, altständischem Denken verhaftet. Es geht in der Städteordnung nicht um individuelle Bürgergleichheit, sondern Bürgerbeteiligung nach Ständen. Politische Mitwirkung und Wahlrecht bleibt Bürgern mit einem bestimmten Grundvermögen vorbehalten. Und Stein muss Kompromisse eingehen.
"Der preußische Adel hat ganz entschieden gegen die Städteordnung opponiert, und gegen diese Opposition konnte man nur begrenzt vorgehen. Und das geht natürlich mit einem gemäßigten Reformkonzept besser als mit Radikalmaßnahmen wie in der Französischen Revolution."
Stein denkt zwar konservativ, aber er versammelt um sich progressiv denkende Beamte, die seine Reformideen weiterentwickeln. Doch ihm bleibt wenig Zeit. Bereits fünf Tage nach Inkrafttreten der Städteordnung wird er auf Druck Napoleons entlassen, weil er sich für einen Befreiungskampf gegen die französische Herrschaft engagiert. Die Reformpolitik wird unter Hardenberg zwar fortgesetzt, aber bald gewinnen die restaurativen Kräfte an Übergewicht. Nach den Befreiungskriegen gegen die französische Herrschaft und dem Beginn der Restaurationsepoche nach dem Wiener Kongress versandet der Reformprozess, bis er 1819 endgültig endet. Auch die Städteordnung wird 1831 revidiert und die Bürgerbeteiligung stark eingeschränkt. Dennoch hat die Städteordnung eine Entwicklung angestoßen, die über das ganze 19. Jahrhundert hin ausstrahlt. So progressiv wie 1808 wird in Deutschland über 100 Jahre lang kein Reformgesetz mehr auf den Weg gebracht.
"Die Französische Revolution gab den Franzosen unter Blutvergießen einen ganz neuen Schwung. Die Gewalt dieser Grundsätze ist so groß, dass der Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen Annahme derselben entgegensehen muss. Eine Revolution im guten Sinn, das ist unser Ziel."
In Preußen beginnt ein gewaltiges Reformunternehmen. Die Voraussetzungen dafür sind - trotz autoritärer Monarchie - nicht schlecht. Preußen verfügt über einen hervorragenden Verwaltungsapparat, der schon lange reformorientierte Intellektuelle aus ganz Deutschland anzieht. Wie Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, einen Adligen aus Nassau, der seit 1780 im preußischen Staatsdienst steht. 1804 wird er Finanz- und Wirtschaftsminister und gemeinsam mit Hardenberg zum entscheidenden Verfechter einer Reformpolitik. Herzstück von Steins Wirken wird die Preußische Städteordnung. Sie soll die Bürger an politischen Entscheidungen und am Reformprozess beteiligen. Der Historiker Bernd Sösemann:
"Zu den Erfahrungen der Französischen Revolution gehört – und das gilt auch für die preußischen Reformer - dass sie erkannt haben, staatliche Maßnahmen an der Öffentlichkeit vorbei - sie entdecken den Faktor Öffentlichkeit - können nicht das Ergebnis erzielen, das man erreichen will. Sie erkennen, dass die Zeiten sich gewandelt haben und sie handeln in diesem Sinn: mit der Öffentlichkeit, für die Öffentlichkeit."
Am 19. November 1808 wird die "Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie" in Kraft gesetzt. Zentrum der Reform ist die Idee der Selbstverwaltung der Städte - ohne staatliche Bevormundung. Die Bürger wählen eine Stadtverordnetenversammlung, aus der wiederum der Magistrat gewählt wird. Ein sensationelles Novum.
"Dass im preußischen Staat ein Konzept entwickelt wird, eine Konzeption auch, die die Bürger dazu auffordert, an diesem Staat mitzuarbeiten, das ist geradezu revolutionär, wenn wir an die vorausgegangene Zeit denken."
Doch so umwälzend die Reform ist, so sehr bleibt Stein, der aus altem Reichsadel entstammt, altständischem Denken verhaftet. Es geht in der Städteordnung nicht um individuelle Bürgergleichheit, sondern Bürgerbeteiligung nach Ständen. Politische Mitwirkung und Wahlrecht bleibt Bürgern mit einem bestimmten Grundvermögen vorbehalten. Und Stein muss Kompromisse eingehen.
"Der preußische Adel hat ganz entschieden gegen die Städteordnung opponiert, und gegen diese Opposition konnte man nur begrenzt vorgehen. Und das geht natürlich mit einem gemäßigten Reformkonzept besser als mit Radikalmaßnahmen wie in der Französischen Revolution."
Stein denkt zwar konservativ, aber er versammelt um sich progressiv denkende Beamte, die seine Reformideen weiterentwickeln. Doch ihm bleibt wenig Zeit. Bereits fünf Tage nach Inkrafttreten der Städteordnung wird er auf Druck Napoleons entlassen, weil er sich für einen Befreiungskampf gegen die französische Herrschaft engagiert. Die Reformpolitik wird unter Hardenberg zwar fortgesetzt, aber bald gewinnen die restaurativen Kräfte an Übergewicht. Nach den Befreiungskriegen gegen die französische Herrschaft und dem Beginn der Restaurationsepoche nach dem Wiener Kongress versandet der Reformprozess, bis er 1819 endgültig endet. Auch die Städteordnung wird 1831 revidiert und die Bürgerbeteiligung stark eingeschränkt. Dennoch hat die Städteordnung eine Entwicklung angestoßen, die über das ganze 19. Jahrhundert hin ausstrahlt. So progressiv wie 1808 wird in Deutschland über 100 Jahre lang kein Reformgesetz mehr auf den Weg gebracht.