Rolf Zick sitzt noch immer gern auf der Zuschauerbank des Plenarsaals im alten Leineschloss in Hannover. Er lauscht dem politischen Treiben mit Genuss: "Ich bin jetzt 96 Jahre alt und begleite den niedersächsischen Landtag seit über 60 Jahren."
Rolf Zick ist der einzige Zeitzeuge
Auf die Frage, wie er über die jüngsten Volten im Politspektakel denkt, hebt Rolf Zick zu einem detailreichen Vortrag mit vielen ausgeschmückten Anekdoten an: "Das fand unter ganz abenteuerlichen Umständen statt. Wenn´s interessiert kann ich da mal ein paar Worte zu sagen … ."
Tatsache ist, im Laufe der Jahrzehnte ist dem journalistischen Urgestein Zick die Berichterstattung über die niedersächsische Landespolitik nie langweilig geworden.
Zick gehört zwar nicht zu den Gründungsvätern der Landespressekonferenz Niedersachsen, aber er ist der einzige überlebende Zeitzeuge aus Pioniertagen. Das Land lag in Trümmern, damals 1947, wirtschaftlich, menschlich und geistig, erinnert sich Zick. Die Landespressekonferenz Niedersachsen war die erste ihrer Art nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland. Und das kam so: Der letzte Reichspressechef der Weimarer Republik, Ministerialdirektor Walter Zechlin, war nach vielen Irrungen und Wirrungen in Lüneburg gelandet. In Niedersachsen, diesem Kunstgebilde der Alliierten, schlug er sich als Dolmetscher durch, als ihn der Ruf des damaligen Ministerpräsidenten Wilhelm Kopf ereilte. Kopf suchte außer seinem Kabinett auch einen Pressechef. Der damals 68-jährige Zechlin konnte sich auf seine langjährige Erfahrung als Leiter des Presseamts der Weimarer Reichsregierung verlassen. Er heuerte sofort an - und nach dem Muster des 1914 in der damaligen Reichshauptstadt Berlin eingeführten "Vereins Pressekonferenz" wurde nun in Hanno0ver die Landespressekonferenz als unabhängige Arbeitsgemeinschaft hauptamtlich tätiger Journalisten ins Leben gerufen.
"Natürlich war damals der Kampf um Information oder der Drang nach Information sehr schwierig, denn Journalisten hatten ja nicht Zeitungen, die täglich erschienen, sondern das erschien zwei- bis dreimal wöchentlich. Und da hat man sich zusammengeschlossen, weil die Gruppe der Journalisten natürlich der Regierung noch eher etwas entlocken konnte als jeder einzelne Journalist," sagt der NDR-Fernsehjournalist und amtierende LPK-Vorsitzende Thorsten Hapke.
Besondere Arbeitsweise des LPK wird zum bundesweiten Vorbild
Für Protokolle und Aktenpflege blieb den ehrenamtlichen Vorsitzenden selten Zeit, so überdauert die Erinnerung an viele Krisen, Kräche und Katastrophen nur in den Erzählungen der Veteranen. Kolportiert werden gesellige Runden und gemeinsame Ausflüge mit Politikern, die eher von Sympathie und Alkohol als von kritischer Distanz geprägt waren.
Doch seit Anbeginn hatte die LPK eine besondere Arbeitsweise, die bundesweit zum vorbildlichen Prinzip wurde: "Wir sind Herr im eigenen Hause, wir laden ein und wir bestimmen die Spielregeln: Eine Pressekonferenz ist dann zu Ende, wenn der leitende Journalist sie beendet und nicht wenn der Gesprächspartner meint, sie beenden zu wollen. Und dass das nach 70 Jahren immer noch in den Grundzügen genauso läuft wie damals gegründet, zeigt, dass dieses Modell ja durchaus einen Charme hat und erfolgreich ist."
Nach 1949 installierten auch die meisten anderen Bundesländer ihre Landespressekonferenzen nach dem hannoverschen Muster, auch die Bundespressekonferenz funktioniert im Grunde noch heute so.
Die LPK wird ernst genommen
Versuche der Einflussnahme hat es gleichwohl auch zu späteren Zeiten gegeben, etwa in der Ära des CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, der Hintergrundgespräche bevorzugt mit ausgewählten Journalisten führte.
Die Gegenseite hat sich im Lauf der Zeit spürbar professionalisiert - dies festzustellen, gehört auch zur Chronistenpflicht. Anke Pörksen ist Sprecherin des amtierenden Ministerpräsidenten Stephan Weil, dem schon mal nachgesagt wurde, er lasse sich seine Regierungserklärungen vom VW-Konzern diktieren: "Wir nehmen die LPK sehr ernst! Und hier sind wir dem ausgeliefert auch ein Stück weit. Ja, ich glaube, das ist eine Herausforderung dieses Spannungsfeld zwischen natürlich guter Kollegialität und der kritischen, professionellen Distanz hinzubekommen. Und ich halte das auch für aussichtsreicher, wenn man wirklich was rausfinden will. Bohrende Fragen sind das eine, aber man muss auch ein Klima schaffen, in dem auch die Kolleginnen und Kollegen sich öffnen. An sich, glaube ich, klappt das hier in Hannover schon ganz gut."
Bilanz nicht nur positiv
Im günstigsten Fall gelingt es Landeskorrespondenten, ein tieferes Verständnis für den parlamentarischen Betrieb, für die Hintergründe, Absichten und Pläne der politisch Handelnden zu wecken, sagt Klaus Wallbaum. Der Chefredakteur des Politikjournals "Rundblick" zieht eine positive Bilanz unter die ersten 70 Jahre Landespressekonferenz Niedersachsen - aber zum Sekt reicht er auch Selters:
"Die Gefahr ist natürlich da, dass die PR-Arbeit in Ministerien, Parteien, Verbänden immer professioneller wird, immer mehr Leute bekommt und die Reihe journalistischer Arbeit vielleicht nicht mehr das Feld ist, mit der man viel Geld verdienen kann und immer mehr abgebaut wird. Und das ist schlecht für die Demokratie. Deswegen müsste es eigentlich eine Initiative geben, die freie Presse zu stärken und zu unterstützen!"