"Operation Demetrius" war eine lang geplante Aktion: am 9. August 1971 nimmt die britische Armee über 340 Katholiken in Nordirland fest. Ohne Haftbefehl, ohne Begründung, ohne Anklage. Es reicht der Verdacht, sie könnten mit der IRA-Untergrundorganisation sympathisieren. 14 Männern werden schwarze Kapuzen übergestülpt, darunter PJ McLean, Gründungsmitglied der Bürgerrechtsvereinigung.
"Ich habe mich gefreut, als ich dann in einen Hubschrauber geführt wurde, weil ich glaubte: Jetzt ist mein Leiden vorbei und ich komme nach Hause. Aber während des Fluges hat man mich herausgestoßen und ich dachte, das ist das Ende."
Erzwungenes Stehen bis zu 50 Stunden
Doch der Helikopter fliegt nur ein, zwei Meter über dem Boden - eine Scheinhinrichtung. Die "Hooded Men", die Kapuzenmänner, werden von der Armee an einen geheimen Ort verschleppt. Dort werden sie einem so genannten "vertieften Verhör" unterzogen. Zur Technik gehören Schläge und Elektroschocks, Schlaf- , Wasser- und Nahrungsentzug, sowie erzwungenes Stehen bis zu 50 Stunden. Gerry McKerr erzählt:
"Ich wurde nackt ausgezogen, bekam einen Army-Overall und die Kapuze, wurde auf bloßen Füßen in einen Raum gebracht, wo ich mich mit ausgebreiteten Beinen auf die Zehenspitzen stellen und mit gestreckten Armen gegen eine Wand lehnen musste. Irgendwann brach man zusammen."
Ein ohrenbetäubender Lärm, sagt PJ McLean. Wie ein Flugzeugmotor, er hörte niemals auf.
Irgendwann nach Wochen oder Monaten kommen die Männer frei - abgemagert und mit schweren körperlichen und seelischen Schäden. Irlands Regierung reicht Klage vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof ein. Die britische Regierung gibt zu Protokoll, die Kapuzen seien freiwillig übergestülpt worden, es habe vereinzelt schlechte Behandlung gegeben, aber keine systematische, lang anhaltende oder offiziell angeordnete Brutalität.
Das Gericht urteilt 1978, dass die britische Armee zwar unmenschlich und demütigend gehandelt, dass sie aber nicht Leid verursacht habe von jener besonderen Intensität und Grausamkeit, die mit dem Wort Folter verbunden werde. Tatsächlich zeigen inzwischen freigegebene Regierungsdokumente, dass Großbritannien den Gerichtshof bewusst in die Irre geführt hat.
Dokumente belegen: Der Befehl kam von ganz oben
So deckt der irische Fernsehsender RTE im Sommer auf, dass den Straßburger Richtern nicht nur der Ort der Misshandlungen verschwiegen und dass die nordirische Luftwaffenbasis Ballykelly extra für die Befragung umgebaut wurde. Unterschlagen hat man auch Dokumente, die einräumen, dass alles von höchster Stelle befohlen war.
"Es ist meine Überzeugung, dass die Entscheidung, 1971/72 Foltermethoden in Nordirland anzuwenden, von Ministern getroffen wurde, insbesondere vom damaligen Verteidigungsminister Lord Carrington. Es war eine politische Entscheidung."
Das schreibt der Innenminister im März 1977 an Premierminister Callaghan. Doch nichts von all dem soll an die Öffentlichkeit dringen. Für die Opfer aber ist der Fall auch heute nicht erledigt, sagt Liam Shannon.
"Das ist etwas, was Dich niemals mehr loslässt. Es kommt immer wieder hoch, besonders, wenn du Bilder siehst von Abu Ghraib oder Guantanamo. Gefangene mit schwarzen Kapuzen und Overalls, das bringt Dich direkt zurück."
Die Bilder gleichen sich nicht zufällig. Obwohl die britische Regierung angeblich schon 1972 die Methode der "deep interrogations" verbietet, nutzen sie britische Kampftruppen im Irak 31 Jahre später erneut. Und US-Präsident Bush rechtfertigt die Verhörmethoden der CIA explizit mit dem britischen Vorbild und dem Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs.
Angesichts der akutellen Beweise hat die irische Regierung in Straßburg erneut Klage gegen Großbritannien eingereicht, und Liam Shannon sagt:
"Es könnte nicht zu einem besseren Zeitpunkt kommen. Das ist für uns wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest."