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Vordenker der Französischen Revolution

Er war ein unbestechlicher Beobachter seiner Zeit und hielt der Gesellschaft des Ancien Regime den Spiegel vor. Jean-Jacques Rousseaus Entwürfe einer besseren politischen Ordnung inspirierten die Revolutionäre von 1789. Am 28. Juni 1712 wurde er als Sohn eines Genfer Uhrmachers geboren.

Von Ruth Jung |
    "Seine Augen waren wie zwei Sterne, sein Genie strahlte in seinem Blick und elektrisierte mich. Als er mich verließ, blieb mir dasselbe Gefühl der Leere zurück, das man empfindet, wenn man aus einem Traum erwacht",

    schrieb ein Zeitgenosse über Jean-Jacques Rousseau, dessen charismatische Persönlichkeit viele in ihren Bann zog. Der am 28. Juni 1712 als Sohn eines Genfer Uhrmachers geborene Philosoph und Schriftsteller war Träumer, Freigeist, Universalgenie, Autodidakt und - als der einflussreichste Denker der anbrechenden Moderne – einer der schärfsten Kritiker der moralisch verkommenen Gesellschaft des Ancien Régime. Begonnen hatte das Leben des Wegbereiters der Französischen Revolution mit einem tragischen Verlust:
    "Ich kostete meine Mutter das Leben, und meine Geburt war mein erstes Unglück",

    schreibt Rousseau in seiner Autobiografie. Von Krankheiten und Geldsorgen geplagt, von seinen Gegnern verfolgt und verfemt, führte der unbeugsame Citoyen de Génève ein unstetes Leben. Schon als Junge wehrte er sich gegen Machtmissbrauch, brach die Lehre bei einem Graveur, der ihn misshandelt hatte, ab und floh aus Genf. Nach ziellosen Wanderungen durch Savoyen fand er Unterkunft bei Madame de Warens im ostfranzösischen Annecy. Zehn Jahre lebte er im Hause der mütterlichen Freundin und Geliebten, dort entdeckte er die Literatur und Musik, schrieb und komponierte. Seine Oper "Le Devin du Village", "Der Dorfwahrsager", wurde 1752 am Hofe in Fontainebleau uraufgeführt.

    Louis XV. war angetan und bot Rousseau eine Rente an – er schlug sie aus. Von adeligen Gönnern, gar dem König, abhängig zu sein, kam dem stolzen Genfer nicht in den Sinn. Im Unterschied zu seinem Zeitgenossen und Erzfeind, dem Großgrundbesitzer Voltaire, war für Rousseau Arbeit das zentrale Element des menschlichen Wesens. Noch im Alter verdiente er seinen Unterhalt durch das Kopieren von Noten. In Paris befreundete er sich mit dem Aufklärer Diderot, schrieb für dessen "Encyclopédie" die Artikel über Musik. Redegewandt und hochgebildet, war er beliebt in den Pariser Salons. Berühmt wurde er mit seinem "Ersten Discours" 1751:

    "Hat der Fortschritt der Wissenschaften und Künste zur Verbesserung der Sitten beigetragen?",

    lautete eine von der Akademie ausgeschriebene Preisfrage. Rousseaus preisgekrönte Antwort war ein klares Nein. Er hatte die negativen moralischen Auswirkungen der frühkapitalistischen Konkurrenzgesellschaft vor Augen. Mit seiner radikalen Analyse machte er sich viele Feinde, auch unter den Aufklärern. Er wollte nachweisen, dass der Mensch nicht von Natur aus schlecht ist, sondern erst durch eine ungerechte Gesellschaftsordnung verdorben wird. Ein revolutionärer Gedanke, weitergeführt im "Zweiten Diskurs" 1755:

    "Der erste, welcher ein Stück Landes umzäunte, es sich in den Sinn kommen ließ zu sagen: 'Dies ist mein', und einfältige Leute fand, die es ihm glaubten, der war der wahre Stifter der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Gräuel hätte der dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen (…) hätte",

    heißt es im Diskurs über Ursprung und Grundlagen der Ungleichheit.

    "Der Ursprung der Ungleichheit liegt also beim Privateigentum, bei der Arbeitsteilung (…) Diese ganze Entwicklung wird aber vor allem dadurch verhängnisvoll, dass sie mit einer Veränderung in den Seelen der Menschen aufs engste verbunden ist."

    Nur eine gute Erziehung könne dies verhindern. In seinem bahnbrechenden Erziehungsbuch "Emile" entwickelte Rousseau dazu ein pädagogisches Konzept; es erschien 1762 und wurde sofort ein Bestseller. Er war der Erste, der das Kind als eigenständige Person begriff, die Kindheit als wichtigen Lebensabschnitt. Im selben Jahr erschien sein Hauptwerk, der "Gesellschaftsvertrag". Eine sozialpolitische Schrift zur Frage, wie ein Gemeinwesen demokratisch zu organisieren sei. Die Pariser Autoritäten sahen darin einen Angriff gegen Gott und die Obrigkeit und verboten seine Bücher. Rousseau musste aus Paris fliehen, wo er seit 1745 mit der Wäscherin Thérèse Levasseur in bescheidenen Verhältnissen gelebt hatte.

    Die Revolutionäre von 1789 machten sich die Ideen des am 2. Juli 1778 in der Nähe von Paris einsam gestorbenen Philosophen zu Eigen. Robespierres Verfassung von 1793 trägt Rousseaus Handschrift: eine radikal-demokratische Gesellschaftsordnung, die nie verwirklicht wurde. 1794 wurden die sterblichen Überreste des großen Vordenkers der Freiheit ins Panthéon überführt.