Archiv

Vorermittlungen
Geheimnisverrat im Fall Edathy?

Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die SPD-Spitze bereits im Oktober 2013 über mögliche Ermittlungen gegen Sebastian Edathy informiert. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob ein Anfangsverdacht auf den "Verrat von Dienstgeheimnissen" vorliegt.

    Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich
    Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (dpa / picture-alliance / Stephanie Pilick)
    Im Fall Edathy rückt der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) immer mehr in den Mittelpunkt. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen wegen möglicher illegaler Informationsweitergabe aus der Bundesregierung eingeleitet. "Wir sind zuständig für möglichen Geheimnisverrat im Bereich des Bundesinnenministeriums", sagte Sprecher Martin Steltner. Der frühere Bundesinnen- und heutige Agrarminister Friedrich hatte bereits im Oktober den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel darüber informiert, dass der Name des damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy im Rahmen von Ermittlungen im Ausland aufgetaucht war. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt.
    Ermittler: "Das grenzt an Strafvereitelung"
    Die Weitergabe der Informationen durch Friedrich an die SPD-Spitze stieß bei den zuständigen Ermittlern auf heftige Kritik. "Das grenzt an Strafvereitelung", sagte ein Vertreter der Ermittlungsbehörden der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dass Friedrich SPD-Chef Gabriel über den Verdacht gegen Edathy informiert hat, habe die Ermittlungen wohl erheblich behindert. "Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben", sagte der Vertreter der Ermittlungsbehörden. Es sei wenig Material gefunden worden, man sei lediglich auf schriftliche Dokumente gestoßen. Am Mittwoch sei ein Computer aus einem Büro in Edathys Heimatort Rehburg mitgenommen worden. Weitere Rechner seien offensichtlich zuvor entfernt worden, berichtet die dpa. Nach Berichten des Norddeutschen Rundfunks und der "Süddeutschen Zeitung" sollen Ermittler bei den Durchsuchungen Teile einer oder mehrerer zerstörter Festplatten entdeckt haben.
    Friedrich verteidigte die Weitergabe der Informationen. Dem Minister sei Ende Oktober von seinem Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche zugetragen worden, dass Edathy bei internationalen Ermittlungen auf einer Namensliste aufgetaucht sei, sagte Friedrichs früherer Sprecher im Innenressort, Jens Teschke, laut dpa. Dieser Hinweis sei vom Bundeskriminalamt gekommen. Friedrich habe aber nicht erfahren, um welche Art von Verdacht es sich gegen Edathy handele. Der Minister habe nachgehakt, ob es strafrechtliche Vorwürfe gegen den SPD-Politiker gebe. Fritsche habe das verneint. "Für den Minister war wichtig, dass es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren", betonte Teschke. Aufgrund der "politischen Dimension" des Falls und angesichts der Gefahr, dass die Namensliste öffentlich werden könnte, habe er dann den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel in einem vertraulichen Gespräch informiert.
    Der SPD-Politiker Sebastian Edathy
    Der SPD-Politiker Sebastian Edathy (dpa / picture alliance / Stephanie Pilick)
    Alle Landeskriminalämter wussten offenbar seit Oktober vom Fall Edathy
    Außerdem war seit Ende Oktober auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) informiert, wie sein Sprecher der "Neuen Presse" bestätigte. Er sagte weiter, der für Edathys Wohnort zuständige Göttinger Polizeipräsident habe "den Minister über ein bundesweites Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert, in das möglicherweise auch das niedersächsische Bundestagsmitglied Sebastian Edathy involviert ist". Pistorius habe mit niemandem darüber geredet.
    Darüber hinaus haben einem Medienbericht zufolge alle 16 Landeskriminalämter Kenntnis erlangt. Wie die "Leipziger Volkszeitung" unter Berufung auf Regierungs- und Ermittlungskreise schreibt, wurden Hinweise vom Bundeskriminalamt sowohl an das Bundesinnenministerium als auch die Landeskriminalämter übermittelt. Daher sei die potenzielle Bandbreite undichter Quellen und möglicher frühzeitiger Informationsweitergaben relativ groß.
    Oppermann und Ziercke streiten um Gesprächsinhalt
    Neben Friedrich steht auch die SPD-Spitze Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gerät in Erklärungsnot. Er hatte mitgeteilt: "Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wurde im Oktober 2013 von Innenminister Hans-Peter Friedrich darauf angesprochen, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name von Sebastian Edathy aufgetaucht sei. Sigmar Gabriel hat darüber den Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und mich als Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion informiert." Das Thema sei fortan "vertraulich behandelt" worden, betonte Oppermann. Doch auch das Wissen in Edathys direktem Parteiumfeld hätte für die Ermittlungen hinderlich sein können. Schließlich informierte Oppermann laut seiner Erklärung später auch die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Christine Lambrecht. Bei immer so vielen Mitwissern drängt sich die Frage auf, ob jemand Edathy einen Hinweis gegeben haben könnte.
    Strittig bleibt der Inhalt eines Telefonats Oppermanns mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. "Ich habe mir diese Informationen im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen", sagte Oppermann. Ziercke wies diese Angaben allerdings zurück. "Diese Darstellung habe ich mir angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt." Oppermann bleibt bei seiner Darstellung.
    Staatsanwaltschaft wusste nichts von Kenntnissen der SPD-Spitze
    Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Hannover wusste nach eigenen Angaben bislang nicht, dass die SPD-Spitze seit Monaten von dem Vorgang informiert gewesen ist. "Wir sind davon völlig überrascht worden", sagte Sprecherin Kathrin Söfker.
    Die Ermittlungen gegen Edathy waren am Dienstag bekannt geworden. Die Staatsanwaltschaft Hannover äußert sich bisher nicht zu den konkreten Vorwürfen. Laut Medienberichten soll Edathy im Verdacht stehen, kinderpornografisches Material besessen zu haben. Der bisherige SPD-Innenexperte selbst bestritt in einer im Internet veröffentlichten Erklärung den Vorwurf. Sein Bundestagsmandat hatte Edathy bereits in der vergangenen Woche mit Verweis auf Gesundheitsprobleme niedergelegt.
    Mit Edathy sei verfassungs- und rechtswidrig umgegangen worden, sagte die Strafrechtsexpertin Monika Frommel im Interview mit dem Deutschlandfunk. Die Juristin bezweifelt, dass im Fall Edathy ein für die Untersuchungen der Wohnung und der Büroräume des Politikers hinreichender Anfangsverdacht vorgelegen habe. Medien hatten berichtet, dass auf Edathys Computern zumindest Nacktbilder von Kindern gefunden worden seien. Bilder von nackten Kindern zu besitzen, sei aber nicht strafbar, so Frommel. Es müsse ganz klar feststehen, dass es sich bei den Bildern um pornografisches Material handelt.