Eine schwere Geburt mit glücklichem Ausgang nach seiner längsten Schwangerschaft nennt Michael Siebenbrodt, ein Bauhaus-Spezialist der ersten Stunde in Weimar, die Eröffnung des Bauhausmuseums – hundert Jahre nach Gründung des Bauhauses.
Michael Siebenbrodt: "… nämlich über 25 Jahre wünsche ich, erträume ich, erkämpfe ich ein neues Bauhausmuseum! Insofern: Glücksgefühle überwiegen." Siebenbrodt ist mit dem Bauhaus aufgewachsen – wenn auch zunächst unbewusst.
"Ab dem vierten, fünften, sechsten Lebensjahr habe ich fast täglich als Scheidungs- und Schlüsselkind dann bei meiner Tante Huschke angeklopft dann, eine Etage höher im Atelier – Hedwig Huschke, eine Weimarer Bauhäuslerin. Und habe da täglich am Bauhaus-Tischchen gesessen auf Bauhaus-Stühlchen, nämlich einer ganzen Kollektion von Dieckmann-Möbeln, die sie sich in ihrer Studentenzeit hier in Weimar gekauft hat. Und dann habe ich auch täglich von Bauhaus-Tellerchen gegessen, wie es sich gehört."
Beim Studium in Weimar traf er auf den bereits emeritierten Peter Keler, den Erfinder der legendären Bauhaus-Wiege in den Grundfarben Blau, Rot und Gelb und den Grundformen Kreis, Rechteck und Dreieck. Diese Wiege stand neben gut 500 anderen Objekten auch im ersten Weimarer Bauhausmuseum, das Siebenbrodt 1995 als Provisorium in einer klimatisch ungeeigneten Ausstellungshalle in Weimar kuratierte. Das Provisorium schloss im vergangenen Jahr – nach 23 Jahren. Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, frohlockte damals immerhin:
"Es ist ja eigentlich sogar eine Art List gewesen. Die Kunstsammlungen zu Weimar haben über das Gebäude drüber geschrieben: "Bauhaus Museum Weimar". Das konnte man nicht ernsthaft als ein Museum bezeichnen, aber der Name stand mitten in der Stadt, und Goethe und Schiller guckten tagein, tagaus auf diesen Namen Bauhausmuseum"
Die brüchige Moderne
2009 hatte der Bund 11 Millionen für den Neubau eines Bauhausmuseums zur Verfügung gestellt, wenn das Land Thüringen noch einmal die gleiche Summe drauflegen würde. 2014 könnte man doch eröffnen, frohlockte man damals in Weimar. Dann aber konnte man sich lange nicht einigen, wo das Bauhausmuseum denn nun stehen sollte. Drei Varianten gab es zur Auswahl: Der Stiftungsrat wollte am Ort des Provisoriums gegenüber vom Deutschen Nationaltheater bauen, andere in unmittelbarer Nähe des historischen Bauhauses am Rand des Goetheparks. Die Stadt bevorzugte aus stadtplanerischen Gründen eine Brache am Rande der Innenstadt – direkt neben dem monströsen Gauforum der Nazis.
Das Projekt Bauhausmuseum drohte am Standortstreit zu scheitern. Bei allem Streit ging dabei eines fast unter: Welche historischen, ästhetischen und vor allem politischen Fragen der Standort an das Bauhausmuseum stellen würde. In diesem Sinne ist der letztlich gewählte Ort, im Spannungsfeld zwischen Weimarer Republik, nationalsozialistischer und sozialistischer Moderne, der unbequemste und damit vielleicht beste Ort. Das sieht inzwischen auch Hellmut Seemann, Präsident der Klassik-Stiftung Weimar, so.
"Wir zeigen eine doppelte Moderne; wir zeigen eine brüchige Moderne in Weimar, und das bedeutet: Der Weimarer Modernebegriff kann kein rein positiver Modernebegriff sein, sondern er muss die Moderne, wie sie sich in Weimar zeigte, einerseits als eine umkämpfte Moderne zeigen; er muss aber eben auch zeigen, dass die Moderne Beziehungen zum extremistischen Lager hat."
Ein Museum für das 21. Jahrhundert
Auch die Form des Museumsbaus war lange umstritten. Das Haus sollte schließlich ins 21. Jahrhundert weisen. Ob der Entwurf der Architektin Heike Hannada das leisten und sich ausreichend vom daneben liegenden Gauforum abgrenzen kann, ist in der Stadt nach wie vor umstritten. Hannada verweist auf das Innenleben des Museums.
"Das Haus ist kein normales Haus mit normal dimensionierten Öffnungen. Das Gebäude ist reduziert auf einen einfachen geometrischen Körper. In der strengen Abstraktion einer Form liegt ihre Idee. Das Ausarbeiten dieser räumlichen Idee, die Verdichtung nach innen, benötigt keine direkte Aussage nach außen."
Von Kolossal- und Monumentalarchitektur ist die Rede, die statt in die Zukunft tief in die Vergangenheit weist, oder schlicht von einem "Hochbunker". All das aber hört man bislang nur, wenn das Mikrofon abgeschaltet ist. Und Hellmut Seemann weicht ins Ironische aus.
"Also, das Bauhaus-Versprechen war für alle, die es gern gemütlich haben, immer eine Drohung."