Den Pressekodex kennt man eigentlich im Zusammenhang mit journalistische Medien. Er formuliert ethische Standards für Journalistinnen und Journalisten in Deutschland. Diese "Richtlinien für die journalistische Arbeit" sind nicht rechtlich bindend, sondern freiwillig; überprüft wird ihre Einhaltung durch den deutschen Presserat, der unter anderem Rügen aussprechen kann.
Der Presserat
Das Gremium haben 1956 fünf Verleger und fünf Journalisten gegründet – nach britischem Vorbild. Sie konnten damit ein Bundespressegesetz abwenden, das eine stärkere staatliche Regulierung vorsah. Der Presserat steht damit auch für die Pressefreiheit. Heute tragen ihn der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (ehemals BDZV), der Zeitschriftenverband VDZ sowie die Gewerkschaften DJV und DJU. Mehr dazu hier.
Das Gremium haben 1956 fünf Verleger und fünf Journalisten gegründet – nach britischem Vorbild. Sie konnten damit ein Bundespressegesetz abwenden, das eine stärkere staatliche Regulierung vorsah. Der Presserat steht damit auch für die Pressefreiheit. Heute tragen ihn der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (ehemals BDZV), der Zeitschriftenverband VDZ sowie die Gewerkschaften DJV und DJU. Mehr dazu hier.
Polizeimeldungen und digitale Polizeiarbeit
Aber ein Pressekodex für die Polizei? Die macht zwar Pressearbeit - aber keinen Journalismus. Dennoch finden sich Polizeimeldungen oft wortwörtlich in vielen deutschen Tageszeitungen wieder, meist als kurze Randnotiz. Und in Zeiten von Social Media kommuniziert die Polizei immer häufiger direkt mit Bürgerinnen und Bürgern - ohne den Umweg über die Medien.
So informiert etwa die Polizei Stuttgart über ihren Twitteraccount mit kurzen Texten, Bildern, Grafiken und Links zu ihren Mitteilungen über Verkehrskontrollen und Festnahmen oder sucht nach Zeugen.
In den vergangenen Jahren hätten alle großen Polizeistationen angefangen, sich Social-Media-Teams zuzulegen, berichtete Alexander Fanta in @mediasres. Ihm zufolge gab es etwa bei Twitter 2018 zehntausende Polizei-Posts pro Jahr. Der Journalist hatte für das Online-Magazin netzpolitik.org recherchiert, wie aktiv die Polizei in dem sozialen Netzwerk ist.
Polizei betont Bedeutsamkeit der Pressefreiheit
Was die Polizei formuliert, landet also oft 1:1 bei den Leserinnen und Nutzern. Baden-Württembergs Innenministerium gibt der Polizei im Land dafür nun Richtlinien vor - und nennt diese ebenfalls "Pressekodex".
Dieser lege Standards für die polizeiliche Arbeit fest und beschreibe den Rahmen für eine professionelle Zusammenarbeit mit Journalisten, so Innenminister Thomas Strobl (CDU) am 21. April bei der Vorstellung des Polizei-Pressekodex in Stuttgart. "Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dazu gehört auch ganz klar die Pressefreiheit und die freie journalistische Arbeit", heißt es in einer Mitteilung des Innenministeriums.
Gerade in der Corona-Pandemie sei die Pressefreiheit aber an vielen Stellen "auf eine harte Probe gestellt worden". Das Innenministerium erwähnt hier explizit die in der Landeshauptstadt Stuttgart gegründete "Querdenken"-Bewegung, deren "Hass, Zorn und Rechtsbruch" sich gegen eine freie, unabhängige Berichterstattung wende. Die Polizei habe hier eine wichtige Aufgabe, "das Grundrecht der Pressefreiheit zu schützen".
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hatte am Tag zuvor, am 20. April, zahlreiche Übergriffe auf Journalisten vor allem während der Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen kritisiert. Ähnliche Vorfälle habe es aber auch bei linksgerichteten Protesten etwa gegen das Verbot einer Internetplattform oder zum 1. Mai gegeben. Daher habe man Deutschland in der weltweiten "Rangliste der Pressefreiheit" von "gut" auf nur noch "zufriedenstellend" herabstufen müssen.
"Gute Absicht, ungünstige Wortwahl"
Für Innenminister Strobl ist Baden-Württemberg mit den neuen Presse-Richtlinien der Polizei ein "bundesweiter Vorreiter" in Sachen Transparenz. Lob dafür kam von der Gewerkschaft Verdi. Der Pressekodex sei ein wichtiger Schritt für den Schutz der Pressefreiheit, so Verdi-Redakteurin Karin Wenk. Auch der Deutsche Presserat begrüßte das Vorhaben, kritisierte aber die Bezeichnung "Pressekodex": "Gute Absicht, ungünstige Wortwahl".
Die neuen Richtlinien
Auf knapp 30 Seiten sind die "Publizistischen Grundsätze der Polizei Baden-Württemberg" zusammengefasst.
Darin finden sich zum einen Anmerkungen zum Verhältnis von Polizei und Presse: Die Polizei achte die Pressefreiheit und das Auskunftsrecht der Presse und unterstütze diese "aktiv im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der Gleichbehandlung". Zum anderen zeichnet sie ein Selbstbild ihrer Pressearbeit. Die Polizei trage "durch ihre aktive Berichterstattung gleichermaßen zur Befriedigung informationeller Grundbedürfnisse der Öffentlichkeit bei". Basis hierfür sollen die neuen Grundsätze darstellen.
Insgesamt 20 Richtlinien sind darin formuliert, unterteilt in sieben Themenbereiche - vom ersten Punkt "Schutz der Menschenwürde" bei der Pressearbeit über "Sorgfältigkeit und Wahrhaftigkeit" bis zur Negierung "kommerzieller Interessen" bei der polizeilichen Pressearbeit.
Empfehlung zur Herkunftsnennung
Konkret geht es etwa um Zurückhaltung im Umgang mit Selbsttötungen sowie um die Nennung der Staatsangehörigkeit von Beschuldigten. Vor allem der letzte Punkt war in den vergangenen Jahren nach der Berichterstattung zur Kölner Silvesternacht 2015 in der Öffentlichkeit viel debattiert worden. In der Diskussion um Straftaten von Ausländern kam der Vorwurf auf, Journalistinnen und Journalisten würden eine politische Agenda verfolgen, indem sie die Herkunft von Tatverdächtigen bewusst verschweigen. Daraufhin hatte der Presserat 2017 seine Empfehlung zur Herkunftsnennung im Pressekodex geändert.
Pressekodex des Pressserats: Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten (gültig seit 22.03.2017)
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Im Pressekodex der Polizei Baden-Württemberg gibt es dazu im Absatz "Diskriminierungsverbot" eine ähnliche Richtlinie. Die Nennung der Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen gehöre in Veröffentlichungen, "sofern im Einzelfall ein sachlich begründetes öffentliches Interesse hieran besteht, oder auf Nachfrage der Medien".
Pressekodex der Polizei Baden-Württemberg: Richtlinie 6.2 – Die Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen als Teil der Berichterstattung
Die Pressestellen berichten neutral und objektiv. Grundsätzlich kann hierzu auch die Nennung der Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen in Veröffentlichungen gehören, sofern im Einzelfall ein sachlich begründetes öffentliches Interesse hieran besteht, oder auf Nachfrage der Medien. Das gilt insbesondere bei Verlautbarungen zu Haftsachen, bei regionalen Brennpunkten oder bei aktuellen Kriminalitätsphänomenen.
Abweichend davon unterbleibt eine Nennung, wenn sie für das Verständnis des Sachverhalts nicht relevant ist. Das ist regelmäßig bei einfacher Kriminalität beziehungsweise Massendelikten und Verkehrsdelikten der Fall. Bei der Berichterstattung über Kinder und Jugendliche ist Zurückhaltung geboten. Bei tatverdächtigen Kindern ist daher die Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht Teil der Berichterstattung. Ein möglicher Migrationshintergrund eines Tatverdächtigen ist für die Berichterstattung nur im begründeten Ausnahmefall von Belang.
Die Pressestellen berichten neutral und objektiv. Grundsätzlich kann hierzu auch die Nennung der Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen in Veröffentlichungen gehören, sofern im Einzelfall ein sachlich begründetes öffentliches Interesse hieran besteht, oder auf Nachfrage der Medien. Das gilt insbesondere bei Verlautbarungen zu Haftsachen, bei regionalen Brennpunkten oder bei aktuellen Kriminalitätsphänomenen.
Abweichend davon unterbleibt eine Nennung, wenn sie für das Verständnis des Sachverhalts nicht relevant ist. Das ist regelmäßig bei einfacher Kriminalität beziehungsweise Massendelikten und Verkehrsdelikten der Fall. Bei der Berichterstattung über Kinder und Jugendliche ist Zurückhaltung geboten. Bei tatverdächtigen Kindern ist daher die Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht Teil der Berichterstattung. Ein möglicher Migrationshintergrund eines Tatverdächtigen ist für die Berichterstattung nur im begründeten Ausnahmefall von Belang.
Journalistinnen und Journalisten wie auch Polizistinnen und Polizisten sollen die Herkuft von Verdächtigen also nach beiden Richtlinien nur bei "begründetem öffentlichen Interesse" nennen. Der polizeiliche Pressekodex geht sogar noch einen Schritt weiter und untersagt die Nennung der Staatsangehörigkeit bei tatverdächtigen Kindern.
Die Empfehlungen zur Herkunftsnennung im Pressekodex des Presserats waren aber auch kritisiert worden: Der Journalismusforscher Thomas Hestermann von der Hamburger Hochschule Macromedia sprach gegenüber dem WDR im Dezember 2020 von einer "Fehlentwicklung". Er hatte untersucht, wie häufig in journalistischen Beiträgen die Nationalität eines Verdächtigen oder Straftäters genannt wird. Demnach verwies 2019 fast jeder dritte Fernsehbeitrag auf die Herkunft eines Tatverdächtigen. 2014, vor den Kölner Ereignissen, war das noch bei 4,8 Prozent der untersuchten Fernsehbeiträge der Fall gewesen.