"So, Freunde der Mathematik und Physik. Wir hatten gestern Gleichungen und da gab es doch die ein oder anderen Probleme noch und den Wunsch, dass ich das noch mal vorrechne. Also erst mal wirklich nur zuhören."
Mit einfacher Bruchrechnung steigt Oliver Kramer in den Kurs ein - 20 angehende Studierende der HTWK Leipzig lauschen den Worten ihres Tutors. "Mathematische Grundlagen für Physik" stehen auf dem Programm. Der Kurs ist gut besucht. Irgendwann sollten eigentlich alle im Raum schon einmal davon gehört haben - denn das, was hier unterrichtet wird, ist klassischer Lernstoff aus der Schule - Sekundarstufe I, so Kramer.
"Wir versuchen, in zwei Wochen das alles zu wiederholen, was man in sieben Jahren Schule hat. Und das ist schon ein ehrgeiziges Ziel. Das Wichtigste ist wirklich, wenn sie hierher kommen, dass sie Grundlagen der Sekundarstufe I beherrschen: Bruchrechnung, lineare Gleichung, quadratische Gleichung, Sinus, Kosinus, Tangens, dann ist ein guter Grundstein gelegt fürs Studium."
"Wenn man jetzt so eine Gleichung vor sich hat, dann erst mal beide Seiten prüfen. Auf der rechten Seite haben wir nur 1 + X / 2. Das ist alles schon auf einem Nenner."
Schwieriger Einstieg
In Kramers Vorbereitungskurs sitzen Studierende der Druck-, Verpackungs- und Medientechnik sowie der Buch- und Medienproduktion.Johanna Prüßner ist 25 Jahre alt und hat bereits an der Uni München studiert – allerdings Geisteswissenschaften. Mit Mathe hatte sie da nichts am Hut. Jetzt will sie in die Medientechnik einsteigen und muss einiges auffrischen. So wie viele andere im Kurs auch. Manche von ihnen haben schon gearbeitet, einige kommen direkt aus der Ausbildung oder von der Schule. Das Publikum ist gemischt. Der Einstieg sei nicht für alle leicht, sagt Johanna Prüßner.
"Also es ist schon echt schwierig, wieder reinzukommen. Andererseits hab ich wirklich das Gefühl, dass es was bringt. Weil schon die Grundsachen weiß man nicht mehr, so was wie Klammern auflösen oder mit Bruch rechnen oder so. Und da kommt man halt relativ gut wieder rein, wenn es jemand einem erklären kann. Deshalb bin ich wirklich froh um diesen Vorkurs."
In den Vorkursen geht es vor allem um naturwissenschaftliche Grundlagen. Zwei Wochen lang bekommen die Studierenden eine kostenlose Auffrischung - ein Extra-Service sozusagen, den mittlerweile viele Hochschulen in Deutschland anbieten. Frühzeitig soll das vermittelt werden, was später laut Lehrplan gebraucht wird. Aber nicht nur Fachkompetenz spielt eine Rolle, erklärt Katharina Roeber vom Organisationsteam "Studifit".
"Die Studierenden geben uns die Rückmeldung, dass es gut war, wieder reinzukommen ins schulische Lernen, in die Themen als solches. Und welchen Effekt wir auch erzielen, ist, dass die in den Vorkursen Kontakte knüpfen und Beziehungen aufbauen, die dann auch im weiteren Studium noch bestehen."
Einheitliche Wissensstandards und Kontakte als Ziel
Mittlerweile vernetzen sich Hochschulen deutschlandweit immer besser und tauschen sich auf Tagungen und Konferenzen auch über die Inhalte der Kurse aus. Das Ziel: Einheitliche Wissensstandards erreichen. Denn das Bildungssystem in Deutschland ist föderalistisch und fördert eher Vielfalt und nicht Einheitlichkeit. Hinzu kommen die unterschiedlichen Bildungshintergründe - dazu gehören auch Studierende, die kein Abitur haben, so Katharina Roeber.
"Viele verschiedene Abschlüsse, die heutzutage zu einem Studium berechtigen. Und damit einhergehen aber eben auch verschiedene Vorkenntnisse. Je nachdem, was in den Lehrplänen eben Inhalt war. Und damit haben wir eine sehr heterogene Studierendenschaft, die hier bei uns anfängt."
Die Universität Duisburg-Essen zum Beispiel bietet Vorkurse extra für Studierende der MINT-Fächer an. An anderen Hochschulen werden auch Sprachen gelehrt. Das Interesse ist groß. Etwa 1.200 Erstsemester erwartet die HTWK Leipzig, rund jeder Dritte nimmt an einem Vorkurs teil. Ein Problem aber sei, so Katharina Roeber, die Leute zu kriegen, die wirklich Bedarf haben.
"In unseren Kursen sitzen oft die Leute, die fleißig sind, die schon gut sind, die sowieso motiviert sind. Und bei dem einen oder anderen, der vielleicht Lücken hat, die dann den schwierigen Einstieg bereiten, der kommt noch nicht in den Vorkurs. Und da sehen wir für uns auch noch Entwicklungspotenzial, die noch besser irgendwie zu kriegen, anzusprechen, dass sie diese Vorkurse nutzen für einen guten Studieneinstieg."