Rudolf Steiner: "Und ist es nicht eine höchste heilige, religiöse Verpflichtung, das Göttlich-Geistige, das ja in jedem Menschen, der geboren wird, neu sich offenbart, in der Erziehung zu pflegen? Ist dieser Erziehungsdienst nicht religiöser Kult im höchsten Sinne des Wortes?"
Rudolf Steiner in seiner Ansprache zur Eröffnung der ersten Waldorfschule 1919 in Stuttgart. Musik von Bach unterstreicht den spirituellen Anspruch. Die Waldorfschule ist das Herzstück von Steiners Bemühungen, die von ihm begründete Wissenschaft der Anthroposophie praktisch umzusetzen. Sie soll den Menschen ganzheitlich und in seiner göttlichen Abstammung erfassen. Sein Wissen bezieht Steiner laut eigener Aussage aus einer geheimen Chronik, zu der nur Eingeweihte über Meditation Zugang haben. Mit seiner Suche nach übersinnlicher Wahrheit trifft Steiner den Nerv einer Zeit, in der durch moderne Wissenschaften alte Gewissheiten ins Wanken geraten sind. Der Kulturhistoriker und Steiner-Biograf Helmut Zander:
"Dann muss man wissen, dass die literarische Kultur um 1900 höchst verunsichert war. Etwa die Frage, wer hat die Bibel konstruiert, hat Jesus überhaupt gelebt, all diese Fragen hat man diskutiert. Man war sich unsicher, wie verlässlich diese Quellen sind. Und Steiner hat nach einer Antwort gesucht. Und seine Antwort lautet, es gibt ein Weltgedächtnis, das eben nicht von diesen Quellen abhängt."
Am 27. Februar 1861 wird Rudolf Steiner als Sohn eines Bahnbeamten im österreichisch-ungarischen Kraljevec geboren. Ein Stipendium ermöglicht dem begabten Schüler ein naturwissenschaftliches Studium in Wien, aber der philosophisch interessierte Steiner bricht das Studium ab, promoviert dann über Fichte. Doch weil die geplante Universitätskarriere scheitert, nimmt er eine Stelle am Goethe-Schiller-Archiv in Weimar an.
1897 zieht er nach Berlin, wo er zunächst für ein Literaturmagazin arbeitet. Eine intellektuelle Heimat findet der Atheist und Nietzsche-Anhänger schließlich ausgerechnet in der Theosophischen Gesellschaft - einer spirituellen Bewegung, die mystische Gotteserkenntnis sucht. Doch Steiner findet darin seine von der Philosophie des deutschen Idealismus geprägten Vorstellungen von einem Vorrang der geistigen Ideen gegenüber der Materie wieder.
Der brillante Rhetoriker wird bald Generalsekretär der deutschen Sektion der internationalen Gesellschaft. Interne Machtquerelen führen 1912 zur Abspaltung der meisten deutschen Theosophen und zur Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Steiner wird ihr Ehrenpräsident. Auch weiterhin entwickelt er Reformideen zu Architektur und Kunst und entwirft eine Evolutionsgeschichte. Doch sein Geschichtsbild beruht auch auf antijüdischen und rassistischen Ideen:
"Auf der einen Seite hat man die schwarze Rasse, die am meisten irdisch ist. Wenn sie nach Westen geht, stirbt sie aus. Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse."
Steiners ambivalente Haltung zwischen fortschrittlichen und konservativ-nationalistischen Ideen zeigt sich auch bei seinem berühmtesten Projekt, der Waldorfschule. Als ihn nach dem Ersten Weltkrieg der Direktor der "Waldorf-Astoria"-Zigarrenfabrik in Stuttgart bittet, die Leitung einer neuen Schule für die Kinder seiner Arbeiter zu übernehmen, sagt Steiner zu, obwohl er sich bisher kaum mit Pädagogik beschäftigt hat:
Helmut Zander: "Steiner war der Kopf einer Weltanschauungsgemeinschaft. Diese Menschen haben von ihm Antworten zu unendlich vielen Fragen und Themen verlangt. Aber er hat einen Preis dafür bezahlt, er musste sich in sehr kurzer Zeit über sehr viele Themen informieren, auch über solche, von denen er keine Ahnung hatte."
Steiner erarbeitet moderne Schulkonzepte mit Koedukation und frühem Fremdsprachenunterricht, beharrt aber auch auf veralteten Strukturen wie etwa der autoritären Stellung des Lehrers oder der Ablehnung jeder Schülermitbestimmung. Seine Entwicklungen einer biodynamischen Landwirtschaft und anthroposophischen Medizin wirken wegweisend, doch schon zu Lebzeiten wird sein Werk kontrovers diskutiert. Während seine Gegner in ihm einen reaktionären Esoteriker sehen, wird er von seinen Anhängern bis heute geradezu kultisch verehrt:
Helmut Zander: "Er konnte fünf gerade sein lassen, wo Anthroposophen die reine Lehre forderten. Im Ernstfall hat er Würstchen gegessen, wenn es in einem Lokal nichts anderes gab, obwohl der Vegetarismus dogmatisiert war. Ich glaube, Steiner hatte sehr viel mehr schräge Seiten, als Anthroposophen sie ihm zugestehen. Das Problem unseres Steinerbildes ist, dass er in einer großen Aura der Verehrung untergegangen ist."
Rudolf Steiner in seiner Ansprache zur Eröffnung der ersten Waldorfschule 1919 in Stuttgart. Musik von Bach unterstreicht den spirituellen Anspruch. Die Waldorfschule ist das Herzstück von Steiners Bemühungen, die von ihm begründete Wissenschaft der Anthroposophie praktisch umzusetzen. Sie soll den Menschen ganzheitlich und in seiner göttlichen Abstammung erfassen. Sein Wissen bezieht Steiner laut eigener Aussage aus einer geheimen Chronik, zu der nur Eingeweihte über Meditation Zugang haben. Mit seiner Suche nach übersinnlicher Wahrheit trifft Steiner den Nerv einer Zeit, in der durch moderne Wissenschaften alte Gewissheiten ins Wanken geraten sind. Der Kulturhistoriker und Steiner-Biograf Helmut Zander:
"Dann muss man wissen, dass die literarische Kultur um 1900 höchst verunsichert war. Etwa die Frage, wer hat die Bibel konstruiert, hat Jesus überhaupt gelebt, all diese Fragen hat man diskutiert. Man war sich unsicher, wie verlässlich diese Quellen sind. Und Steiner hat nach einer Antwort gesucht. Und seine Antwort lautet, es gibt ein Weltgedächtnis, das eben nicht von diesen Quellen abhängt."
Am 27. Februar 1861 wird Rudolf Steiner als Sohn eines Bahnbeamten im österreichisch-ungarischen Kraljevec geboren. Ein Stipendium ermöglicht dem begabten Schüler ein naturwissenschaftliches Studium in Wien, aber der philosophisch interessierte Steiner bricht das Studium ab, promoviert dann über Fichte. Doch weil die geplante Universitätskarriere scheitert, nimmt er eine Stelle am Goethe-Schiller-Archiv in Weimar an.
1897 zieht er nach Berlin, wo er zunächst für ein Literaturmagazin arbeitet. Eine intellektuelle Heimat findet der Atheist und Nietzsche-Anhänger schließlich ausgerechnet in der Theosophischen Gesellschaft - einer spirituellen Bewegung, die mystische Gotteserkenntnis sucht. Doch Steiner findet darin seine von der Philosophie des deutschen Idealismus geprägten Vorstellungen von einem Vorrang der geistigen Ideen gegenüber der Materie wieder.
Der brillante Rhetoriker wird bald Generalsekretär der deutschen Sektion der internationalen Gesellschaft. Interne Machtquerelen führen 1912 zur Abspaltung der meisten deutschen Theosophen und zur Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Steiner wird ihr Ehrenpräsident. Auch weiterhin entwickelt er Reformideen zu Architektur und Kunst und entwirft eine Evolutionsgeschichte. Doch sein Geschichtsbild beruht auch auf antijüdischen und rassistischen Ideen:
"Auf der einen Seite hat man die schwarze Rasse, die am meisten irdisch ist. Wenn sie nach Westen geht, stirbt sie aus. Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse."
Steiners ambivalente Haltung zwischen fortschrittlichen und konservativ-nationalistischen Ideen zeigt sich auch bei seinem berühmtesten Projekt, der Waldorfschule. Als ihn nach dem Ersten Weltkrieg der Direktor der "Waldorf-Astoria"-Zigarrenfabrik in Stuttgart bittet, die Leitung einer neuen Schule für die Kinder seiner Arbeiter zu übernehmen, sagt Steiner zu, obwohl er sich bisher kaum mit Pädagogik beschäftigt hat:
Helmut Zander: "Steiner war der Kopf einer Weltanschauungsgemeinschaft. Diese Menschen haben von ihm Antworten zu unendlich vielen Fragen und Themen verlangt. Aber er hat einen Preis dafür bezahlt, er musste sich in sehr kurzer Zeit über sehr viele Themen informieren, auch über solche, von denen er keine Ahnung hatte."
Steiner erarbeitet moderne Schulkonzepte mit Koedukation und frühem Fremdsprachenunterricht, beharrt aber auch auf veralteten Strukturen wie etwa der autoritären Stellung des Lehrers oder der Ablehnung jeder Schülermitbestimmung. Seine Entwicklungen einer biodynamischen Landwirtschaft und anthroposophischen Medizin wirken wegweisend, doch schon zu Lebzeiten wird sein Werk kontrovers diskutiert. Während seine Gegner in ihm einen reaktionären Esoteriker sehen, wird er von seinen Anhängern bis heute geradezu kultisch verehrt:
Helmut Zander: "Er konnte fünf gerade sein lassen, wo Anthroposophen die reine Lehre forderten. Im Ernstfall hat er Würstchen gegessen, wenn es in einem Lokal nichts anderes gab, obwohl der Vegetarismus dogmatisiert war. Ich glaube, Steiner hatte sehr viel mehr schräge Seiten, als Anthroposophen sie ihm zugestehen. Das Problem unseres Steinerbildes ist, dass er in einer großen Aura der Verehrung untergegangen ist."