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Vorrang für Erneuerbare?

Das traditionelle Rennsteiglied – die Hymne des Thüringer Waldes – hat hier einen neuen Text bekommen. Diejenigen, die ihn singen, sind mindestens 1 Stunde mit dem Bus nach Erfurt gereist.

Von Blanka Weber | 25.06.2010
    Petra Ender ist eine von ihnen und hat die Fäden der Protestler in der Hand:

    "Also heute sehen Sie hier die Bürgerinitiativen aus Südthüringen, aus Mittelthüringen und Bayern. Bürgerinnen und Bürger, die mit ihren Grundstücken betroffen sind, und wir werden heute nochmals ganz deutlich unseren Protest deutlich machen."

    Petra Ender ist selbst Bürgermeisterin in Großbreitenbach, einer kleinen Stadt in Südthüringen. Seit vier Jahren kämpft sie gegen ein Projekt, dass sich schlicht 380 Kilovolt-Trasse nennt. Sie soll von Nord nach Süd durch den Thüringer Wald verlaufen – parallel zu einer bislang bestehenden kleinen Trasse. Nur ebenleistungsfähiger und moderner sein – sagt der Projektträger, die in Deutschland das Höchstspannungsnetz der Vattenfall Europe AG betreibt.
    Argumente der Kritiker:

    "Wir haben schon massive Infrastrukturmaßnahmen hinzunehmen, wie ICE-Bau und ich kann Ihnen nur sagen, wir werden alles tun, um diesen 380 KV Leitung durch Thüringen zu verhindern, denn es geht um unsere Natur und Landschaft, es geht um die Lebensqualität der dort lebenden Menschen und es geht um einen wichtigen Wirtschaftsfaktor: den Tourismus."

    Petra Ender sitzt für ihre Partei – die Linke – auch im Landtag. Eine Frau, die keinen Zweifel lässt an ihrer Konsequenz und die den Argumenten der Investoren entgegen hält:

    "Bei dieser Leitung geht es nicht um Transport von Windstrom. Es geht darum, dass die Laufzeiten für Kohlekraftwerke verlängert werden sollen. Wir wollen die Nutzung von regenerativen Energien. Wir favorisieren hier dezentrale Lösungen."

    Und das ist der Knackpunkt. Denn dezentral soll aus Sicht der EU hier nichts geschehen. Eigens angereist ist der EU-Koordinator für die künftigen Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee, Georg Wilhelm Abramowitsch.

    "Diese Leitung hier über den Thüringer Wald ist eines der europäischen Schlüsselprojekte um ein europäisches Hochspannungsnetz im Grunde genommen vernünftig zusammen zu schließen."

    Und dafür wirbt er in Thüringen. Wenn es sein muss, könnten Mimik und Gestik auch deutlicher werden:

    "Ich wünschte mir, dass wir ohne Konflikte die Probleme hier lösen können, wenn aber Zeitverzögerungen eintreten, die energiewirtschaftlich nicht zu vertreten sind, dann wird man sich in Brüssel schon überlegen, wie man hier beschleunigende Maßnahmen einsetzen kann."

    Von beschleunigenden Maßnahmen halten die hier angereisten 200 Thüringer und Bayern nichts. Auch der Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig weiß:

    " Moderne Industriegesellschaften brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung."

    Und davon ist hier bislang nichts zu spüren. Die Kritiker sehen den Umweltaspekt nicht gegeben. Ein Gutachter bescheinigt zudem Unwirtschaftlichkeit:

    "Wir müssen die wirtschaftliche Zumutbarkeit berücksichtigen und es ist ganz klar, diese neue Leitung soll gebaut werden, damit Braunkohlestrom aus Polen und Ostdeutschland transportiert werden kann."

    Bemängelt Professor Lorenz Jarras. Wirtschaftminister Machnig widerspricht, obwohl er klar stellt: Er habe sich noch nicht festgelegt.

    "Ich sage ganz klar: Wer A sagt – nämlich 'erneuerbare', muss auch B sagen: Nämlich er muss dafür sein, dass dann der Vorrang, den es gibt im Gesetz, auch gewährleistet werden kann, dass ausreichend Netzkapazitäten zur Verfügung stehen."

    Matthias Machnig will bis Juni seine Position formulieren und dem Thüringer Kabinett vorlegen.