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Vorreiter der Energiewende

Im Vergleich zu heutigen Windenergieanlagen war er ein Zwerg, und doch kann er als Urzelle der Energiewende gelten: Am 24. August 1986 ging in der Nordseegemeinde Kaiser-Wilhelm-Koog der erste kommerzielle Windpark ans Netz. Für den Energie-Experten war Norbert Allnoch war es der Auftakt der heutigen Energiepolitik.

Norbert Allnoch im Gespräch mit Sina Fröhndrich |
    Sina Fröhndrich: Wir bleiben bei der Energie. Es geht um folgende Frage: Wer haftet, wenn Offshore-Windparks zwar in Betrieb, aber nicht ans Netz angeschlossen sind, sprich der Strom nicht eingespeist werden kann? Für die Haftung sollte vor allem der Verbraucher aufkommen, so der ursprüngliche Plan von Wirtschafts- und Umweltministerium. Doch dagegen hatte Verbraucherministerin Ilse Aigner Mitte der Woche ihr Veto eingelegt, und das wohl mit Erfolg. Die Kosten sollen auf mehreren Schultern verteilt werden. Das hieße für die Verbraucher knapp zehn Euro mehr im Jahr. Aber auch Unternehmen werden in die Pflicht genommen, wenn sie weniger als eine Million Kilowattstunden verbrauchen. Die Pläne sollen nächste Woche im Kabinett beschlossen werden.
    Und wir bleiben bei der Windkraft, denn die Einigung der schwarz-gelben Koalition beim Thema Haftungsregeln kommt just an einem Tag, der für die Windkraft in Deutschland eine wichtige Rolle spielt. Heute vor 25 Jahren ging der erste kommerzielle Windpark in Betrieb: an der Nordseeküste in Schleswig-Holstein in der Gemeinde Kaiser-Wilhelm-Koog. Seitdem hat sich die Windkraft-Branche verändert, und genau darüber möchte ich jetzt mit Norbert Allnoch sprechen. Er ist Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerativen Energien in Münster. Guten Tag, Herr Allnoch!

    Norbert Allnoch: Schönen guten Tag, Frau Fröhndrich.

    Fröhndrich: Der Weg zu diesem ersten deutschen Windpark in Schleswig-Holstein hat ja zunächst erst mal mit einem Misserfolg angefangen, und der hieß Growian.

    Allnoch: Ja. Es wird in den Medien so dargestellt, dass der Growian ein Fehlschlag war, war er aber eigentlich nicht. Man muss noch einen Schritt zurückgehen, denn die Ölkrise war letztendlich der Ausschlag dafür, dass wir den Growian überhaupt bekommen haben.

    Fröhndrich: Ganz kurz noch mal als Erläuterung. Growian hieß eigentlich:

    Allnoch: Große Windenergie-Anlage. Die Abkürzung ist eben Growian. Und in den 70er-Jahren gab es die erste Ölkrise und daraufhin hat man überlegt, was machen wir eigentlich, wie sichern wir unsere Energieversorgung. Die eine Richtung ging in erneuerbare Energien, die andere in die Kernenergie. So ist dieses Projekt Growian entstanden, schon 1976 ist der Auftrag erteilt worden, 1981/82 dann das Ganze gebaut worden. Auch die Amerikaner haben zu dieser Zeit schon große Windkraft-Anlagen gebaut. 1980 ist dort ein großer Windpark damals von Boeing ans Netz gegangen mit dreimal 2,5 Megawatt, also auch schon ein so großer Windpark. In Deutschland ist mit dem Growian mit drei Megawatt die weltgrößte Windkraft-Anlage seinerzeit an den Start gegangen. Man wollte den direkten Einstieg in die große Windenergie-Technik. Das ist in der Tat nicht gelungen, weil es gab Probleme, die man vorher nicht berücksichtigt hatte: zum Beispiel dynamische Lasten, die zur Ermüdung geführt haben. Aber man hat daraus gelernt und dieser Windpark, von dem Sie jetzt sprechen, der vor 25 Jahren da an den Start gegangen ist, das war sozusagen wieder zurück zu den kleinen Anlagen, und von da aus ist das ganze dann organisch gewachsen. Aber man hat durch Growian sehr viel gelernt.

    Fröhndrich: Und der ersten deutschen Windpark, den Sie auch gerade erwähnt haben, die Anlagen waren viel kleiner, man hat daraus gelernt. Aber war denn damals schon damit zu rechnen, dass die Windkraft die Landschaft in Deutschland derart verändern wird?

    Allnoch: 1987 war das ein Jahr nach Tschernobyl. Da war einiges in Aufruhr. Der Auslöser war die Diskussion um die Kernenergie, der Ausbau der Kernenergie, die Suche nach Alternativen, und hier war die Windenergie eine Technologie. 1986, als dann dieses Unglück in Tschernobyl passierte, da haben die Stromversorger dann gesagt, ja wenn wir eine andere Technik hätten, dann würden wir sie ja einsetzen, aber die gibt es nicht. Das war letztendlich ein wichtiger Treiber für die Politik, dann anschließend das 100- und 250-Megawatt-Programm Wind aufzulegen und 1990 dann das Stromeinspeisungsgesetz, und das war letztendlich der Schub, der dann zu der heutigen Entwicklung geführt hat.

    Fröhndrich: Und inzwischen haben wir nicht nur Onshore-Anlagen, sondern auch Offshore. Welche Zukunft sehen Sie denn? Wir haben jetzt schon acht Prozent Anteil am Strommix, der die Windenergie ausmacht. Welche Kapazitäten sehen Sie denn noch?

    Allnoch: Ja in der Tat unterscheiden wir zwischen Onshore- und Offshore-Technik. Im Onshore-Bereich werden wir dieses Jahr um die 50 Milliarden Kilowatt-Stunden Strom erzeugen bei 600 Milliarden, die wir hier in Deutschland verbrauchen. Ich denke, dass wir Onshore durchaus 60 Milliarden Plus in Deutschland erreichen werden, und Offshore kommen wir, wenn wir das so ausbauen, wie das die Politik möchte, nämlich mit rund 30.000 Megawatt, auf 120 Milliarden Kilowattstunden.

    Fröhndrich: Und in Prozent gesagt?

    Allnoch: Zusammen kommen wir dann auf ungefähr 30 Prozent.

    Fröhndrich: Jetzt unterliegt die Windkraft allerdings ja auch Schwankungen, was die Einspeisung immer auch vor Probleme stellt. Kommt die Windenergie da an ihre Grenzen?

    Allnoch: Das sehe ich so nicht, denn wir müssen eigentlich folgendes sehen: Gerade im Offshore-Bereich haben wir mit Volllast-Nutzungsstunden von 4000 doch eine Stundenzahl, die den Grundlastbereich abdeckt. Im Onshore-Bereich haben Sie Recht, da ist es eher variabel. Wir haben ja auch noch die Solarenergie, die quasi die Spitzenlast abdeckt. Insofern ist die Arbeitsteilung zwischen Offshore im Grundlast-, Onshore im Mittellastbereich und Solarenergie im Spitzenlastbereich eigentlich schon gegeben.

    Fröhndrich: Norbert Allnoch, Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien in Münster – vielen Dank!

    Allnoch: Bitte schön.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.