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Vorschlag Steinbachs "aus meiner Sicht unakzeptabel"

Angelica Schwall-Düren lehnt die Bedingungen, die Erika Steinbach für ihren Verzicht auf einen Stiftungsratssitz gestellt hat, entschieden ab. Eine Verdoppelung der Anzahl der Vertreter des BDV sei "nicht gewollt vonseiten der Politik", sagte die Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft.

Angelica Schwall-Düren im Gespräch mit Gerd Breker | 05.01.2010
    Gerd Breker: Nach monatelangem Streit will die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach nun doch auf einen Posten im Beirat der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung verzichten, wenn ihr Verband mehr Einfluss in diesem Gremium erhält. Frau Steinbach verlangt, dass die Stiftungsratsmitglieder nicht länger förmlich von der Politik bestellt werden, sondern lediglich von den Verbänden entsandt werden, um, wie sie sagt, zukünftige politische Bevormundung auszuschließen. Als weitere Bedingung für ihren Rückzug nannte Steinbach, dass das Zentrum eine größere Fläche am geplanten Standort erhalten soll. Wie reagiert man in Polen auf den neuen Winkelzug in Sachen Erika Steinbach? Wie bereits seit Monaten wird in Polen das innerdeutsche Gerangel um die Vertriebenenpräsidentin nur am Rande wahrgenommen. Auch heute fehlten zunächst jegliche offizielle Reaktionen. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Angelica Schwall-Düren. Sie ist Mitglied für die SPD im Deutschen Bundestag und Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. Guten Tag, Frau Schwall-Düren.

    Angelica Schwall-Düren: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Es wäre gut, wenn der Streit um Frau Steinbach endlich ein Ende finden würde. Daher ist es richtig, dass die Bundesregierung die Bedingungen von Frau Steinbach fair und offen prüfen will.

    Schwall-Düren: Nun, es wäre in der Tat gut, wenn die Stiftung endlich mit der Arbeit beginnen könnte, in einem ruhigen Klima. Allerdings muss ich schon direkt sagen, dass die Bedingungen, die Frau Steinbach gestellt hat, um auf einen Platz im Stiftungsrat zu verzichten, aus meiner Sicht unakzeptabel sind und dass man das sehr schnell erkennen kann, dass sie unakzeptabel sind.

    Breker: Woran erkennen Sie das, Frau Schwall-Düren?

    Schwall-Düren: Es ist ja nicht ohne Grund im Stiftungsgesetz festgelegt worden, dass nach einer Benennung der gesellschaftlichen Vertreter in den Stiftungsbeirat letztendlich die Bundesregierung dann darüber entscheidet, welche Personen tatsächlich berufen werden sollen. Und wenn genau diese Bedingung nun außer Kraft gesetzt werden soll, wenn auf der anderen Seite versucht wird, die Stiftung als Unterstiftung aus dem Deutschen Historischen Museum herauszulösen, wenn die Anzahl der Vertreter des BDV mindestens verdoppelt werden soll, dann ist das ganz eindeutig der Versuch, die alte Idee von Frau Steinbach, ein Zentrum gegen Vertreibungen unter der Vorherrschaft des BDV zu errichten, und genau das war ja nicht gewollt vonseiten der Politik.

    Breker: Das heißt, die Politik kann es sich gar nicht leisten, sich aus der Ernennung der Stiftungsratsmitglieder herauszuhalten?

    Schwall-Düren: Ich meine, das kann sie sich wirklich nicht leisten und jedenfalls eine Zustimmung vonseiten der SPD wird es deshalb auch nicht geben.

    Breker: Die Forderungen von Frau Steinbach erfordern ja eine Gesetzesänderung, Frau Schwall-Düren. Das heißt, es müsste noch mal im Bundestag darüber beraten werden. Wird die SPD da mitmachen?

    Schwall-Düren: Nein, auf gar keinen Fall und ich kann nur hoffen, dass hier auch die vernünftigen Vertreter innerhalb der FDP, die die Sensibilität dieses Themas erkennen, entsprechend sich auch einem solchen Vorhaben verweigern werden.

    Breker: Auf polnischer Seite, haben wir gerade gehört, hält man sich sehr zurück. Es ist auch immer wieder die Rede von einer Absprache zwischen Angela Merkel und dem polnischen Regierungschef Donald Tusk, Polen hält sich so lange zurück, wie Frau Steinbach nicht im Stiftungsrat sitzt. Unter diesen neuen Bedingungen kann sich da Polen noch zurückhalten?

    Schwall-Düren: Ich bin sehr froh darüber, dass in Polen eben auch die rational denkenden Politiker erkannt haben, dass man das Thema Steinbach nicht immer wieder hochkochen darf, und es ist ein großes Bemühen von der polnischen Seite, hier auch mäßigend auf die Debatte einzuwirken, indem man sich so zurückhält. Deswegen sollten wir auf gar keinen Fall in Deutschland den Fehler machen, unsererseits nun wieder Öl ins Feuer zu gießen.
    Die polnische Regierung hat in der letzten Zeit immer wieder erklärt, dass es sich bei der Ernennung in den Stiftungsrat selbstverständlich um eine deutsche Angelegenheit handelt, und ich meine auch, wir sollten nicht den Fehler begehen, nun die Verantwortung auf Polen zu schieben oder gar, wie Frau Steinbach es tut, zu behaupten, Polen würde hier eine Erpressung vornehmen. Wer hier zu erpressen versucht, das ist Frau Steinbach selber, und ich meine, wir müssen erkennen, dass es ein deutsch-deutsches Problem ist und dass wir tatsächlich hier Verantwortung für einen vernünftigen Umgang mit diesem Vorhaben an den Tag legen sollten.

    Breker: Drei Vertreter des Bundes der Vertriebenen – der Bund der Vertriebenen steht für 15 Millionen betroffene Opfer im Hintergrund. Hat da der Bund der Vertriebenen nicht recht, das ist was wenig?

    Schwall-Düren: Die Stiftung wird ja vor allen Dingen auch wissenschaftlich arbeiten müssen und es ist ganz ausschlaggebend, was hier an wissenschaftlicher Kompetenz mit in dieses Vorhaben eingebracht wird, und die Vertreter des Bundes der Vertriebenen als eines Teils der Betroffenen haben hier immer die Möglichkeit, aufmerksam zu machen auf bestimmte Themen und Fragestellungen. Da kann es nicht um die Anzahl gehen. Stellen Sie sich vor, wir wollten im Hinblick darauf, dass ja in dieser Stiftung auch Vertreibungen, die ursächlich für spätere Vertreibungen der Deutschen aus ihren Siedlungsgebieten eine Rolle gespielt haben, wollten diese dann auch repräsentativ nach einem proportionalen Verhältnis vertreten; dann merkt man, wie unsinnig eine solche Vorstellung ist, man müsste hier die entsprechenden Siedlungsgebiete nun alle durch Vertreter in diesem Stiftungsrat sitzen haben.

    Breker: Erinnerung und Aussöhnung sollte das Ziel dieser Stiftung sein. Inwieweit ist nach all diesen Querelen aus Ihrer Sicht, Frau Schwall-Düren, das überhaupt noch ein erreichbares Ziel?

    Schwall-Düren: Ich hatte bisher immer die Erwartung und die Hoffnung, wenn die Wissenschaftler, die Museumsfachleute beginnen können, an der Konzeption zu arbeiten, und wenn es zu der von uns immer wieder geforderten und auch geplanten wissenschaftlichen Konferenz kommt, in der Vertreter anderer europäischer Länder einbezogen werden, dass dann in Ruhe dieses Projekt angegangen werden kann und auch deutlich wird, dass beispielsweise in Polen ja längst auch über dieses Thema geforscht wurde und auch die Beteiligung von polnischen Tätern hier auch zur Kenntnis genommen wird, dass man dann tatsächlich in eine Atmosphäre hineinkommt, die deutlich macht, wie sehr die verschiedenen Vorkommnisse historisch miteinander verknüpft sind und dass es hier weder darum geht, aus den Deutschen aus einem Tätervolk ein Opfervolk zu machen, noch, dass es darum geht, Polen als Täter hier anzugreifen und zu vernachlässigen, welche Verantwortung Deutschland hat. Aber das kann wirklich erst in einer Atmosphäre gelingen, wo Frau Steinbach endlich das wahr macht, was sie immer behauptet, dass sie nämlich für die Versöhnung mit Polen sei. Mit ihrer Vorgehensweise, meine ich, zeigt sie genau das Gegenteil.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Angelica Schwall-Düren. Sie ist Mitglied der SPD im Deutschen Bundestag und Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. Frau Schwall-Düren, danke für dieses Gespräch.

    Schwall-Düren: Gerne.