Es ist ein politisches Erdbeben, das Parteichef Jörg Meuthen selbst ausgelöst hat. In einem Interview hatte er die Teilung der Partei in eine sogenannte Mehrheits-AfD und "Flügel"-Anhänger gefordert. Meuthens Kalkül: Zwei Parteien, die in sich homogener sind, können mehr Wähler ansprechen, vor allem im sogenannten bürgerlichen Lager.
Aus seiner eigenen Partei schlägt Meuthen für diesen Vorstoß vor allem Skepsis entgegen, Stephan Brandner ist Bundestagsabgeordneter aus Thüringen, enger Vertrauter von Björn Höcke und stellvertretender Bundeschef. Brandner sagte dem Deutschlandfunk: "Ich kann es nicht nachvollziehen, dass man über so was in der Öffentlichkeit spekuliert. Es funktioniert nicht! Es ist die Arbeit des Gegners, uns aufspalten zu wollen."
Flügel-Chef Björn Höcke nannte Meuthens Idee schlicht "töricht".
"Er wird an politischem Gewicht verlieren"
Für Roland Hartwig, stellvertretender parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, ist Meuthens Kurs völlig unverständlich und selbstgefährdend: "Wie es mit Herrn Meuthen weiter geht, weiß nicht nicht. Ich glaube, dass er sich einer durchaus heftigen parteiinternen Kritik stellen muss. Und das dann auch zu Recht. Ich vermute persönlich auch, dass er durch diese Aktion an politischen Gewicht in der Partei verliert."
Der Machtkampf in der AfD ist nun also mit neuer Härte ausgebrochen. Eine Spaltung der Partei oder der vorzeitige Abgang von Meuthen ist nicht ausgeschlossen. Und das alles in einer Zeit, in der die AfD dringend politische Führung bräuchte, denn noch immer versucht die Partei einen gemeinsamen Kurs in der Corona Krise zu finden.
Sachpolitiker, Kritiker und Rauner
Denn aus ihren Reihen ist seit Tagen ein vielstimmiger Chor zu hören. In diesem Chor mischen sich verschiedene Tonlagen, es sind mindestens vier, die unterschiedlich schrill sind.
Da sind erstens die eher leisen Sachpolitiker, die im Geiste einer Oppositionsarbeit auf Schwächen der Regierungsvorschläge hinweisen, zum Beispiel mehr Tests fordern, oder sich strikt für Freiwilligkeit bei einer neuen Corona-App aussprechen. Zweitens kommen Fundamentalkritiker hinzu, wie Peter Boehringer Ende März bei der Generaldebatte im Bundestag:
"Die Regierungshybris der totalen Steuerung und Finanzierung der ganzen Gesellschaft durch einen allgewaltigen Staat ist schon in normalen Zeiten verfehlt. Bei der Corona-Krise erst recht. Dauerhaft kann nur eine wieder anlaufende Privatwirtschaft die Summen erwirtschaften, die man für einen optimale Gesundheitsversorgung der Menschen benötigt."
Andere liegen in Lauerstellung und hoffen, von der Wirtschaftskrise und Angst nach der Pandemie zu profitieren - wie der Berliner Fraktionschef Georg Pazderski. Die dritte Gruppe sind die Rauner, die der Bundesregierung bei den Corona-Maßnahmen grundsätzlich misstrauen, ihr andere Motive als nur den Gesundheitsschutz unterstellen, wie Jens Maier, AfD-Bundestags-Abgeordneter aus Sachsen, Flügel-Anhänger. Maier, der ehemals als Richter gearbeitet hat, mit einem Appell auf Youtube:
"Auch ihr zu Hause solltet euch überlegen, was da gerade gemacht wird. Lasst euch nicht auf den Arm nehmen und lasst euch nicht widerstandslos einfach eure Freiheit nehmen. Nochmal: Wir geraten in eine Totalüberwachung!"
Die vierte Gruppe, die die schrillsten Töne verbreitet, sind die Verschwörungstheoretiker, die auch an rechte Narrative anknüpfen. Wie zum Beispiel Hans-Jörg Müller, Bundestagsabgeordneter aus Bayern ebenfalls via Youtube:
"Die Corona-Epidemie-Hysterie ist ein tolles Instrument, um jetzt auch noch weiter hier die diktatorische Macht der EU und ihrer europäischen Vasallen-Regierungen zu Lasten der echten Demokratie und den Völkern in den EU-Mitgliedsstaaten voranzutreiben."
Die AfD steckt also fest zwischen Spaltungsangst, politischer Orientierungslosigkeit und Verschwörungstheorien.