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Vorsicht bei Keimen aus der Massentierhaltung

Mit diesem Ergebnis hatten die Experten der Tierärztlichen Hochschule Hannover nicht gerechnet: 60 bis 90 Prozent der untersuchten Schweineställe waren von MRSA-Keimen befallen. Staphylococcus aureus hatte sogar 40 Prozent der Menschen infiziert, die sich dort regelmäßig aufhalten. Doch wie gefährlich ist das?

Von Michael Engel |
    Bei der Diskussion um die Gefährlichkeit von MRSA aus dem Schweinestall gehen die Meinungen auseinander. Nach Ansicht von Prof. Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover könne es nur selten zu gefährlichen Erkrankungen kommen. 98 bis 99 Prozent der Keime gehörten zu einem einzigen Bakterienstamm, nämlich "ST398", der nur über eine Wunde eindringen kann. Mit der Nahrung aufgenommen, würden die Bakterien von der Magensäure sofort zerstört.

    Anders beurteilt Dr. Matthias Pulz die Situation: MRSA sei gefährlich – egal, ob im Krankenhaus oder im Stall entstanden, so der Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes.

    "Ich denke, wir haben natürlich viel mehr Erfahrung, was so mögliche Krankheitsbilder betrifft, mit dem Krankenhaus-MRSA. Aber ich glaube, dass die Gefährlichkeit dieser beiden MRSA-Typen weitgehend gleich ist für den Menschen. Natürlich hat man Antibiotika. Aber MRSA bedeutet ja per se, dass viele Antibiotika nicht mehr greifen. Es ist ja in jedem Fall das Phänomen der Multiresistenz damit erreicht, und damit sind die gängigen Antibiotika zur Behandlung von Staphylokokken nicht mehr einsetzbar."

    Seit vielen Jahren - seitdem die MRSA-Keime 2005 in Holland erstmals entdeckt wurden - empfiehlt die Kommission für Krankenhaushygiene, dass Mitarbeiter aus der Tiermast, so sie als Patienten in eine Klinik aufgenommen werden, auf multiresistente Erreger untersucht werden, und wenn nötig, auf die Isolierstation kommen, damit sich die gefährlichen Bakterien im Krankenhaus nicht noch verbreiten. Umgesetzt wurden die Empfehlung auf Länderebene aber erst vor Kurzem mit den sogenannten "Hygieneverordnungen", so zum Beispiel in Bremen, wo kürzlich mehrere Säuglinge durch MRSA–Keime starben. Dr. Annemarie Käsbohrer vom Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung.

    "Das Problem wird natürlich noch größer, wenn solche Bakterien in Krankenhäuser eingetragen werden, wo ich ja eigentlich Menschen habe, die vielleicht schon erkrankt sind, also schon abwehrgeschwächt sind. Und wenn dann zusätzlich noch so ein resistentes Bakterium sich draufsetzt, kann es eben zu einem Therapieproblem bis hin zu Therapieversagen kommen."

    Mehr als 10.000 Patienten – so die Schätzungen – sterben jedes Jahr in deutschen Kliniken an Krankenhauskeimen wie MRSA. Noch aber – so Matthias Pulz vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt – ist die eingeschleppte Stallvariante von MRSA in den Kliniken eher die Ausnahme. Genaue Untersuchungen gibt es nicht. Und die Verbraucher? Die können auch einiges tun, sagt Prof. Iris Chaberny von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie leitet das 23-köpfige Team der Krankenhaushygiene:

    "Wenn ich Fleisch – rohes Fleisch – behandle, dann muss ich danach sofort meine Hände waschen und alles, was ich mit dem Fleisch angefasst habe, da gehört das Brett dazu, da gehört auch das Messer dazu, das muss akkurat gesäubert und abgewaschen werden. Und ich sollte vor allem versuchen, das Essen, insbesondere das Fleisch durchzugaren, kein Carpaccio, kein Rohfleisch essen. Und damit habe ich im Grunde schon alles eingehalten."

    Noch effizienter als Seife – Faktor 100 - sind Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis. Die haben zudem den Vorteil, sagt die Hygiene-Expertin, dass die Haut nicht so stark entfettet und trocken wird. Auch Gummihandschuhe sind eine denkbare Alternative, wenn Hühnerkeulen ausgepackt oder Schnitzel paniert werden sollen. Diese Vorsichtsmaßnahmen gelten vor allem für chronisch Kranke, Kinder und ältere Menschen, deren Immunsystem nicht ganz auf der Höhe ist. Die Gefahren – von Suppenhuhn bis Salat - sind vielfältig: Neben MRSA gibt es noch EHEC, Campylobacter oder Salmonalla - mit und ohne Resistenzgen im Huckepack.

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