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Vorsicht vor dem "Man-in-the-middle-attack"

Hier ein PC mit Betriebsinterna gestohlen, dort in eine laufende Finanztransaktion über das Unternehmensnetz eingehackt und das Transfergeld aufs eigene Konto umgeleitet: Wirtschaftskriminalität ist raffinierter denn je - und kommt nicht immer nur von außen.

Von Michael Braun | 27.11.2012
    Es wird ein PC gestohlen oder ein Konstruktionsplan verraten. Der einzelne Schaden kann ein paar Hundert oder Millionen Euro betragen. Im Schnitt sind es 30.000 Euro pro Fall. Das summiert sich auf 20 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr durch Wirtschaftskriminalität an Schäden entstehen. Banken etwa werden bis zu 30.000 Mal täglich angegriffen. Frank Weller, bei der Unternehmensberatung KPMG zuständig für das Thema vorsorglicher Schutz vor Kriminalität, über diese Angriffe aus dem Netz:

    "Die nehmen massiv zu. Das reicht vom gezielten Herunterbringen einer Website oder eines Services eines Finanzdienstleisters. Das geht über die sogenannten Phishing-attacks, wo versucht wird, Passwords oder Zugangsberechtigungen abzugreifen, oder sich als 'Man-in-the-middle-attack' sich in die Mitte einer Transaktion zu setzen, um die umzubiegen, also eine eigentlich autorisierte Transaktion mit TAN und PIN wird dann auf einmal in der Mitte der Transaktion umgeleitet auf ein anderes Konto."

    Bei solchen Attacken kommt der Täter von außen:

    "Ansonsten ist es bei den traditionellen Deliktarten - und auch bei Korruption natürlich – der unternehmensinterne."

    Die Täter sind beileibe nicht nur im Bereich der normalen Mitarbeiter zu suchen. Ein gutes Drittel der Wirtschaftskriminellen, in Großunternehmen gar mehr als die Hälfte kommen aus dem Management oder aus dem Top-Management. Kartellabsprachen etwa sind Chefsache. Auch sonst fehle oft das Unrechtsbewusstsein, haben die KPMG-Leute durch Umfragen im Mittelstand und in den hundert größten Unternehmen herausgefunden. Zudem begünstigten mangelnde Kontrollen Betrug, Untreue, Unterschlagung und Diebstahl, ebenso mangelnde Sanktionierung. Werde etwa ein Vertriebsmann in Südamerika bei aktiver Bestechung erwischt, bleibe es häufig beim Eintrag in die Personalakte - das Unternehmen wolle auf das Netzwerk ihres Repräsentanten nicht verzichten. Auf den oberen Managementetagen komme es oft zum "goldenen Handschlag", also zum Rauswurf, der noch mit Geld versüßt wird, um den Imageschaden so klein wie möglich zu halten.

    Wirtschaftskriminalität betreffe nicht nur Großunternehmen, hat die Studie ergeben. Auch im Mittelstand habe sie sich in die Betriebe hineingefressen. Dort seien die Beziehungen enger, das Vertrauen größer - die Gefahr des Missbrauchs von Vertrauen freilich auch.

    "Es ist leider kein abnehmendes Problem."

    Sagt Frank Weller über die Zukunft der Wirtschaftskriminalität. Korruption habe zwar abgenommen, weil die Unternehmen sich darum gekümmert hätten: Vor sechs Jahren entfielen noch 33 Prozent aller wirtschaftskriminellen Vorfälle auf dieses Delikt. In diesem Jahr nur sechs Prozent. Das bezieht sich auf passive Bestechung, also auf den Versuch, bestochen zu werden. Über aktive Bestechung gab es keine Auskunft.