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Vorsichtige Kritik an der Staatskirche

Die Würdenträger der orthodoxen Kirche in Griechenland haben traditionell großen Einfluss auf die Meinungsbildung im Land. Doch durch die notwendigen Sparmaßnahmen im Land wächst in der Bevölkerung auch die Kritik an den Privilegien der Staatskirche.

Von Gunnar Köhne |
    Gottesdienst in der Kirche zum Heiligen Panteleimon, der größten Athens. Gekommen sind überwiegend alte Leute. Die orthodoxe Kirche Griechenlands hat neuerdings gerade unter jungen Leuten ein Imageproblem. Denn sie ist eine Staatskirche. Die griechische Flagge steht gleich neben dem Altar, Regierungen werden vom Bischof gesegnet, die Priester vom Staat bezahlt. Wegen dieser Nähe zu denjenigen, die viele Bürger verantwortlich für die desolate Finanzlage ihres Landes machen, müssen sich die bislang fast unberührbaren Kirchenvertreter Kritik gefallen lassen. Der Priester der Gemeinde, Pater Maximos, nebenher Generalvikar des Athener Erzbischofs und Deutschland erfahren, macht dafür die Medien verantwortlich:

    "Die Medien haben eine wichtige Rolle gespielt, dass manche Leute die Kirche mit dem politischen System identifizieren. Aber da die Leute gesehen haben, dass die Kirche hilft, dass die Kirche präsent ist, dass sie mit dem Volk ist, nicht mit der Macht, fühlen sie sich der Kirche nahe."

    Tatsächlich tut die Kirche den Armen in dieser schweren Zeit Gutes. Allein in Athen verteilen die Gemeinden 10.000 Essensportionen täglich. Ohne diese Nothilfe stünden besonders Kranke und Alte ohne Hilfe da.

    Doch es gibt auch noch ein anderes Gesicht der griechischen Kirche, und das zeigt sich auf der Halbinsel Lemos außerhalb von Athen: Hier beansprucht ein kirchliches Waisenhaus fast die gesamte unbebaute Seite der Peninsula. Bald sollen an dieser Stelle Villen und Hotels entstehen. Auf der Suche nach Investoren reiste der Athener Erzbischof sogar in den Wüstenstaat Katar. Zwei bereits über eine Offshorefirma getätigte Landverkäufe der Kirche werden derzeit gerichtlich geprüft. Die Gäste der der öffentlichen Strände von Lemos sind empört:

    "Eine Kirche sollte keine Geschäfte machen. Das passt nicht zu meiner Auffassung von einer Kirche."

    "Wenn es der Kirche gehört, dann sollten diese Strände nicht privatisiert werden, sondern für alle geöffnet bleiben. Es gibt ohnehin kaum noch öffentliche Strände hier."

    Nicht verwundert über das Geschäftsgebaren der Kirche ist der linke Abgeordnete im Athener Parlament, Dimitrios Papadimoulis. Er plädiert als einer der wenigen Politiker für eine strikte Trennung von Staat und Kirche und für eine Abschaffung der zahlreichen kirchlichen Privilegien.

    "Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn jemand eine Spende an die Kirche gibt, dann kann das von der Steuer abgesetzt werden. Ergebnis: Wir haben jede Menge sogenannte 'Luftspenden'. Ich spende der Kirche 1.000 Euro und bekomme eine Quittung über 20.000 Euro. Auf diesem Weg spare ich rund 6.000 Euro Steuern! Und die Kirche hat auch keine Nachteile. Ein anderes Beispiel: Die Mieteinnahmen der Kirche werden mit 20 Prozent versteuert, während ein einfacher Hausbesitzer seine Mieteinnahmen mit 35 bis 40 Prozent versteuern muss."

    Und die Kirche ist nach dem Staat der zweitgrößte Landbesitzer Griechenlands. Doch manche Besitztümer sind in Verruf geraten. So machte im vergangenen Jahr ein Skandal um das Kloster Vatopedi im Norden Griechenlands Schlagzeilen. Der dortige Abt soll einen See zu Geld gemacht haben, der dem Kloster gar nicht gehörte. Bei dem 100-Millionen-Euro-Deal soll die frühere Regierung Karamanlis behilflich gewesen sein. Der Abt sitzt seit seitdem in Haft.
    Mitten in der Krise will die Kirche auch Landbesitz in den Pangeli-Bergen vor den Toren der Hauptstadt unter dubiosen Umständen zu Geld machen. Dort soll ein riesiger Solarpark entstehen – Investitionsvolumen: eine Milliarde Euro. Das hat Griechenlands Umweltschützer auf den Plan gerufen. Sie deckten auf, dass dafür über Nacht mithilfe der PASOK und der konservativen Nea Demokratia ein Naturschutzgesetz geändert werden sollte. Die Folge wäre ein ökologischer Kahlschlag, befürchten die Umweltschützer Adonis Fidopoulous und Kostas Tsumakas.

    "Wir stehen hier auf einem Berg, der zu den letzten grünen Gebieten Attikas gehört. Der Wald hier ist unter ungeklärten Umständen drei Mal abgebrannt. Nun soll das Gelände wieder aufgeforstet werden. Mehr als Solaranlagen braucht Athen solche Naturgebiete – sie sind die Lungen der Stadt. Außerdem protestieren wir dagegen, dass die Kirche hier Land beansprucht, das ihnen unserer Ansicht nach nicht gehört."

    "Auch nach den Wahlen wird die Kirche erneut versuchen, eine Gesetzesänderung für dieses Projekt durchzusetzen. Dieses Projekt ist ihr enorm wichtig. Aber wir werden uns weiter wehren und wir sind zuversichtlich, dass wir am Ende gewinnen."

    Griechenlands Kirchenführer haben sich immer wieder mit Kritik an den ausländischen Gläubigern des Landes hervorgetan. Die Troika aus Vertretern des Internationalen Währungsfonds und der EU und der Europäischen Zentralbank nannten die Bischöfe in einem Schreiben eine "ausländische Besatzungsmacht". Die Kritik an ihrem eigenen Reichtum weist Pater Maximos dagegen zurück.

    "Die Kirche hat 96 Prozent ihres Besitztums, ihres Vermögens verloren. Erstens. Zweitens: Die verbliebenen vier Prozent, die die Kirche noch heute Besitz, sind Grundstücke oder Felder oder Wälder, die vom Staat her nicht genutzt werden können. Sie können gar keinen Profit bringen."

    Doch genau das wollen die Kritiker der Kirche neuerdings genauer wissen. Die orthodoxe Kirchenführung muss sich auch nach den Wahlen weiter auf kritische Fragen gefasst machen.