Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte sich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" dafür ausgesprochen, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei zu stärken und die Landesämter für Verfassungsschutz zugunsten einer Bundesverwaltung aufzulösen.
Der jetzige Beitrag sei "eine Diskussionsgrundlage, die die Richtung vorgibt, über die Sicherheitsarchitektur nachzudenken" - auch was die Aufteilung zwischen Bund und Ländern betreffe, so Heveling. Diese Vorschläge würden "nicht morgen umgesetzt", sondern seien ein Denkanstoß.
Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Verfassungsschutz stärken
Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern müsse gestärkt, und Sicherheitskonzepte in europäischem Kontext optimiert werden. "Es geht nicht um eine Übertragung von Sicherheitsaufgaben auf den Bund, sondern um eine Stärkung der bestehenden Institutionen, wo es notwendig ist", sagte Heveling hinsichtlich einer möglichen Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund.
Was das Bundeskriminalamt angehe, seien schon Kompetenzen gestärkt worden und es gebe an vielen Stellen bereits eine Kooperation von kommunalen Behörden, Landesbehörden und Bund.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Am Telefon ist Ansgar Heveling von der CDU, der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag. Schönen guten Morgen!
Ansgar Heveling: Schönen guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Wie verstehen Sie den Vorstoß des Innenministers jetzt? Ist das jetzt mal eine Wunschliste mit Maximalforderungen oder wird das wirklich kommen?
Heveling: Der Bundesinnenminister hat ja schon vor einiger Zeit konkrete Vorschläge vorgelegt und der jetzige Beitrag ist sicherlich ja eine Diskussionsgrundlage, die die Richtung vorgibt, über die Sicherheitsarchitektur insgesamt nachzudenken, insbesondere eben die Fragen der Aufteilung zwischen Bund und Ländern. Also, ich glaube nicht, dass das jetzt ein ganz konkreter Forderungskatalog ist, was morgen umgesetzt wird, sondern ein Denkanstoß, wo müssen wir unsere Sicherheits- und Innenpolitik hinentwickeln in Deutschland.
Schulz: Und wie finden Sie diesen Denkanstoß hin zu einem deutschen FBI?
Heveling: Es geht um die Stärkung von zwei unterschiedlichen Institutionen oder eigentlich sogar drei: Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Verfassungsschutz. Also, es soll da ja nicht um eine Zusammenlegung gehen, insofern geht es darum, die bestehenden Institutionen zu stärken. Wir haben die Situation, dass mittlerweile – und das erkennen wir etwa beim Thema Terrorismus – die europäische Zusammenarbeit wichtiger wird. Und da ist sozusagen der Bund in der Mittelfunktion sicherlich weiter zu stärken. Von daher finde ich das eine gute Diskussionsgrundlage.
"Sicherheitspolitik in einem europäischen Kontext denken"
Schulz: Und die Länder machen da mit?
Heveling: Das werden sicherlich die weiteren Diskussionen zeigen. Es gibt ja schon in vielen Bereichen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und da stellt sich natürlich die Frage, wo kann man das eben auch noch optimieren? Gerade mit Blick darauf, dass wir Sicherheitspolitik in einem europäischen Kontext denken müssen.
Schulz: Es gibt jetzt eine erste Stimme, der Sprecher vom nordrhein-westfälischen Innenminister, von Ralf Jäger hat sich gemeldet und er verweist auf die föderalen Strukturen. Wie kommen Sie darauf, dass es da Bewegung geben könnte?
Heveling: Nun, der Ansatz von Thomas de Maizière ist ja, Strukturen zu optimieren, und darüber muss man diskutieren, darüber muss man eben auch mit den Ländern diskutieren.
Schulz: Ja, Strukturen zu optimieren und die Macht in den Hauptstädten abzubauen.
Heveling: Jedenfalls Kompetenzen auch zu konzentrieren da, wo es notwendig ist. Es geht ja nicht um eine generelle Übertragung von Sicherheitsaufgaben auf den Bund, sondern um eine Stärkung der bestehenden Institutionen, wo es notwendig ist.
Schulz: Also, das ist schon mal ein Punkt, der nicht kommen wird. Fasse ich richtig zusammen?
Heveling: Das ist eine Frage der weiteren Diskussion. Ich halte die Vorschläge von Thomas de Maizière für sinnvoll und deswegen muss man darüber diskutieren. Wir haben auch, was das BKA beispielsweise angeht, schon in den letzten Monaten die Kompetenzen gestärkt. Ich halte es für richtig, da jetzt weiter drüber zu diskutieren.
Schulz: Ich würde gerne noch auf den anderen Vorschlag, auf einen anderen Vorschlag schauen, auf diese sogenannten Bundesausreisezentren. Haben Sie verstanden, was Thomas de Maizière da vorschwebt?
Heveling: Auch da ist es so, dass wir an vielen Stellen jetzt schon die Kooperation und Zusammenarbeit zwischen teilweise kommunalen Behörden, wo sie für das Ausländerrecht zuständig sind, Landesbehörden und dem Bund haben. Im gesamten Interesse, Rückführungen zu intensivieren, ist das jetzt eben ein Ansatzpunkt, dass der Bund sich stärker engagiert.
Zentren für Rückführungen an Flughäfen ausbauen
Schulz: Ja, wie würden die denn aussehen, wie viel Plätze würde es da geben? Wie wären die gesichert? Wäre das so eine Art Gefängnis? Wie stellen Sie sich das vor?
Heveling: Also, wir haben jetzt ja bereits die Situation – und darauf nimmt Thomas de Maizière in seinem Beitrag ja auch Bezug –, dass an den Flughäfen solche Zentren schon bestehen für Personen, die mit dem Flugzeug kommen und rückgeführt werden müssen. Darauf will Thomas de Maizière offensichtlich aufsetzen. Was jetzt die konkreten Größenordnungen angeht, gibt es natürlich auch noch gar keine konkreten Vorschläge.
"Es hat ein Gefahrenpotenzial gegeben, denn es mussten weitere Polizeikräfte angefordert werden"
Schulz: Jetzt möchte ich mit Ihnen noch über die Diskussion sprechen über die Kölner Silvesternacht. Die Kölner Polizei hat es in diesem Jahr hier in Köln ja geschafft, für einen relativ friedlichen Jahreswechsel zu sorgen, ist dafür auch flächendeckend von fast allen Seiten gelobt worden, von der Kanzlerin, von Vizekanzler Gabriel, am Nachmittag auch von den Grünen. War das eine Silvesterparty hier in Köln, so wie es sein sollte?
Heveling: Die Polizei musste massiv Präsenz zeigen, hat damit sichergestellt, dass diejenigen, die friedlich feiern wollten, auch die Gelegenheit dazu hatten. Allerdings ist die Situation offensichtlich so gewesen, dass es ein Gefahrenpotenzial gegeben hat, denn es mussten ja auch weitere Polizeikräfte angefordert werden. Insofern hat die Polizei durch ihre deutliche Präsenz für Sicherheit gesorgt und das war gut und richtig.
"Der Begriff 'Nafri' war in der Außenkommunikation unglücklich"
Schulz: Es gibt ja viel Kritik jetzt an der Grünen-Chefin Simone Peter, die ist am Nachmittag eingestimmt in das Lob und auch den Dank an die Kölner Polizei und vorher hatte sie die Frage gestellt nach der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes, weil es aus der Nacht ja Schilderungen gegeben hat, unter anderem von Reportern, die gesagt haben, hier werden einfach die Männer aussortiert mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Simone Peter hat auch den Begriff "Nafri" kritisiert, das alles hat sie in recht sachlicher Form getan. Und jetzt erntet sie eine Riesenwelle von Empörung. Warum ist das so? Warum erntet man Empörung, wenn man auf die Grenzen des Rechtsstaates pocht?
Heveling: Es ist richtig, dass die Grenzen des Rechtsstaates eingehalten werden müssen, aber ich glaube, die Polizei hat durch ihr Verhalten in Köln in der Silvesternacht genau das gezeigt. Und das ist der entscheidende Punkt. Zur Nutzung des Begriffs "Nafri" hat der Polizeipräsident von Köln, glaube ich, alles Notwendige gesagt, das war vielleicht in der Außenkommunikation unglücklich. Aber was den Polizeieinsatz ansonsten angeht, ist, glaube ich, ganz eindeutig, dass die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit gewahrt worden ist. Und das ist, glaube ich, das Entscheidende. Da jetzt zu sehen, dass es anders gewesen ist, oder die Frage aufzuwerfen, das ist, glaube ich, das Grundproblem.
"Grundaggressivität und Gruppenbildung"
Schulz: Hat die Debatte die Sachlichkeit, die Sie sich wünschen?
Heveling: Ich glaube, es ist in der Debatte eben klar geworden, dass die Polizei richtig gehandelt hat. Und auch das hat der Polizeipräsident von Köln deutlich gemacht, dass bei den Entscheidungen, die die Polizei natürlich in der konkreten Situation – und da kann ich nur noch mal wiederholen, offensichtlich gab es ja ein Gefahrenpotenzial – rasch treffen musste, hat sie die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Und letztlich der Ansatzpunkt war, die Grundaggressivität und Gruppenbildung, das waren die Anknüpfungspunkte, an die die Polizei ihr Handeln ausgerichtet hat. Und das ist normale Gefahrenabwehr, Arbeit der Polizei. Also, insofern hat die Polizei aus meiner Sicht da alles richtig gemacht.
Schulz: Und diese Arbeit hat die Polizei in der Kölner Silvesternacht in einem ganz ausgesprochenen Großeinsatz gemacht, 1.500 Beamte waren sowieso geplant, es sind dann noch 200 oder knapp 200 sogar dazugekommen. Wird das jetzt Normalität in Deutschland, dass Silvesterpartys nur mit so massiver Polizeipräsenz möglich sind?
Heveling: Wir haben bereits seit Längerem darüber diskutiert, dass wir die Polizei stärken müssen, Personal aufgestockt werden muss, das passiert ja Gott sei Dank jetzt auch. Offensichtlich ist es eben so, dass solche Gefahrensituationen verstärkt auftreten können. Die Polizei war offensichtlich ja selbst überrascht, dass wieder so viele Gruppen nach Köln gekommen sind, da hat die Polizei angemessen drauf reagieren können. Man muss jetzt sicherlich die weitere Entwicklung abwarten, ob das auch ein deutliches Signal ist. Die Polizei ist da und deswegen macht es keinen Sinn, zu solchen Gefahrenpunkten zusammenzukommen.
Schulz: Der CDU-Innenpolitiker Ansgar Heveling heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Haben Sie ganz herzlichen Dank für dieses Interview heute Morgen!
Heveling: Sehr gerne!
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