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Vorsitzender des Zentralrats der Muslime
"Imame spielen wesentliche Brückenfunktion in der Gemeinde"

Mit der Ausbildung von Imamen in Deutschland hofft Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, den deutschen Islam voranzubringen. Imame spielten eine integrative Rolle und könnten zur Prävention gegen Terror beitragen, sagte er im Dlf.

Aiman Mazyek im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
Aiman A. Mazyek ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland bei einer Pressekonferenz in Berlin im Februar 2020
"Wir haben als Muslime und auch als Verantwortungsträger sicherlich eine entscheidende Verantwortung und wir haben auch einen entscheidenden Zugang zur muslimischen Community, den wir versuchen, auf beste Art und Weise einzusetzen", erklärte Aiman A. Mazy (dpa/picture alliance - Abdulhamid Hosbas / Anadolu Agency)
In Deutschland in den Moscheegemeinden arbeiten bislang vor allem im Ausland ausgebildete Imame als Geistliche. 2021 soll ein neues, unabhängiges Islamkolleg in Osnabrück seine Arbeit aufnehmen. Die Deutsche Islam-Konferenz soll einen regelmäßigen Dialog mit muslimischen Vertretungen in Deutschland sicherstellen.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sieht in der Ausbildung von Imamen in Deutschland ein Mittel, das immunisierend gegen Extremismus wirken könnte.
Ein Imam singt vor einer Kachelfliesenwand in rot und blau während er gefilmt filmt.
Mit Suren gegen Extremismus und Radikalisierung
Im Islam ist die Ausbildung zum Imam nicht zwingend eine akademische. Das möchte die deutsche Islam-Konferenz ändern – auch, um den ausländischen Einfluss in deutschen Moscheegemeinden einzugrenzen.
Ann-Kathrin Büüsker: Was erhoffen Sie sich von der Ausbildung von Imamen in Deutschland?
Aiman Mazyek: Natürlich erhoffe ich mir einen entscheidenden Impuls, den Prozess eines Islam in Deutschland, eines deutschen Islams voranzubringen. Wir müssen ja schon sehen, dass wir seit Jahrzehnten hierzulande leben, und die Imame spielen eine ganz wesentliche Brückenfunktion in der Gemeinde, wenn sie deutschsprachig – und das sind sie ja schon in Teilen, aber noch viel mehr – unterwegs sind, wenn sie die Community viel besser verstehen, die Kultur und die Werte des Landes. Dann können sie entsprechend auch eine wesentlich größere, auch integrative Rolle spielen. Genau darauf zielt das ab und deswegen machen wir auch an diesem Islam-Kolleg mit, weil wir schon frühzeitig immer wieder signalisiert haben, dass das der richtige Weg ist.
"Der Bedarf ist einfach groß"
Büüsker: Das heißt aber, aus Ihrer Sicht war der Islam in Deutschland zu lange bestimmt durch Prediger aus dem Ausland?
Mazyek: Das ist verfassungsmäßig völlig legitim, das zu machen. Wir haben auch Kirchengemeinden im Ausland, die teilweise unterstützt werden von unserem Land. Aber was die Integration angeht, ist, denke ich, der bessere Weg – und ich glaube, da sind sich alle einig -, dass wir das alles aus eigenem Gewächs, aus dem eigenen Land heraus organisieren und machen. Deswegen ist das Islam-Kolleg ein entscheidender Impuls. Natürlich, Sie haben recht im Vorspann, wenn Sie sagen, es ist auch eine Art Prävention. Aber wir brauchen vor allen Dingen ausgebildete Imame in diesem Land, weil der Bedarf einfach groß ist, weil die Moschee-Gemeinden dies benötigen und weil die Seelsorge, weil die religiöse Dienstleistung so funktioniert.
Ein Imam betet in Hamburg in der Centrum Moschee.
Der moderne Imam - Vorbeter und Vorbild
Imame sind in Moscheen fürs Beten zuständig. Inzwischen sollen Sie aber auch politische Fragen klären oder bei der Integration helfen. Die Öffentlichkeit erwarte zu viel, warnt ein Islamwissenschaftler.
Büüsker: Trotzdem muss man ja, aus politischer Sicht betrachtet, schon die Frage stellen, warum dann jahrzehntelang vor allem Prediger aus dem Ausland dominiert haben. Mit Blick auf die Ditib waren das ja vor allem lange Imame aus der Türkei. Hat das was gemacht mit der muslimischen Community in Deutschland?
Mazyek: Natürlich!
"Unsere Empörung über diese bestialischen Morde und den Terror"
Büüsker: Auch mit Blick auf die Ausbreitung eines politischen Islam?
Mazyek: Da sollten wir ein bisschen vorsichtig sein, vor allen Dingen auch mit den Schuldzuweisungen. Ich möchte daran erinnern, dass das Abdel-Abkommen unter anderem vorgesehen hat und man lange Jahre, Jahrzehnte stolz war auf dieses Konstrukt, Imame hier zu importieren, sie hier predigen zu lassen. Das ist auch ein Ergebnis von deutsch-türkischem Verständnis. Das war nie unser Verständnis, auch als Zentralrat. Wir haben das immer wieder kritisiert. Wir haben gesagt, das kann man so machen. Es gibt sicherlich auch einen Teil der Community, der darauf abzielt, das so zu haben. Aber der Großteil der Muslime, der deutschen Muslime will einen anderen Weg gehen, und da hat man uns immer wieder belächelt. Das heißt, jetzt so einfach hinzugehen und zu sagen, ja, das war ein Konstrukt, da müssen die Muslime erst mal selber klarkommen, das ist mir zu einfach.
Eingang der Großen Moschee in Paris
Denkfabrik Dekolonisierung - Feindbild Islam
Die französische Kolonialmacht stützte in Algerien, Tunisien und Marokko muslimische Autoritäten. Besser Islam als Kommunismus, lautete die Devise. Zugleich galt die fremde Religion als etwas Gefährliches.
Zweitens: Die Vermengung politischer Motive und auch Instrumentalisierung – wir haben das leider bei dem Karikaturen-Streit wieder gesehen -, diese politische Instrumentalisierung des Themas lehnen wir in Gänze ab. Wir haben ganz klar immer wieder deutlich gemacht, dass die Haltung - auch unseres Propheten - eine ganz andere ist als das, was die Terroristen uns versuchen weißzumachen, nämlich die der Nachsicht, der Souveränität, auch der Barmherzigkeit. Insofern ist unsere Empörung beispielsweise über diese bestialischen Morde und den Terror Lichtjahre größer als die der Darstellung unseres Propheten in der Karikatur. Das ist die Haltung auch der Mehrheit der Menschen muslimischen Glaubens in unserem Land.
Umfeld von Terroristen wieder zurückgewinnen
Büüsker: Herr Mazyek, wenn ich da kurz einhaken darf? Sind Sie sich dessen tatsächlich so sicher? Es gibt ja Muslime in Deutschland, die halten das Ansehen des Propheten höher als die Meinungsfreiheit. Die sehen ihre religiösen Gefühle verletzt durch die zum Beispiel von Ihnen erwähnten Karikaturen. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Mazyek: Die Verletzung von Gefühlen ist das eine. Der Umgang damit zeigt uns ja der Prophet selber. Er hat ja zu Lebzeiten Schmähungen und Karikaturen selbst erlebt und hat mit Souveränität und auch vor allen Dingen mit Aufklärung dem begegnet, und das ist das Vorbild. Dass es solche Muslime gibt, bestreite ich ja nicht. Wir erklären aber jedes Mal die Terroristen als die Glaubenserklärer, die sich übrigens längst abgewandt haben von den Moscheen, die längst uns auch als Repräsentanten, als Ungläubige, als vom Westen Beeinflusste darstellen, und wir müssen jetzt allesamt auch als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten, wenigstens das Umfeld dieser Terroristen und Extremisten, die versuchen, dieses Gift weiter reinzutragen, wieder zu uns zu gewinnen. Da kann sicherlich eine gute Imam-Ausbildung mit einer am Ende auch guten Predigt eines Imams beim Freitagsgebet einen entscheidenden Impuls geben.
Büüsker: Sie haben jetzt betont, dass der europäische Islam eigentlich auf einer ganz anderen Seite steht als diese radikalisierten Islamisten. Trotzdem haben wir ja in den vergangenen Jahren erlebt, dass sich auch Terroristen, beispielsweise Anis Amri, in deutschen Moscheen radikalisiert haben.
Mazyek: Das ist mir zu pauschal. Es tut mir leid. Wir haben über 2.000 Moscheen in Deutschland und wir haben schwarze Schafe.
Büüsker: Herr Mazyek! Bitte lassen Sie mich erklären, was ich meine.
Mazyek: Ja, ja. Ich weiß, was Sie meinen.
"Wir erkennen unsere Verantwortung an"
Büüsker: Sie haben es gesagt: schwarze Schafe. Es geht mir darum: Die Mehrheit der Moscheen sehen Sie schon tendenziell auf der demokratischen Seite. Aber was machen wir mit diesen einzelnen schwarzen Schafen?
Mazyek: Schauen Sie, das war eine Hinterhof-Moschee oder ein Zimmer, welches als Moschee deklariert worden ist. Sie machen daraus einen Plural in Ihrer Frage. Sie sagen Moscheen. Das ist mir etwas zu einfach. Außerdem: Mir geht es bei dieser Diskussion nicht um Schuldzuweisungen und Schwarze-Peter-Spiele.
Büüsker: Mir auch nicht.
Mazyek: Wir haben als Muslime und auch als Verantwortungsträger sicherlich eine entscheidende Verantwortung und wir haben auch einen entscheidenden Zugang zur muslimischen Community, den wir versuchen, auf beste Art und Weise einzusetzen. Dazu zählt auch beispielsweise im Kontext von Imam-Ausbildungen, dass wir diesen Weg jetzt beschreiten auch zusammen mit der Bundesrepublik. Das ist ein Weg.
Der andere Weg ist aber: Wir müssen, glaube ich, Klartext sprechen, was die Radikalisierungsbiografien dieser Terroristen angeht. Nochmals: Sie haben sich längst abgewandt von den Moschee-Gemeinden, erklären uns als Ungläubige. Und wir haben Biografien, die teilweise in Gefängnissen stattgefunden haben. Wir haben leider auch Sicherheitsbehörden, die versagt haben, wenn Terroristen eingegangen sind in Ländern, beispielsweise in Österreich. Das gehört auch mit dazu bei der Aufklärung. Jedes Mal mit Schuldzuweisungen zu spielen, glaube ich, da kommen wir nicht weiter.
Wir erkennen unsere Verantwortung an. Wir sehen einen entscheidenden Zugang. Das scheint auch die Politik zu begreifen und sagt, lasst uns das zusammen machen. Solch ein Prozess, solch ein Konzept einer Ausbildung von Imamen in Deutschland ist, glaube ich, ein entscheidender Impuls dazu.
"Aufklärung in der Religion als Immunisierungsfaktor"
Büüsker: Heißt, Herr Mazyek, wenn ich Sie richtig verstehe: Sie fühlen sich tatsächlich in der deutschen Politik jetzt auch besser wahrgenommen?
Mazyek: Ich fühle mich dahingehend verstanden, dass wir sagen, Aufklärung in der Religion als Immunisierungsfaktor kann ich nur betreiben mit den Muslimen, mit den muslimischen Verantwortungsträgern. Und jedes Mal einer vergifteten Diskussion anheim zu fallen, die da heißt, erst mal musst Du abschwören gegenüber Deiner Religion, einen Islam Light leben, und dann bist Du einer, der nicht empfänglich ist für radikales Gedankengut, das kann ich nicht so nachvollziehen. Im Gegenteil! Ein richtig verstandener Islam bringt mich gerade in die Position des gemäßigten, des ausgeglichenen Glaubens, den ich benötige, um den Terroristen und Extremisten die Stirn zu bieten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.