Archiv

Vorstellungsgespräch
Schauspieler unerwünscht

Bei Vorstellungsgesprächen zählt nicht nur die fachliche Qualifikation eines Bewerbers, auch das Menschliche muss stimmen. Wer bei Personalern punkten möchte, sollte authentisch, selbstkritisch und souverän auftreten. Übertriebene Selbstdarstellung oder erfundene Erfolgsgeschichten sind bei vielen Unternehmen unerwünscht.

Von Dirk Groß-Langenhoff |
    Menschen in Businesskleidung liegen auf dem Rücken, als würden sie durchs Büro tanzen
    Übertriebene Selbstdarstellung ist in Vorstellungsgesprächen fehl am Platz. (imago / Westend61)
    Personalchefs versuchen hinter die Fassade eines Kandidaten zu schauen und führen sie so - ob beabsichtigt oder nicht - aufs Glatteis. Sabine Thiede, die beim Immobilienkonzern Vonovia in Bochum für Vorstellungsgespräche zuständig ist, fragt Bewerber zum Beispiel gerne nach ihrer größten Niederlage.
    "Was war mal ein Projekt, in dem Sie gescheitert sind? Wie kam es dazu und insbesondere wie sind Sie damit umgegangen? Oder auch zum Thema Konflikte mit Mitarbeitern, wenn es um Führungspositionen geht. Wie sind dann die Konflikte gelöst worden? Weil das ist auch für uns ein wichtiges Indiz, ob der Bewerber zu uns passt."
    Das sind übrigens Fragen, die nicht selten bei heutigen Vorstellungsgesprächen gestellt werden, und auf die ein Bewerber gefasst sein sollte. Bei der Vorbereitung kommt es darauf an, sich nicht irgendwelche Lügengeschichten auszudenken. Nur Dinge, die man wirklich erlebt hat, kann man auch authentisch erzählen. Die Personalchefin will mit solchen Fragen vor allem testen, ob der jeweilige Kandidat zur Selbstkritik fähig ist, also erläutern kann, was er aus heutiger Sicht hätte besser machen können.
    Vorsicht mit privaten Anekdoten
    "Also, ich persönlich finde das gut, wenn das authentisch rüberkommt, wenn es nicht so auswendig gelernt daherkommt. Wenn dann was wirklich Konkretes kommt, was sehr Persönliches auch kommt, dann gewinnt mich ein Bewerber und dann habe ich ein gutes Gefühl dabei."
    Vorsichtig sollten Bewerber jedoch mit einer allzu großen Offenheit sein, die sie ins Abseits rücken. Auch private Anekdoten, die nichts über Charakterzüge aussagen, haben im Vorstellungsgespräch nichts verloren. Für Andreas Kuhlmann aus der Personalabteilung von Evonik in Marl ist es außerdem wichtig, dass der Bewerber zu den Werten des Essener Chemiekonzerns passt. Daher werden die Kandidaten unter anderem gefragt, wie sie mit festen Regeln umgehen und ob sie auch schon mal geschummelt haben.
    "Klar, da rattern natürlich die Leute jetzt auch: Was kann ich jetzt antworten? Aber, ja. Wir wollen auch schon ein Wertegerüst hören. Also: Wofür stehe ich auch. Und da wollen wir auch schon hören: Nee, klar. Geschummelt hat mal jeder, aber grundsätzlich ist das nur bis zu einem gewissen Grad tolerabel, ne. Denken Sie an andere Firmen, die da gerade im Fokus stehen. Schummeln ist eben nicht okay. Also, das kann man schon übertragen."
    In Ausnahmesituationen darf geschummelt werden?
    Vom Bewerber wird erwartet, dass er abwägen kann, in welchen Situation es gut für das Unternehmen ist, auch mal eine Regel zu missachten, und wann es überhaupt nicht geht, weil es dem Konzern schadet. Je nachdem, wie der Kandidat also die Situation schildert, in der er schon mal geschummelt hat, kann ein guter Personalchef diese auf eine betriebliche Situation übertragen und so sehen, ob der Bewerber zum Unternehmen passt. Fragen, die die Bewerber unter Stress setzen oder sogar provozieren, gibt es bei Evonik allerdings nicht mehr. Auch wenn sie in manchen Unternehmen noch dazu gehörten, verzichte der Chemiekonzern darauf, sagt Andreas Kuhlmann.
    "Es gibt nicht mehr diese hochnotpeinlichen Befragungen wie früher: Deine Schwächen? Und jetzt sag mal, was hattest du in Mathematik? Es bringt nichts, weil wir damit zwischen den Zeilen übermitteln würden, dass wir dem nicht trauen, dem Kandidaten oder der Kandidatin."
    Denn auch Evonik merkt, dass Fachkräfte Mangelware geworden sind. Da wolle man niemanden mit solchen Fragen verschrecken, sagt Andreas Kuhlmann. Das sieht Sabine Thiede von Vonovia ähnlich.
    Authentizität siegt
    Beide Personalchefs sind sich darin einig, dass es ihnen vor allem darauf ankommt, dass sich die Kandidaten nicht verstellen oder etwas vorspielen. Nur wer es im Vorstellungsgespräch schafft, authentisch, selbstkritisch und souverän aufzutreten, hat besonders gute Aussichten auf die begehrte Stelle. Authentizität ist auch wichtig beim Thema Outfit. Andreas Kuhlmann hat in vielen Jahren in der Personalabteilung so einige Fehlgriffe in die Kleiderkiste erlebt.
    "Letztens da hab ich jemanden gehabt, da habe ich gedacht, das Sakko äh, ja… Es waren so 37 Farben, glaube ich. Für ein Vorstellungsgespräch. Da haben wir auch gedacht: mutig."
    Gesagt hat Andreas Kuhlmann aber nichts. Denn Bemerkungen oder Fragen zum Outfit sind bei Evonik tabu. Das ist aber längst nicht in allen Unternehmen so. Manche Personalchefs quälen ihre Kandidaten sogar mit provozierenden Fragen zum Outfit, nur um zu schauen, wie sie reagieren. Hier ist dann selbstbewusstes Auftreten gefragt. Generell gilt jedoch, dass Fragen zum Aussehen nicht beantwortet werden müssen.