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Vorstoß ins Zentrum

Nobelpreis. - Auf den Erkenntnissen der drei Nobelpreisträger baut ein großer Teil der derzeitigen teilchenphysikalischen Grundlagenforschung auf. An den gigantischen Beschleunigern wollen die Physiker allerdings noch einen Schritt weitergehen. Der Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen erklärt im Gespräch mit Ralf Krauter, was sich die Wissenschaftler erhoffen.

07.10.2008
    Krauter: Herr Grotelüschen, welche Ziele müsste man den erreichen, damit diese Supermaschine in Genf, der LHC, ihr Geld wert ist?

    Grotelüschen: Na ja, zum einen soll der LHC wirklich da anknüpfen, wo die, ja, Nobelpreisträger jetzt aufgehört haben, und zwar ist das Rätsel der verschwundenen Antimaterie noch längst nicht gelöst. Also der Mechanismus, den die drei Forscher da entwickelt haben, der erklärt vielleicht mal ein Zehntel der Materie, die wir im Weltall haben. Und es muss noch ganz andere oder ähnliche Mechanismen geben, und da will der LHC einsetzen, also eines dieser insgesamt vier Experimente, setzt da an, LHCB heißt das Experiment und will also noch stärkere Symmetriebrechungen finden um das Ganze noch zu vertiefen, um das besser zu erklären, um das Bild abzurunden. Aber zwei andere Entdeckungen wären vielleicht noch spektakulärer: und zwar will man zum einen, ja, das so genannte Higgs-Teilchen finden. Das Higgs-Teilchen, das wurde auch schon in den 60er Jahren ausgedacht von einem schottischen Physiker namens Peter Higgs. Und das soll erklären helfen, warum Teilchen, warum Materie überhaupt Masse hat. Auch das ist eine Frage: Wie kommt das? Und da gibt es auch schon einen Mechanismus, der damit zu tun hat, dass man ein Feld annimmt, das so etwa wie Sirup ist, und dieses Higgs-Teilchen würde dann für dieses Feld stehen. Und wenn man es findet, dann ist dieser Mechanismus bewiesen. Und zum Schluss möchte man auch noch so genannte supersymmetrische Teilchen entdecken, und die wären interessant, weil sie die Bausteine sein könnte von der ominösen dunklen Materie. Also wir haben es dauernd mit Materie zu tun. Die dunkle Materie muss es im Weltall geben, weil sie die Galaxien so wie ein Klebstoff zusammenhält. Aber keiner weiß bis heute, woraus besteht das Zeug. Und da könnten eben solche neuen Elementarteilchen namens Susy-Teilchen die richtigen Kandidaten sein.

    Krauter: Um noch einmal auf das Higgs-Teilchen zurückzukommen, das also der Materie ihrer Masse verleiht. Das wird ja auch von Journalisten manchmal als das Gottes-Teilchen beschrieben. Das will man unbedingt entdecken, und dieses Teilchen hätte eigentlich auch den Namen von Herrn Nambu verdient, wenn ich es richtig weiß!

    Grotelüschen: Allerdings, ja, ja. Ich hatte mit Peter Higgs vor einigen Jahren ein Interview geführt. Und er hat mir die ganze Entstehungsgeschichte erzählt aus den 60er Jahren und der hat sich mehrfach auf den Nambu bezogen. Er hat im Prinzip auf einer Theorie, eben auf dieser Symmetriebrechung aufgesetzt und das eigentlich für dieses Massefeld ausgerechnet. Also ohne Nambu wäre Higgs nicht denkbar sozusagen, also man könnte genauso gut sagen: wir suchen nach dem Nambo-Higgs-Teilchen.

    Krauter: Wer Grotelüschen, bilanzierend gefragt: Schon wieder ein Nobelpreis für die Elementarteilchenphysik, der letzte war 2004. Geht dieser Preis heute trotzdem in Ordnung, oder liegt das einfach daran, dass die Forscher auf diesem Gebiet sehr zahlreich sind und eine sehr starke Lobby haben, dass sie jetzt schon wieder abgesahnt haben?

    Grotelüschen: Ach, beides irgendwie. Das ist schon eine bedeutende Entdeckung und ein wichtiger Mechanismus. Allerdings damals, als es entdeckt wurde durch die Beschleuniger, dass dieser Mechanismus tatsächlich geht, da hatten die Physiker damals, die Experimentalphysiker, gesagt, na ja, das gibt wahrscheinlich kein Nobelpreis, die haben ja eigentlich nur so eine etablierte Theorie bestätigt. Und man muss auch sagen, heute, es war bemerkenswert, eigentlich sollte der Physikpreis um 11:45 Uhr bekannt gegeben werden. Und dann wurde man von tröstet erst auf 11 Uhr [meint 12, d. Red.], dann auf 11:15 Uhr [meint 12:15 Uhr, d. Red.]. Und das ist ein Zeichen, dass hinter den Kulissen, also in der Akademie und beim Nobelpreis-Komitee doch ziemlich saftig diskutiert wurde. Dass also nicht alle mit dieser Entscheidung einverstanden waren, dass es da ziemliche Debatten gab. Und deswegen werden manche Experten mit dieser Entscheidung, mit dieser Preisvergabe endlich mal unzufrieden sein, auch wenn sie es vielleicht offiziell nicht sagen.