Wie viel Quatsch mit Soße darfs denn sein? Oder besser (weil nämlich durchweg auf gut Österreichisch angerichtet und serviert): Wie viel von Kaisers Schmarren?
Da hatte das Thalia-Ensemble zum Finale doch noch tief in die Klamottenkiste gegriffen – und daraus Gerhard Rekels ziemlich belangloses Müllstückchen über arbeitslose Akademiker hervor gekramt, die –um an deren Jobs zu kommen- die verehrten Damen und Herren des älteren Kollegiums in eben diesem "Königswasser" (mit naturgemäß hohem Salzsäureanteil) praktisch auflösen. Angewürzt mit der Beschwörung des genialisch-strategischen Staats-Zynikers Niccolo Macchiavelli verfügt das Werklein dann aber doch bloß über das Zeug zur lauen Schrulle – neben allerdings einigem Schauspielerfutter; und darum in Georg Staudachers ziemlich hanebüchener Inszenierung immerhin lustvoll hingefetzt und ausgewalzt vom höchst animierten Thalia-Trupp.
Das unterscheidet die Kür der "Betroffenen" (die ja nur all zu oft gezwungen sind, verqueren Schwurbel aus zerquälten Dichterhirnen irgendwie, und sei die Mühe und die Selbstverleugnung noch so groß, zum Bühnenleben zu erwecken) dann ja doch recht gründlich von den verschiedenen Varianten der Journalisten-Auswahl in den Jahren zuvor, in Hamburg und davor schon in Hannover, der früheren Wirkungsstätte des Thalia-Chefs Ulrich Khuon: dass die Schauspielerinnen und Schauspieler des Thalia-Ensembles bei Lektüre und Entscheidung offenbar stets auch an die spielenden Kollegen gedacht haben mögen. Selbst Jan Liedtke auch noch ziemlich quälerisches "Lost Generation"-Melodram über den Jugendtraum von der Flucht nach Toronto wird vor allem im Spiel als Entwurf kenntlich, wenn auch immer noch recht schwergängig in der Beschwörung der Welten, zu denen der Witwer-Sohn Tom keinen Zutritt erlangt:
Ein Verzweiflungsspiel vom Erlernen der Schmerzen ist das – und Liedtkes Text mag sich zudem nicht recht zu entscheiden zwischen der Erzählung und jener Theatralität, die in Hamburg immerhin Werkstatt-Regisseurin Andrea Udl einzufordern versucht. Henning Bock hatte zuvor den sicher reizvollsten, weil überraschendsten Text des kleinen Marathons so klug wie sparsam umgesetzt: Christine Wunnickes "Fleshcrafter", eine Art Versuchsanordnung um einen alten gelähmten Richter, dessen als Justiz-Betreuerin tätige jüngere Frau, beider ganz junge Putzfrau und jenen sonderbaren jungen Mann, der vor Jahren eine Frau bestialisch erstach und nun zu jeder anderen Figur in Beziehung steht; begehrt vom jungen Mädchen, verurteilt vom Richter und betreut von dessen Frau, die der Junge mit erstaunlicher Magie zum Sprechen über sich zu bringen versucht:
Stark ist das Stück vor allem im scharfen Kontrast – zwischen hie der Debatte über Tod und Strafe und Erlösung und dort der entspannten Leichtigkeit erstaunlich schwarzen Humors; zwischen Farce und Schrecken in schöner Unschärfe. Das Stück hätte die Uraufführung (und noch ein paar Inszenierungen mehr) allemal verdient – auch wenn es sicher nie und nirgends zum Renner werden wird.
Das könnte Nikolai Borgers "Kriegsmaschine" schon eher gelingen.
Nein – Marihuana rauchen wird Billy Schultz wohl nie. Denn DAS TUT MAN NICHT – sagt Mama, sagt Amorosa, die TV-Predigerin, sagen alle. Ausser eben Koonz, dem Kollegen – aber der fliegt dann ja auch raus in der Firma; derweil wie nebenbei die Ehefrau diesem Mister Jedermann abhanden kommt. Eines Tages wird er (wie der Fernsehheld seiner Träume) einfach alles wegmachen, was ihn stört –Familie, Nachbarn, Kollegen. Und woanders, unter neuem Namen, von vorn anfangen, ganz neu und doch genau so leben wie zuvor. Bis zur nächsten Katastrophe zwischen Amok und Koma.
Borgers Text ist ein furioses Theaterpamphlet gegen den "american way of life", inspiriert von der "Truman-Show" wie von Michael Moores derzeit so modischem, immer schnellgegart-pole-mischem Buch- und Kino-Geschnipsel. Christine Eders Inszenierung veredelt den zuweilen etwas arg ins Flache treibenden Text zum finster funkelnden Feuerwerk – und stützt so Borgers erstaunliche Phantasie: die sich in der Tradition eines Theaters sehen will, das, so der gelernte Schauspieler, "Antworten geben will und kann."
Donnerwetter. So viel frecher Mut war lange nicht; immer nur dröges Gejammer über die Unübersichtlichkeit der Welt undsoweiterundsofort. Vielleicht markieren ja Texte wie dieser zwar noch nicht die Wende, doch schon ein Wetterleuchten – für Theaterformen, die sich der eigenen Verstörungskraft wieder deutlicher bewusst zu werden beginnen.
Da hatte das Thalia-Ensemble zum Finale doch noch tief in die Klamottenkiste gegriffen – und daraus Gerhard Rekels ziemlich belangloses Müllstückchen über arbeitslose Akademiker hervor gekramt, die –um an deren Jobs zu kommen- die verehrten Damen und Herren des älteren Kollegiums in eben diesem "Königswasser" (mit naturgemäß hohem Salzsäureanteil) praktisch auflösen. Angewürzt mit der Beschwörung des genialisch-strategischen Staats-Zynikers Niccolo Macchiavelli verfügt das Werklein dann aber doch bloß über das Zeug zur lauen Schrulle – neben allerdings einigem Schauspielerfutter; und darum in Georg Staudachers ziemlich hanebüchener Inszenierung immerhin lustvoll hingefetzt und ausgewalzt vom höchst animierten Thalia-Trupp.
Das unterscheidet die Kür der "Betroffenen" (die ja nur all zu oft gezwungen sind, verqueren Schwurbel aus zerquälten Dichterhirnen irgendwie, und sei die Mühe und die Selbstverleugnung noch so groß, zum Bühnenleben zu erwecken) dann ja doch recht gründlich von den verschiedenen Varianten der Journalisten-Auswahl in den Jahren zuvor, in Hamburg und davor schon in Hannover, der früheren Wirkungsstätte des Thalia-Chefs Ulrich Khuon: dass die Schauspielerinnen und Schauspieler des Thalia-Ensembles bei Lektüre und Entscheidung offenbar stets auch an die spielenden Kollegen gedacht haben mögen. Selbst Jan Liedtke auch noch ziemlich quälerisches "Lost Generation"-Melodram über den Jugendtraum von der Flucht nach Toronto wird vor allem im Spiel als Entwurf kenntlich, wenn auch immer noch recht schwergängig in der Beschwörung der Welten, zu denen der Witwer-Sohn Tom keinen Zutritt erlangt:
Ein Verzweiflungsspiel vom Erlernen der Schmerzen ist das – und Liedtkes Text mag sich zudem nicht recht zu entscheiden zwischen der Erzählung und jener Theatralität, die in Hamburg immerhin Werkstatt-Regisseurin Andrea Udl einzufordern versucht. Henning Bock hatte zuvor den sicher reizvollsten, weil überraschendsten Text des kleinen Marathons so klug wie sparsam umgesetzt: Christine Wunnickes "Fleshcrafter", eine Art Versuchsanordnung um einen alten gelähmten Richter, dessen als Justiz-Betreuerin tätige jüngere Frau, beider ganz junge Putzfrau und jenen sonderbaren jungen Mann, der vor Jahren eine Frau bestialisch erstach und nun zu jeder anderen Figur in Beziehung steht; begehrt vom jungen Mädchen, verurteilt vom Richter und betreut von dessen Frau, die der Junge mit erstaunlicher Magie zum Sprechen über sich zu bringen versucht:
Stark ist das Stück vor allem im scharfen Kontrast – zwischen hie der Debatte über Tod und Strafe und Erlösung und dort der entspannten Leichtigkeit erstaunlich schwarzen Humors; zwischen Farce und Schrecken in schöner Unschärfe. Das Stück hätte die Uraufführung (und noch ein paar Inszenierungen mehr) allemal verdient – auch wenn es sicher nie und nirgends zum Renner werden wird.
Das könnte Nikolai Borgers "Kriegsmaschine" schon eher gelingen.
Nein – Marihuana rauchen wird Billy Schultz wohl nie. Denn DAS TUT MAN NICHT – sagt Mama, sagt Amorosa, die TV-Predigerin, sagen alle. Ausser eben Koonz, dem Kollegen – aber der fliegt dann ja auch raus in der Firma; derweil wie nebenbei die Ehefrau diesem Mister Jedermann abhanden kommt. Eines Tages wird er (wie der Fernsehheld seiner Träume) einfach alles wegmachen, was ihn stört –Familie, Nachbarn, Kollegen. Und woanders, unter neuem Namen, von vorn anfangen, ganz neu und doch genau so leben wie zuvor. Bis zur nächsten Katastrophe zwischen Amok und Koma.
Borgers Text ist ein furioses Theaterpamphlet gegen den "american way of life", inspiriert von der "Truman-Show" wie von Michael Moores derzeit so modischem, immer schnellgegart-pole-mischem Buch- und Kino-Geschnipsel. Christine Eders Inszenierung veredelt den zuweilen etwas arg ins Flache treibenden Text zum finster funkelnden Feuerwerk – und stützt so Borgers erstaunliche Phantasie: die sich in der Tradition eines Theaters sehen will, das, so der gelernte Schauspieler, "Antworten geben will und kann."
Donnerwetter. So viel frecher Mut war lange nicht; immer nur dröges Gejammer über die Unübersichtlichkeit der Welt undsoweiterundsofort. Vielleicht markieren ja Texte wie dieser zwar noch nicht die Wende, doch schon ein Wetterleuchten – für Theaterformen, die sich der eigenen Verstörungskraft wieder deutlicher bewusst zu werden beginnen.