"Für Hannah Arendt war der Eichmann-Prozess eine ganz neue Erschütterung", sagte die Autorin und Kritikerin Marie Luise Knott im Dlf. Dass Menschen sich als Rädchen im Getriebe eines Systems beschreiben und keine Verantwortung mehr übernehmen würden, habe Arendt zu ihrer zentralen Frage geführt: "Was ist eigentlich das Urteilen?" Arendt habe erlebt, wie sich die Leute 1933 gleichschalten ließen. Ihre eigene Urteilskraft "unterwarfen sie dem Strom der Geschichte", so Knott. Es habe nur noch wenige gegeben, die unterscheiden konnten oder wollten, was Recht und was Unrecht war.
Wie reagieren auf Manipulationen?
Das Entscheidende, was wir bräuchten, so interpretiert Knott Arendts wichtigen Vortragstext aus den Jahren 1964/65, sei der Zweifel. Sie selbst habe diese Schrift lange Zeit als einen historischen Text gelesen. Das habe sich völlig verändert. Heute, angesichts zunehmender Repressionen in vielen Ländern, frage sie sich, was es heiße, wenn Arendt sage, man müsse die Orte der Verantwortung in totalitären System meiden, um sich nicht zu verstricken. Und für uns, die keiner Diktatur ausgesetzt seien, müsse sich die Frage stellen: "Wie reagieren wir eigentlich auf Manipulationen" wie zum Beispiel Fake News? Arendt setze den Einzelnene wieder in sein Recht - gegen massengesellschaftliche Tendenzen.
Hannah Arendt: "Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?"
Herausgegeben von Marie Luise Knott, mit einem Essay von Marie-Luise Knott.Piper Verlag, 10 Euro
Herausgegeben von Marie Luise Knott, mit einem Essay von Marie-Luise Knott.Piper Verlag, 10 Euro