Damit hatte niemand gerechnet: Dass Francois Fillon mit einem Vorsprung von rund 16 Prozent der Wählerstimmen den favorisierten Alain Juppé auf Platz zwei verweisen und Nicolas Sarkozy ins politische Abseits befördern könnte. War doch Francois Fillon in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit nurmehr wenig präsent; der "ewige Zweite" wurde er oft genannt, fünf Jahre lang war er Premierminister unter Präsident Sarkozy, unvergessen dessen Satz, er, der Präsident, sei "le patron", der Chef", der Premierminister dagegen nur "un collaborateur", "ein Mitarbeiter".
"Die Rache des Mitarbeiters" titeln heute gleich mehrere Zeitungen. Francois Fillon sind solche Töne fremd, am späten Abend zeigte sich der Wahlsieger nicht triumphierend, sondern fürsorglich.
Sarkozys Karriere vor dem Ende
"Dieser erste Wahlgang verlief würdig und verantwortungsvoll. Meinen Konkurrenten, die nicht in die zweite Runde gekommen sind, sage ich: Sie haben Ihre Ideen verteidigt und der Demokratie einen großen Dienst erwiesen. Die Niederlage darf niemanden demütigen. Denn wir werden alle brauchen." Diese Worte richteten sich vor allem an Nicolas Sarkozy.
Er war der große Verlierer des Abends, als er seine Niederlage einräumte, klang das wie ein Abschied. "Viel Glück, Frankreich! Viel Glück Euch allen! Seid versichert, dass alles, was Frankreich betrifft, mich auch in Zukunft persönlich angehen wird. Ich bin so, und man ändert sich doch nicht. Ich bin nicht traurig und ich wünsche Euch und meinem Land und denen, die es jetzt führen werden, das Beste. Unsere Partei hat ein gutes Bild abgegeben, und ich war glücklich, an diesem Kampf teilnehmen zu dürfen. Ein "Auf Wiedersehen euch allen!"
Beobachter interpretierten diese Abschiedsworte heute als deutlichen Hinweis darauf, dass die politische Karriere des Nicolas Sarkozy beendet sein dürfte. Als zweiten großen Verlierer dieses ersten Wahlgangs machen viele Kommentatoren Staatspräsident Hollande aus. Die überraschend hohe Wahlbeteiligung - über vier Millionen Franzosen gaben ihre Stimme ab gegenüber 2,7 Millionen bei der entsprechenden Vorwahl der Sozialisten 2011: Dies sei ein starkes Zeichen dafür, wie groß der Wunsch nach einem Wechsel an der Staatsspitze sei, schrieb etwa die Tageszeitung L'Opinion.
Juppé dürfte enttäuscht sein
Der große Favorit Alain Juppé hat es zwar in die Stichwahl am nächsten Sonntag geschafft, dürfte aber mit deutlich besseren Werten gerechnet haben und entsprechend enttäuscht sein. Die französischen Medien sehen Fillons Erfolg vor allem in seinem zwar kämpferischen, dabei aber doch bedachten, auch staatsmännischen Auftreten begründet, auch wird ihm eine hohe Wirtschaftskompetenz zu geschrieben, jenem Thema, das - Umfragen zufolge - für die Franzosen noch wichtiger ist als die Frage der nationalen Sicherheit.
Nach der langen Wahlnacht gaben sich die Kandidaten heute schweigsam, Francois Fillon und Alain Juppé bereiten die Wahlkampfauftritte dieser Woche vor. Mehrere Großveranstaltungen wird es geben, Donnerstagabend treffen beide in einer Fernsehdebatte aufeinander. Der Ausgang der Stichwahl gilt letztlich als völlig offen: Denn niemand vermag einzuschätzen, wie hoch die Wahlbeteiligung diesmal sein wird.