Buhrufe für Premierminister Manuel Valls: Noch im Rahmen einer öffentlichen Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags von Nizza ist er davor nicht sicher. Das Ansehen der sozialistischen Regierung hat arg gelitten und auch das der Partei, die seit Monaten von inneren Spannungen und Verwerfungen erschüttert wird. Manuel Valls ist dabei die Reizfigur schlechthin: Den "linken Sarkozy" nennen ihn viele, werfen ihm "Angriffe" auf die 35-Stunden-Woche vor und viel zu unternehmerfreundliche Wirtschaftsreformen. Und, dass er sie mithilfe einer Ausnahmeregelung der Verfassung gegen die Mehrheit des Parlaments durchsetzte, sorgte für tumultartige Szenen, bis heute unvergessen - und nicht verziehen.
"In Anwendung des Artikels 49 Absatz 3 der Verfassung… unserer Verfassung, mit Regeln, die unser Volk sich selbst gegeben hat, habe ich also entschieden ..."
Kaum hatte Valls seine Präsidentschaftskandidatur erklärt, begann via Twitter unter der Überschrift: "Alles, bloß nicht Valls" eine Kampagne gegen ihn. Und in den Pariser Salons ist man sich sicher: Auch zwei einflussreiche Vertreterinnen der Parteilinken haben sich gegen Valls verschworen: die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sowie ihre Amtskollegin aus Lille, die frühere Parteivorsitzende Martine Aubry. Gemeinsam sollen sie für die Kandidatur von Vincent Peillon gesorgt haben: Der 56-Jährige war von 2012 bis 2014 Bildungsminister, ist jetzt Europaabgeordneter und lebt ansonsten zurückgezogen in der Schweiz: lehrt Philosophie, schreibt Krimis – und ist doch aus Sicht der Parteilinken immer einer der Ihren geblieben. Sein Credo:
"Die Linke ist geteilt, aber Frankreich ist es auch. Ich möchte die Linke wieder zusammenbringen, denn ich habe an den ganzen Streitereien nicht teilgenommen, ich mag sie nicht, sie sind nutzlos und stiften nur Unheil. Ich möchte die Linke wieder zusammenbringen, um damit das ganze Land wieder zu einen. Ich möchte der Präsident sein, der nach all dem Streit eine neue Seite aufschlägt."
Mélenchon und Macron stellen sich den Vorwahlen nicht
An den Vorwahlen der Linken dürfen sich alle Franzosen beteiligen, die mindestens 18 Jahre alt und in die Wählerlisten eingetragen sind. Jeder Wähler muss einen Euro bezahlen und sich per Unterschrift zu den – Zitat – "Werten der Linken und der ökologischen Parteien " bekennen. Eine Kandidatin, sechs Kandidaten treten an: "La belle alliance populaire", "Die schöne Volksallianz", nennen sie sich. Doch die Kandidaten allein geben nur ein unvollständiges Bild dieser Vorwahlen.
Mindestens so wichtig sind die Abtrünnigen, sind Jean-Luc Mélenchon und Emmanuel Macron, die beiden Polit-Stars, die viele linke Wähler ansprechen, sich aber den Vorwahlen der Linken verweigern und direkt kandidieren, was die Auflösungserscheinungen bei der Sozialistischen Partei beschleunigen könnte. Und die Spannungen werden noch gesteigert durch das dauerhafte Schweigen jenes Abwesenden mit der größten Präsenz: Staatspräsident Francois Hollande. Der die Vorwahlen mit keinem Wort mehr erwähnte, seit er sich am 1. Dezember dazu erklärt hatte:
"Als Sozialist – das ist das Engagement meines ganzen Lebens – kann ich nicht zusehen, wie die Linke sich immer weiter zersplittert. Denn in ihr liegt doch unsere Hoffnung angesichts des wachsenden Konservatismus und, schlimmer noch, des Extremismus. Mir ist das Risiko bewusst, dass meine Kandidatur die Linke vielleicht nicht in ausreichendem Maße zusammenführen würde. Und deshalb habe ich entschieden, für die Präsidentschaftswahl nicht zu kandidieren."
In den Jahren der Präsidentschaft viele Feinde gemacht
Nie zuvor hat ein französischer Staatspräsident auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit verzichtet. Francois Hollande tat es, weil er sich in den Jahren seiner Präsidentschaft im eigenen Lager so viele Feinde machte wie keiner seiner Amtsvorgänger. Seine "politische Familie" konnte Hollande nicht zusammenhalten: Dieses Scheitern wirkt sich auch auf die jetzige Vorwahl der Linken aus. Um das ihr Eigentümliche zu verstehen, muss man den Grad der Zerrissenheit, der die Partei quält, nachvollziehen; es hilft ein Blick zurück auf den 17. Oktober 2011.
An diesem Tag gewinnt Francois Hollande die Vorwahlen der Linken zur Präsidentschaftswahl 2012:
"Die Sozialisten haben jetzt die Bestimmung, die gesamte Linke zu vereinen: die Ökologische Bewegung, die Kommunisten und alle, die noch kommen werden, vereint – mit uns!"
Die Hoffnungen werden enttäuscht
Im darauf folgenden Jahr setzt sich Francois Hollande gegen Nicolas Sarkozy durch und verspricht den Franzosen, den Sozialstaat zu konsolidieren und auszubauen. Auch in beiden Kammern des Parlaments haben die Sozialisten die Mehrheit, die Erwartungen sind groß. Der neue Minister für Wirtschafts- und Industriepolitik, Arnaud Montebourg:
"Die Franzosen wollen das Zusammenstehen der Linken. Eine neue Kraft wurde geboren. Sie wird ihren Weg gehen, und nichts wird sie aufhalten."
Doch die Hoffnungen werden enttäuscht. Statt die dringend nötige Sanierung der Staatsfinanzen anzupacken, steckt Hollande seine ganze Kraft in ein Gesetz zur Einführung der Homo-Ehe; was bei der katholischen wie auch der muslimischen Bevölkerung gar nicht gut ankommt. Dass es nicht gelingt, die Zahl der Arbeitslosen, wie angekündigt, "schnell und nachhaltig" zu senken, bringt die Volksseele zum Kochen: Zehntausende kommen zusammen, um ihr "ras-le-bol", "Schnauze voll", herauszuschreien.
"Bonjour à tous! Vous êtes venus pour crier votre ras-le-bol! Bonjour la France!"
Um den Ruf des ewigen Zauderers loszuwerden, reißt Hollande das Ruder herum. Und ernennt im April 2014 den bisherigen Innenminister Manuel Valls zum Premierminister und beauftragt ihn mit Wirtschaftsreformen. Vor allem das französische Arbeitsrecht sieht er als Hindernis an: Angestellte sind praktisch unkündbar, schon seit längerem bieten Unternehmen fast nur noch befristete Stellen an. Dies will Hollande ändern - doch sofort bildet sich eine innerparteiliche Opposition aus etwa vierzig Abgeordneten heraus; neben Arnaud Montebourg stellt sich auch der neue Erziehungsminister Benoit Hamon lautstark gegen diesen Kurswechsel; beide werden von Hollande im August 2014 entlassen. Und ein bisher völlig Unbekannter betritt die Szene: Emmanuel Macron, der smarte 36jährige Investmentbanker und Präsidentenberater, der als neuer Wirtschaftsminister das Fernbussystem liberalisiert und die Kaufhäuser auch sonntags öffnen lässt.
Die Ex-Minister Montebourg und Hamon tauchen wieder auf
Um Arnaud Montebourg und Benoit Hamon dagegen wurde es still: Erst jetzt, zweieinhalb Jahre später, tauchen beide aus der politischen Versenkung wieder auf - als Präsidentschaftskandidaten.
"Den Wechsel gestalten oder in die Regression zurückfallen, darum geht es. Wir müssen eine neue Seite aufschlagen!"
Benoît Hamon, Historiker, 49 Jahre alt, ist Abgeordneter in der Nationalversammlung. Schon als 19-Jähriger begann er eine Parteikarriere. Seine Amtszeit als Bildungsminister dauerte keine fünf Monate: zu kurz, um Spuren zu hinterlassen. Um aus dem Schatten seiner Konkurrenten Valls und Montebourg herauszukommen, hat Benoît Hamon typische Grundforderungen des Linksflügels der Sozialistischen Partei zu seinen wichtigsten Themen gemacht: Die Arbeitsmarktreform wieder abschaffen, kürzere Arbeitszeiten, ein bedingungsloses Mindesteinkommen für alle.
Hamon vertritt typische Grundforderungen des Linksflügels
"Ein solches Grundeinkommen kann man nur in Etappen einführen. Der erste Schritt wäre ein Grundeinkommen für die Ärmsten, für junge Erwachsene, die meist nur noch kurze Arbeitsverträge bekommen, oft auch schlecht oder gar nicht ausgebildet sind. 600 Euro monatlich zunächst nur für 18- bis 25-Jährige - weil sie am meisten unter der digitalen Revolution leiden. In einigen Jahren könnten in Frankreich bis zu zehn Prozent der vorhandenen Arbeitsplätze verschwunden sein. Die digitale Revolution ist großartig, aber sie verändert unsere Arbeitswelt dramatisch. Dem muss man etwas entgegensetzen!"
Die nötigen 400 Milliarden Euro will Benoit Hamon über höhere Steuern für "die Reichen" finanzieren, zur Not über Schulden. Sein linker Parteifreund Arnaud Montebourg, 54 Jahre alt und ein in Frankreich bekannter Rechtsanwalt, er will den wirtschaftlichen Aufschwung lieber über Lohnerhöhungen und eine entsprechend größere Kaufkraft der Bürger erreichen, dafür sind deutlich höhere öffentliche Ausgaben nötig. Die Drei-Prozent-Klausel des EU-Sparpakts hält Montebourg für "absurd und überholt" und kündigt schon die direkte Konfrontation mit der EU an. Er ist der schärfste Globalisierungskritiker unter den Kandidaten dieser Vorwahl; als Abgeordneter wie als Wirtschaftsminister machte er sich einen Namen als "Mister Made in France" - dieser Wirtschaftspatriotismus steht im Zentrum seines Wahlprogramms:
Montebourg als Globalisierungskritiker
"Was heißt "Made in France"? Es bedeutet dreierlei. Zum einen können damit unsere eigenen Märkte mit öffentlichen Aufträgen versorgt werden. 100 Milliarden Euro können wir bevorzugt an unsere kleinen und mittelständischen Betriebe geben; die Deutschen haben es bei sich gemacht, viele machen das so. Zweitens macht es so ein Label leichter, da wo es nötig ist, intensiver zu kontrollieren. Mit alldem schützen wir unsere industriepolitischen und wirtschaftsstrategischen Interessen. Noch mal: Viele machen das so. Und drittens ist es natürlich eine Information für den Verbraucher."
Der Versuch, die französische Wirtschaft zu liberalisieren, führte 2016 zu monatelangen Demonstrationen, Streiks, Blockaden und endlosen Verhandlungen mit Unternehmens- und Gewerkschaftsverbänden. Am Ende wurde das Gesetz über ein reformiertes Arbeitsrecht in abgemilderter Form verabschiedet - gegen die Mehrheit des Parlaments, Umfragen zufolge auch gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung. Vor allem dies führte zum Bruch. Der Präsident - und damit auch die regierenden Sozialisten – hatten nicht mehr das Vertrauen des Volkes. Der langjährige Berater und Redenschreiber Hollandes, Aquilino Morelle, machte in einem Interview des Radiosenders France Inter den Präsidenten allein "für das Scheitern der Sozialisten in Frankreich verantwortlich". Mehr als zwei Jahre habe Hollande nur so getan, als stünde er für das, wofür er gewählt worden sei:
"Um eine Sache zu verraten, muss man an diese Sache erstmal geglaubt haben. Ich weiß nicht, ob Hollande je an den Sozialismus geglaubt hat, weil niemand wirklich weiß, was in seinem Kopf vorgeht. Aber jetzt im Rückblick kann ich sagen, dass Francois Hollande im Kern ein wirklicher Liberaler ist."
Diese Ansicht scheinen die Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten zu teilen. Denn niemand präsentiert sich als eine Art Nachfolger Hollandes, bereit, sein "Erbe" anzutreten; niemand traut sich, eine einhellig positive Bilanz von dessen Amtszeit zu ziehen - auch Manuel Valls nicht. "Stolz" sei er, dass er Verantwortung habe tragen dürfen, versicherte Valls bei einer Fernsehdebatte, warb für sich mit seiner Erfahrung als Premierminister in schweren Zeiten und vermied es, liberalisierenden Reformeifer zu betonen. Und auch bei einem anderen entscheidenden Punkt ruderte Manuel Valls zurück: Das energische Vorgehen beim Umsetzen des neuen Arbeitsrechts durch den Artikel 49,3 der Verfassung, behauptete er, sei ihm "aufgezwungen" worden:
"Ich kenne die perversen Effekte des 49-3 genau, ich bin da hellsichtig geworden und habe Abstand genommen vom 49-3. In einer Teilhabe-Gesellschaft wie der unseren ist er wirklich obsolet geworden und kommt einem nur noch brutal vor. Und deshalb schlage ich vor, den Artikel 49-3 schlicht und einfach abzuschaffen."
Auch Vertreter kleinerer Parteien bei den Vorwahlen
Drei weitere, regierungsnahe Parteien sind bei den Vorwahlen vertreten. Sylvia Pinel, die Präsidentin der kleinen Radikallinken Partei, versuchte im Verlauf der Fernsehdebatten als Einzige wenigstens eine Art Ehrenrettung des Präsidenten und ging auch auf seinen Kandidatur-Verzicht ein:
"Ich bedaure das. Ich wünsche mir eine verantwortungsbewusste Linke. Eine Linke, die ein gesellschaftliches Projekt verkörpert, die aber auch loyal ist und der Regierung mit ihren Mehrheiten hilft. Die ständigen Streitereien der vergangenen fünf Jahre haben das eigene Lager nur geschwächt. Und erinnern wir uns doch, in welchem Zustand das Land war, als Francois Hollande gewählt wurde! Er musste das Land wieder aufrichten! Ich bin als Radikal-Linke wahrlich nicht mit allem einverstanden, aber man kann doch nicht sagen, dass in den fünf Jahren nichts passiert wäre!"
Umweltfragen sind kaum ein Thema
François de Rugy, 43 Jahre alt, ist Vizepräsident der Nationalversammlung und Vorsitzender der Ökologischen Partei und rückt entsprechend vor allem Umweltfragen in den Wahlkampf, die aber für die Sozialisten nicht wirklich ein Thema sind. François de Rugy:
"Ich zucke immer etwas zusammen, wenn ich auch die Linke reden höre, dass Frankreich durch seinen Atomstrom energiepolitisch unabhängig sei. Woher kommt denn der Brennstoff für die Atomkraftwerke? Das Uran kommt zu hundert Prozent aus dem Ausland! Aus Niger, aus Kasachstan – aus nicht wirklich sicheren Ländern! Um in Frankreich zu produzieren, müssen wir die erneuerbaren Energien weiterentwickeln!"
Wie François de Rugy war auch Jean-Luc Bennahmias früher Mitglied der Grünen. Der 62-jährige Journalist ist heute Vorsitzender der "Demokratischen Front"; sein Hauptziel ist es, mithilfe linker und grün-ökologischer Rezepte Frankreich zu "modernisieren". Doch er weiß, dass er keine Chancen hat, diese Vorwahl zu gewinnen, wie er im Sender BFM im Gespräch mit Jean-Jacques Bourdin offen einräumte:
"Ich habe es gesagt, und ich werde es auch machen: Wer diese Vorwahl gewinnt, den werde ich unterstützen. Später wird man sehen, wie die Dinge sich entwickeln, ob die progressiven Kräfte zusammenfinden, die habe ich immer verteidigt ..." - "Sie würden eine Union mit Mélenchon und Macron und dem Sieger der Vorwahlen der Linken verteidigen?" - "Ja, genau!" - "Aber das ist doch unmöglich!" - "Nein, überhaupt nicht!"
Sozialisten abgeschlagen auf Platz fünf
Jean-Luc Bennahmias nimmt es lässig – er hat nichts zu verlieren. Benoit Hamon, Arnaud Montebourg und vor allem Manuel Valls dagegen droht das Ende ihrer politischen Karriere. Vor allem Valls hatte deshalb genau diese "Union" mit Jean-Luc Mélenchon und Emmanuel Macron schon zur Vorwahl angestrebt – mit einem Sieger, der bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl die Stimmen aller linken Wähler auf sich hätte vereinen können - mit guten Aussichten, dadurch in die Stichwahl zu kommen: gegen Marine Le Pen vom Front National oder Francois Fillon von den Konservativen. Doch daraus wird nichts werden. In den Umfragen landen die Sozialisten zumeist auf Platz fünf, denn Macron und Mélenchon treten einzeln an – und gelten als chancenreich.
"Ich werde ein unabhängiges Frankreich schaffen!"
Jean-Luc Mélenchon ist 65 Jahre alt, verließ die Sozialistische Partei 2008; für die Präsidentschaftswahl gründete er eine Bewegung, "La France insoumise", "Das aufsässige Frankreich". Der radikale Linke Mélenchon will zurück zur Rente mit 60, will 1.300 Euro netto als monatlichen Mindestlohn festsetzen - und gilt mit solchen Ankündigungen vielen Anhängern als letzter Garant wahrhaft linker Politik; seine unverhohlen nationalistischen Forderungen ähneln denen des "Front national" – auch dort findet er viel Zustimmung.
Mélenchon für NATO-Austritt
"Wir werden die NATO verlassen, wir werden uns nicht an den Kriegen der USA beteiligen. Wir schlagen uns nicht in der Ukraine, auch nicht in Polen – wir machen gar nichts dergleichen. Wir werden uns stattdessen daran beteiligen, eine wohlgeordnete Welt zu schaffen, und wir werden das auch können. Denn wir Franzosen, wir haben die Fähigkeit, uns Gehör zu verschaffen."
Emmanuel Macron hatte schon im Frühjahr 2016 seine Bewegung "En marche!", "Unterwegs!", gegründet - Anfang September trat er als Wirtschaftsminister zurück. Präsident Hollande schwieg tagelang dazu. Fassungslos soll er über diesen "Verrat" seines Zöglings gewesen sein. Nach wochenlanger Vorbereitung erklärte der parteilose Macron sich im November zum Präsidentschaftskandidaten. Nicht für die Linke, nicht für die Rechte trete er an, sondern für alle Franzosen. Mit ihnen gemeinsam wolle er das krisengeschüttelte, an sich selbst zweifelnde Frankreich erneuern:
"Die Franzosen sind sich der neuen Anforderungen unserer Zeit sehr bewusst, oft mehr als diejenigen, die das Volk regieren. Sie sind weniger konformistisch, weniger gebunden an altbekannte Ideen, die nur den politischen Betrieb beschäftigen. Gegenüber den großen Herausforderungen unserer Zeit ist unser politisches System blockiert. Damit will ich niemanden beschuldigen. Aber die politischen Apparate, die ganze politische Logik – sie paralysieren heute unsere Möglichkeiten, voranzukommen."
Für die Sozialisten ist Macrons Kandidatur katastrophal
Für die Sozialisten ist die Kandidatur des charismatischen Emmanuel Macron schlichtweg katastrophal. Denn seine Forderung nach einer "demokratischen Revolution" kommt sehr gut an, der Wahlkämpfer Macron füllt, anders als die Sozialisten, große Säle; sein politisches Programm ist, soweit bekannt, eines der Mitte: Er will staatliche Bürokratien abbauen und berufliche Selbstständigkeit besser fördern, ohne dafür gleich den gesamten, in Frankreich äußerst komfortablen Sozialstaat abzuschaffen – auch das bedient viele Wählerinteressen.
Macron gibt sich als Volkstribun.
Bei seinem ersten großen Auftritt in Paris redete er vor Tausenden, zuletzt mit überschnappender Stimme, getragen vom Jubel der Zuhörer. Francois Hollande schweigt zu alledem. Und in den Pariser Salons kommen Fragen auf. Welchen der Kandidaten wird Hollande am Ende unterstützen? Wäre es möglich, dass es kein Sozialist sein wird – sondern eben: Macron?