Wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl ist die Postbehörde in den USA zum Politikum geworden. Sie hat gewarnt, sie könne möglicherweise nicht alle Wahlbriefe rechtzeitig zur Auszählung abliefern, weil sie so unterbesetzt sei. Bilder von abmontierten Postkästen gehen um die Welt. Senat, Repräsentantenhaus und das ganze Land diskutieren hitzig, ob und wie der schlecht aufgestellten Behörde geholfen werden soll.
Die in die Post gegebenen Stimmen könnten das Zünglein an der Waage sein. So war es etwa im Jahr 2000, als George W. Bush die Präsidentschaftswahl nur gewann, weil er in Florida ein paar Hundert Stimmen mehr hatte als Al Gore.
Schon bei den diesjährigen Vorwahlen zum US-Kongress waren mindestens 65.000 Briefwahlstimmen für ungültig erklärt worden, weil sie nicht fristgerecht eintrudelten – das ergab eine Recherche des US-Radiosenders NPR.
In der Corona-Pandemie hat die Briefwahl ein besonders großes Gewicht. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters im April wollen mehr als zwei Drittel der 238 Millionen Wähler am 3. November per Brief wählen.
Wie überall in der Welt geht auch beim US Postal Service (USPS) die Nachfrage nach lukrativer Briefpost zurück, zudem gibt es private Konkurrenten zur Staatspost. Der USPS hat versucht, den Gewinneinbruch durch mehr Pakettransport in Zusammenarbeit mit Amazon auszugleichen. Das funktionierte allerdings nicht gut – Pakettransport und -auslieferung sind viel teurer als Brieftransport. Nach einer Rechnung von 2016 müssten die Erlöse aus dem Pakettransport um 260 Prozent steigen, um den Rückgang des Briefverkehrs wettzumachen.
Außerdem ächzt die US-Post unter einem speziellen Gesetz aus der Ära George W. Bush: Sie muss als einzige Regierungsbehörde die Pensionen ihrer Beschäftigten bis 2056 vorfinanzieren. Das kostet pro Jahr fünf bis sieben Milliarden Dollar, die an anderer Stelle fehlen. In manchen Jahren war die Post gar nicht in der Lage, diese Rücklage überhaupt wie vorgeschrieben zu bilden.
Im vergangenen Geschäftsjahr madchte der USPS neun Milliarden Dollar Verlust. Seine gesamte Schuldenlast beträgt 161 Milliarden Dollar.
Der Vorwurf steht im Raum, dass US-Präsident Donald Trump der angeschlagenen Behörde gar nicht helfen, sondern lieber die Wahl zu seinen Gunsten beeinflussen will. Nach den meisten Einschätzungen wird die Mehrheit der Briefwähler tendenziell für seinen Gegenkandidaten stimmen, den Demokraten Joe Biden.
Trump sät schon im Vorfeld Zweifel am Wahlergebnis. Die USA stünden vor dem größten Wahldesaster der Geschichte, sagte er vor drei Wochen. "Vielleicht werden wir nie wissen, wer der Sieger ist."
Postmaster Luois DeJoy - Spitzname "Delay" wie Verzögerung - steht in der Kritik. Er ist seit Juni Chef der Behörde. Er hat keine Erfahrung in dem Geschäft, hat aber Trumps Wahlkampagne mit mehr als einer Million Dollar unterstützt. Der Deal Ämter gegen Spende ist nicht unüblich in der US-Politik. Insbesondere Botschafterposten werden gern gegen kräfitge Unterstützung vergeben.
Gleich nach seinem Amtsantritt fing DeJoy an, die US-Post nach Trumps Vorstellung zurückzustutzen: Breitflächig wurden Führungskräfte ausgetauscht, es gab drastische Sparmaßnahmen. Briefe und Pakete bleiben zu zehntausenden liegen, Überstunden dürfen nicht mehr gemacht werden.
DeJoy sagte am 21. August vor einem Senatskommitee aus, am 24. August steht er dem Kontrollausschuss im Repräsentantenhaus Rede und Antwort. Im Senat versicherte er, alle Rationalisierungsmaßnahmen seien ausgesetzt bis nach der Wahl, weggeschaffte Briefkästen und Sortieranlagen würden aber nicht wieder zurückgeholt. Thema im Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses sind 71 Tage vor der Wahl mutmaßlich auch Maßnahmen wie verkürzte Öffnungszeiten und ein Verbot von Überstunden.
Das Repräsentantenhaus hat am Freitag (21. August) auch mit Stimmen von Republikanern eine 25-Milliarden-Dollar-Unterstüzung für die Post verabschiedet. Allerdings ohne Chance auf Umsetzung, weil der Republikaner-geführte Senat und Präsident Trump strikt dagegen sind.
Die US-Post hat am Sonntag (23. August) ein Statement veröffentlicht, in dem sie das Paket ablehnt. Diese 25-Milliarden-Dollar-Unterstützung sei gut gemeint, würde aber dazu führen, dass wichtige Veränderungen nicht gemacht würden, die unabdingbar seien für Kosteneindämmung, erhöhte Effizienz und besseren Service.
Für Anfang September erwartet der US-Kongress den Bericht eines neuen Ausschusses bei der US-Post. Er soll erläutern, wie die Post die massive Zunahme der Wahl per Brief auffangen und sicherstellen will, dass die Stimmen rechtzeitig ankommen.
Bei den Finanzhilfen könnte es einen eleganten Ausweg geben: Mitch McDonnell, Mehrheitsführer der Republikaner im Senat spricht von einer 10-Milliarden-Dollar-Spritze für die US-Post, deklariert als Maßnahme zur Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie. Damit würden die Republikaner auf den massiven Druck der Öffentlichkeit reagieren, die Post nicht weiter zu beschädigen. Die Post genießt unter US-Bürgern eine hohe Beliebtheit und liefert auch vielen republikanischen Wähler auf dem Land Medikamente oder Rentenschecks.
Damit träten die Republikaner ferner dem Eindruck entgegen, sie würden die drastischen Veränderungen bei der Post nutzen, um den Wahlausgang zugunsten ihrer Partei zu beeinflussen.