"Sehr geehrte Damen und Herren, von nah und fern. Ganz, ganz herzlich begrüße ich sie, begrüße ich euch zu unserem gemeinsamen Aschermittwoch."
Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef André Poggenburg beim gestrigen Karnevalskehraus in einem mit Girlanden geschmückten Saal eines Gasthauses in Güsten am nordöstlichen Harz-Rand. Etwa 150 Besucher - zumeist Männer - sind gekommen. Sie johlen, klatschen laut Beifall, sobald es gegen Flüchtlinge und den Islam geht.
"Die Grünen, die wollten per Gesetz fünf islamische Feiertage einführen, darunter Mohammeds Geburtstag und das Opferfest."
"Ja, da wird einem himmelangst, muss ich sagen," sagt Carsten Schmidt. Versicherungsmakler und Ex-AfD-Mitglied.
Mit verschränkten Armen und in einem rot-weiß karierten Baumfäller-Hemd sitzt der 1,90 Meter große Mann in einem idyllischen Landgasthof vor den Toren Naumburgs. In der Ferne sieht man die Turmspitzen des weltberühmten Doms.
2014 wurde Carsten Schmidt als AfD-Mitglied in den Kreistag des Burgenlandkreises im Süden Sachsen-Anhalts gewählt. Zusammen mit Landeschef André Poggenburg wollte er sich für Mini-Schulen einsetzen, für Mittelständler engagieren, die Ärzte-Versorgung verbessern: Doch daraus wurde nichts. Waren alles nur leere Versprechungen, schiebt der 50-Jährige noch schnell hinterher.
"Gab ja schon als sein Stellvertreter das Problem, wenn sie einfach mal nur eine Rückinfo wollten, per Festnetz haben sie ihn nicht erreicht, per E-Mail haben sie ihn nicht erreicht beziehungsweise erst zehn Tage später kam eine Antwort. Das ist keine Zusammenarbeit."
Poggenburg: "Vorwürfe von Kleingeistern"
Poggenburg war im Kreistag nur selten gesehen; wenn er kam, kam er zu spät oder fehlte gar unentschuldigt, erzählt Schmidt. Im letzten Jahr kann er sich an keine einzige Wortmeldung Poggenburgs im Kreistag erinnern. Der AfD-Landeschef - rein äußerlich der Typ braver Schwiegersohn - kann über die Vorwürfe mangelnden Fleißes nur milde lächeln.
"Ist dieses ganz typische Halbwahre, wie man das ja kennt. Denn in den Aussagen wird ja nicht ausgeführt, das ich für die nicht wahrgenommenen Sitzungen, andere Sitzungen wahrgenommen habe. Das wird meist nicht gesagt."
Weil sich auch keiner daran erinnert, vervollständigt Carsten Schmidt den Satz. Und grinst.
Letztlich war das aber ein Dissens, der zum Auslöser für einen offenen Streit zwischen Schmidt und Poggenburg wurde. Kam aber nicht gut an, sagt Schmidt. Denn wer Poggenburg offen kritisiere, werde hart bekämpft. Allzu gut könne er sich daran erinnern, erzählt Schmidt, wie der AfD-Chef ihn hinter seinem Rücken gemobbt, denunziert und heftig beschimpft habe, nur weil er eine andere Meinung vertreten hatte. Einer der Gründe, weshalb der Versicherungsmakler Schmidt vor acht Wochen die Reißleine gezogen hat und aus der AfD ausgetreten ist.
"Ich bin der Meinung, dass er immer mehr Leute um sich herum schart, die ihn bedingungslos fördern und folgen, ihn wie auch immer unterstützen. Ich habe es erlebt, dass dafür andere Posten in Aussicht gestellt werden, wie die dann auch immer aussehen."
André Poggenburg schüttelt energisch den Kopf mit dem strähnigen Haar. Bundesparteivize Alexander Gauland hat ihn mal als einen erdverbundenen und bodenständigen, aber keinesfalls intellektuellen Typen beschrieben.
"Das sind ganz einfach Vorwürfe von Kleingeistern, die ihren Weg nicht so machen konnten, wie sie wollten."
Soll das Mandat Poggenburg sanieren?
Doch ganz so einfach scheint es nicht zu sein. In den letzten Tagen haben wir mit einem knappen halben Dutzend früheren AfD-Mitgliedern gesprochen, die wegen Poggenburgs Umgang mit Kritikern allein im letzten Vierteljahr ausgetreten sind. Und dem Deutschlandfunk liegen interne Dokumente vor, die belegen, dass Sachsen-Anhalts AfD Chef André Poggenburg einen durchaus robusten Umgangston mit seinen Kontrahenten pflege. So ist beispielsweise in Facebook-Kommentaren von dahergelaufenen Mitgliedern die Rede, die man schlicht nicht brauche.
Aber nicht nur das. Auch der politische Kurs Poggenburgs - der ähnlich wie Björn Höcke aus Thüringen zum deutsch-nationalen Flügel der Partei Alternative für Deutschland zu zählen ist - hat in letzter Zeit Dutzende Partei-Mitglieder irritiert, dass sie die Partei verlassen hätten, so Schmidt weiter. In uns vorliegenden Austrittserklärungen ist zu lesen, dass freiheitlich denkende Menschen aufgrund einer dominanten völkischen Ideologie in der AfD keinen Platz mehr fänden. Für den Ex-AfDler Schmidt ist das alles nicht überraschend und ein Aderlass. Denn mit etwa 320 Mitgliedern ist die AfD in Sachsen-Anhalt recht dünn aufgestellt.
"Weil mit Asyl kann ich die meisten Leute akquirieren. Bei einer Demo in Zeitz ist es so gewesen, dass man in die Neubau-Blocks gegangen ist. Weil dort eben die sozial schwachen Leute leben, die man mit Bumms und Plauz auch relativ schnell hinterm Ofen hervorlocken kann. Um dann Wählerstimmen einzufangen."
Und: Für Poggenburg habe der Einzug in den Landtag auch eine existenzielle Bedeutung, sagt Carsten Schmidt noch. Denn: Bis zu sieben Haftandrohungen wegen nichtbezahlter Rechnungen soll es in den letzten Jahren laut Wirtschaftsauskunftsdatei Creditreform gegen Poggenburg gegeben haben. Auch von offenen Außenständen bei der Handwerkskammer ist die Rede, indes das keiner öffentlich bestätigen will.
Ein Landtagsmandat mit etwa 5.600 Euro monatlich würde Poggenburg sanieren, ist aus seinem Umfeld zu hören. Und der 50-jährige Versicherungsmakler Schmidt ergänzt:
"Und deswegen sag ich immer, das ist das Privatprogramm Poggenburg. Endziel ist Geld."