Litauen liegt nicht auf den klassischen Flüchtlingsrouten und die Asylsuchenden, die jetzt in großen Gruppen kommen, stammen nicht wie sonst vor allem aus den früheren Sowjetrepubliken, sondern aus dem Irak, Syrien, aus dem Senegal, Gambia, Mali und anderen afrikanischen Ländern. Sie werden eingeflogen über Belarus. Minsk, ist das Drehkreuz. Die frühere Verteidigungsministern Litauens, die heute Abgeordnete im Europäischen Parlament ist, spricht von einem hybriden Krieg, der gerade gegen ihr Land geführt wird.
Rasa Juknjawitschene: "Wir haben nicht den geringsten Zweifel daran, dass das ein spezieller Krieg ist. Und wenn Lukaschenko sagt, dass er nicht im Stande sei, das alles zu stoppen, dann wissen wir, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Er arbeitet mit Russland und dessen Geheimdiensten zusammen sowie mit mafiösen Strukturen, Schlepperbanden, mit denen sie das alles organisieren. Sie unterbinden das nicht, sie organisieren es."
"Die meisten wollen in andere EU-Länder"
Kommende Woche wird das litauische Parlament in einer außerordentlichen Sitzung Gesetze verabschieden, die die Asylverfahren beschleunigen. Da dürfte ein Teil der Angekommenen schon weitergezogen sein, prophezeit Alexander Kislow, der Direktor des Zentrums für die Registrierung der Migranten gegenüber der litauischen Nachrichtenagentur Delfi.
"Für die meisten ist nicht Litauen das Ziel, sie wollen in andere EU-Länder. Manche wurden schon an der polnischen Grenze festgenommen und dann greift das Dublin-Abkommen, sie werden zu uns zurückgebracht, wo sie den Asylantrag gestellt haben."
Lukaschenkos Sicht
Alexander Lukaschenko, den die Europäische Union und die USA nicht als Präsident anerkennen, interpretiert das beschleunigte Asylverfahren als Einladung. Litauen sei selbst schuld, wenn immer mehr Menschen kämen:
"Wenn Sie der ganzen Welt erklären, dass sie noch schneller die registrieren, die über Belarus kommen, dann werden sie kommen. Sie machen das Fenster für die Migranten doch immer weiter auf. Wenn jemand denkt, dass wir die Grenze zu Polen, Litauen, Lettland und der Ukraine schließen und zu einem Sammelbecken werden für Flüchtlinge aus Afghanistan, aus dem Iran, aus dem Irak, aus Libyen, Syrien, Tunesien und noch tiefer aus Afrika, dann hat er sich zumindest geirrt. Wir werden keinen aufhalten, denn sie kommen nicht zu uns, sondern in das blühende, warme, gemütliche Europa."
Lukaschenkos Rache an Litauen und der EU
Die Flüchtlinge würden von Belarus und Russland instrumentalisiert. Reisebüros brächten die potentiellen Asylbewerber nach Minsk, von wo aus sie an die rund 700 Kilometer lange Grenze zu Litauen geführt würden, sagt die frühere litauische Verteidigungsministerin im russischen Internet-Fernsehen Doschd. Sie hat keinerlei Zweifel, dass sich Lukaschenko an Litauen und der EU rächen möchte. Für die neuen Sanktionen, dafür, dass das Büro der Oppositionskandidatin bei der Präsidentschaftswahl, Swetlana Tichanowskaja in Vilnius als diplomatische Vertretung anerkennt wurde, vor allem aber für die Solidarität mit der belarussischen Protestbewegung.
"Flugzeuge nach Minsk stoppen"
Für die Rückführung der abgelehnten Bewerber braucht Vilnius Brüssels Hilfe, jetzt würden Gespräche mit irakischen und türkischen Regierungsvertretern geführt, weil von diesen beiden Ländern aus die meisten Migranten starteten.
"Das wichtigste ist, diese Flugzeuge nach Minsk zu stoppen. Das brauchen wir jetzt am dringendsten."
Über 1.300 Schutzsuchende hat Belarus an die litauische Grenze gebracht, im vorigen Jahr baten lediglich 80 Personen um Asyl. Die Notunterkünfte sind voll, derweil droht Lukaschenko, Flüchtlinge auch an die Grenzen zu Polen, Lettland, und der Ukraine zu schicken.