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Vorwürfe gegen Bundespolizei
"Du wirst angehalten, weil du Schwarzer bist"

Die Bundespolizei in Hannover steht unter Druck: Einem Beamten wird die Misshandlung von Flüchtlingen vorgeworfen. Unterdessen beklagen Flüchtlinge wie Maissara Saeed, die sich besonders häufig sogenannter anlassloser Kontrollen ausgesetzt sehen, dass die Polizei hier ein grundsätzliches Problem habe.

Von Alexander Budde |
    Eingangstür der Bundespolizeiinspektion in Hannover, davor parkt ein Polizeiwagen.
    Hier sollen die Misshandlungen passiert sein: Die Bundespolizeiinspektion in Hannover. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Berufspendler hasten durch die Bahnhofshalle: Anzug, Krawatte, Rollkoffer. Ein paar Schritte weiter beim Bäcker mustern Reisende in Freizeitkluft die ausgelegten Käseschnitten. Verkehrsknotenpunkt Hannover: 250.000 Menschen strömen hier täglich durch. Die Beamten der Bundespolizei in der Wache gleich nebenan haben es mit Taschendieben und Trickbetrügern zu tun, sie greifen randalierende Fußballfans auf, sie nehmen aber auch Personen in Gewahrsam, die sie ohne gültigen Pass angetroffen haben, die schwarz gefahren sind.
    Einem 19-jährigen Afghanen und einem gleichaltrigen Marokkaner soll es im vergangen Jahr so ergangen sein. Was sich dann nach Informationen des Norddeutschen Rundfunks in den Arrestzellen abgespielt haben soll, schockiert Justizkreise, Verbände und Politiker gleichermaßen. Die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigt Ermittlungen gegen einen Bundespolizisten. Er soll die jungen Männer in Gewahrsam gequält und erniedrigt, später per Kurzmitteilung an Kollegen mit seinen Taten geprahlt haben.
    Die ständige Angst, zum Opfer zu werden
    "Diese Vorwürfe mögen Bürger dieses Landes schockieren, aber als Flüchtling in Deutschland, als Afrikaner zudem, rechnen wir ständig damit, Opfer von gewaltsamen Übergriffen der Polizei zu werden. Und die Täter dürfen sich sicher fühlen. In aller Regel bleiben sie unbehelligt. Wenn ich Polizist bin, dann zettle ich doch keinen Konflikt mit Kollegen an, nur weil ich sehe, dass ein Ausländer schlecht behandelt wird! So einfach ist das!
    Mutmaßt Maissara Saeed. Er sitzt in einem Szene-Café beim Bahnhof an einem Tisch unter fahler Sonne. Mit bitterem Gesichtsausdruck saugt der 42-jährige Laborwissenschaftler an seiner Fanta. Vor fünf Jahren hat er sich aus der sudanesischen Krisenregion Darfur über Ägypten bis Hannover durchgeschlagen. Mittlerweile habe er eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, berichtet Saeed. Vor den Tischen reiten gerade Polizisten hoch zu Ross vorbei. Saeed sagt, der Anblick der Streife bereite ihm Unbehagen:
    "In Deutschland ist es ganz normal, dass Du von der Bahnhofspolizei wegen deines Aussehens angehalten wirst, weil Du nicht besonders gut gekleidet bist, weil Du ein Schwarzer bist. Sie fragen dich, wo du herkommst, wohin du willst. Sie blaffen dich an, sie werden laut. Und nach 20 Minuten lassen sie dich laufen. Das ist für unsereins eine alltägliche Erfahrung!
    Vorgänge können kaum unbemerkt geblieben sein
    Saeed spielt auf das so genannte „Racial Profiling" bei Polizeikontrollen an. Die Bundesregierung bestreitet, dass es solche Kontrollen im Lande überhaupt gebe. Ein Standpunkt, den auch die Bundespolizei wie ein Mantra vorträgt, zuletzt vor 14 Tagen vor dem UN-Fachausschuss gegen rassistische Diskriminierung. Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte überzeugt das nicht. Die Forscherin beruft sich auf Augenzeugenberichte und Gerichtsunterlagen, wonach die Beamten beispielsweise in Zügen vermehrt Menschen allein wegen ihrer Hautfarbe herausgreifen, weil sie vermuten, dass sie es womöglich mit Flüchtlingen zu tun haben, die unerlaubt nach Deutschland eingereist sind:
    "Und sie werden natürlich auch sehr stark stigmatisierend wahrgenommen, weil im Prinzip jede Kontrolle ja das Signal sendet: 'Du stehst unter Verdacht und Du gehörst nicht dazu!'."
    Unterdessen wird die Liste der Vorwürfe gegen den Bundespolizisten, gegen den die Staatsanwaltschaft Hannover derzeit wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt, immer länger. Der Hamburger Polizeiwissenschaftler Rafael Behr hält es im Interview mit dem NDR für kaum vorstellbar, dass die Vorgänge den Kollegen auf der Wache unbemerkt blieben.
    "Ich betrachte solche Polizeigruppen häufig als Gefahrengemeinschaften, in denen auch eine gegenseitige Abhängigkeit entsteht, weil jedem im Lauf seiner Dienstzeit einmal etwas passiert, bei dem er auf die Diskretion der Kollegen angewiesen ist. Das können Kleinigkeiten sein. Aber alle Polizisten wissen etwas voneinander, was nicht an die Öffentlichkeit dringen soll. Das macht die Sache so schwierig!"
    "Bei der Polizei gibt es keinen Korpsgeist"
    Dietmar Schilff von der Gewerkschaft der Polizei in Niedersachsen bezweifelt, dass die Vorgänge in Hannover, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, von strukturellen Mängeln im Umgang mit Rassismus künden.
    "Dieses Thema Korpsgeist, wie es teilweise im 'Tatort' oder 'Polizeiruf' zu sehen ist, das gibt es bei der Polizei nicht! Die Gewerkschaft der Polizei macht seit Jahren Aktionen gegen Gewalt, gegen Rassismus, für Toleranz!
    Auch Maissara Saeed hofft auf umfassende Aufklärung. Der streitbare Flüchtling ist den Grünen beigetreten. Er sagt, er wolle mehr als nur eine Nummer unter all den Geduldeten sein.
    "Hier geht es nicht nur um einen Vorfall in einer Arrestzelle. Es geht ganz grundsätzlich darum, was wir, die deutsche Gesellschaft, unter der Würde des Menschen verstehen!"