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Vorwürfe gegen Julian Reichelt
Aufklärungsarbeit und viel Häme gegen "Bild"

Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hat sich von seinen Aufgaben im Springer-Verlag freistellen lassen, damit intern die Vorwürfe gegen ihn aufgeklärt werden können. Doch vor allem in den sozialen Medien werden die doppelten Standards bei Springer beklagt.

Von Michael Meyer |
Julian Reichelt bei einer Podiumsdiskussion. Im Hintergrund ist das Logo der Bild-Zeitung zu sehen.
Bild-Chef Julian Reichelt (imago/ Jörg Schüler)
In Compliance–Verfahren ist es üblich, dass sich der oder die Beschuldigte für die Dauer des Untersuchungszeitraumes freistellen lässt, um das Verfahren nicht zu behindern. Denn wer vor Ort ist, bekommt auch so manches mit und kann womöglich Einfluss darauf nehmen.
Diesem Konflikt ist Julian Reichelt zuvorgekommen, indem er sich am Samstag bis auf Weiteres freistellen ließ und das Ende des Verfahrens abwarten wird.

Reichelt will sich wehren

In einem redaktionsinternen Chat sagte Reichelt, dass die "Bild" und die Redaktion sein Leben seien – und er werde sich "gegen die wehren, die mich vernichten wollen, weil ihnen 'Bild' und alles, wofür wir stehen, nicht gefällt. Die über mich schreiben, ohne mich vorher anzuhören".
Damit spielt Reichelt unter anderem auf den "Spiegel" an, der früh über Vorwürfe gegen den "Bild"-Chef berichtet hatte. Dabei ging es unter anderem um Machtmissbrauch, die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen und in einzelnen Fällen um Nötigung und Mobbing.

Alexandra Würzbach springt ein

Der Springer-Verlag will sich zu dem Fall nicht weiter äußern – und teilt nur mit, dass es bislang keine Beweise für die Vorwürfe gebe und die Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei.
Julian Reichelt, Vorsitzender der "Bild"-Chefredaktion, auf einem Kongress
Vorwürfe gegen Julian Reichelt - Zwischen Schadenfreude und Unschuldsvermutung
Gegen den Chefredakteur der "Bild", Julian Reichelt, ist eine interne Untersuchung eingeleitet worden. Es geht unter anderem um Vorwürfe des Mobbings und Drogenmissbrauchs. Ein Verfahren mit großer Tragweite und viel medialer Aufmerksamkeit - was die Untersuchung der Vorfälle erschweren könnte.
Was feststeht, ist, dass Julian Reichelt bis auf Weiteres von Alexandra Würzbach vertreten wird. Würzbach war bisher schon Chefredakteurin der "Bild am Sonntag" – und hat sich in der Amazon-Doku "Bild. Macht. Deutschland?" über ihren Kollegen Reichelt geäußert.

"Julian liebt Streit"

"Julian liebt Diskussionen, Streit, Auseinandersetzungen. Er liebt das. Du musst nur wissen, wenn Du in eine gewisse Schlacht ziehst; es reicht nicht, zu sagen, ich bin dagegen. Da holt man sich auch eine blutige Nase, das ist auch in Ordnung, da muss man sich sagen, Mund abputzen, nächster Tag, machste wieder oder lässt es bleiben, aber es ist nicht so dass man mit Julian nicht diskutieren könnte, man muss es, man sollte es, und er fordert es auch ein."
Wenig erstaunlich ist, dass es vor allem bei Twitter in den letzten Tagen hämische Kommentare gegen Springer gegeben hat. Anlass war nicht nur die Freistellung Reichelts selbst, sondern eine Stellungnahme Axel Springers, in der es unter anderem hieß:
"Axel Springer hat immer und sehr grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Gerüchten, Hinweisen und Beweisen. Auf Basis von Gerüchten Vorverurteilungen vorzunehmen, ist in der Unternehmenskultur von Axel Springer undenkbar."

Compliance-Verfahren rasch abschließen

Das führte zu Spott und Häme, ignoriert doch die "Bild" – und erst Recht ihr Video-Ableger "Bild Live" immer wieder diese Maxime, zum Beispiel bei der Berichterstattung über einen ehemaligen Profifußballer, gegen den wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie ermittelt wird
Wie in mehreren Fachdiensten am Wochenende zu lesen war, will der Konzern, schon aus Imagegründen, das Compliance-Verfahren rasch abschließen. Womöglich noch diese Woche.