Der Satiriker Serdar Somuncu hat ein Motto: "Jede Minderheit hat ein Recht auf Diskriminierung!". Und dieses Motto zieht er auch in der aktuellen Folge seines Podcasts "Schroeder und Somuncu" bei Radio Eins durch. Während sonst überall die Toleranz für rassistische und sexistische Beleidigungen in der Öffentlichkeit eher schrumpft, wirft er in seinem Podcast mit diskriminierenden Beleidigungen nur so um sich, hetzt gegen Schwarze, Roma, Sinti und Frauen und feiert das als Akt des Widerstandes. Dieser Ausschnitt wird bei Twitter tausendfach geteilt.
Die Literaturwissenschaftlerin Berit Glanz hat sich in ihren Tweets Gedanken über die Dynamiken der Aufmerksamkeitsökonomie gemacht. Und wollte genau deshalb eigentlich gar nicht im Interview über den Fall Somuncu sprechen. "Weil natürlich in dieser Skandalisierungslogik, die da ja von diesem Podcast bedient wird, immer enthalten ist, dass man sich darüber ärgert, die dann mehr Sichtbarkeit bekommen, dann Karrieretüren aufgehen." Sie meint also, wer sich über Somuncu aufrege, spiele ihm in die Karten, weil er dadurch noch mehr Aufmerksamkeit bekomme.
Berechnende Cancel Culture?
Berit Glanz meint, hinter diesen wüsten Beschimpfungen von Serdar Somuncu und Florian Schroeder stecke eigentlich der Wunsch, sich auf die Bühne canceln zu lassen. "Indem sie skandalisieren, immunisieren sie sich gleichzeitig gegen Kritik", meint Glanz, weil sie sagen: 'Ihr wollt unsere Meinungsfreiheit einschränken', und jeder, der sie kritisiert, schränke dann ihre Satire ein und dadurch bekommen sie dann so viel Resonanz. "Deswegen halte ich es sogar nicht für sinnvoll, darüber zu sprechen."
Ignorieren statt Empörung
Einfach so stehen lassen könne man Somuncus Aussagen aber auch nicht, weil das menschenfeindliche Inhalte seien. Die Frage lautet also für Glanz: "Wie kann man Kritik üben?". Diese Dynamiken der Skandalisierung sehe man momentan relativ viel am Werk. Und am Ende bekämen immer wieder Leute, die sich am krassesten menschenfeindlich äußerten, irgendwann die größten Bühnen, so Glanz.
"Ich denke, dass die Kritik, die man äußern muss, sich eher an die Institution richten muss, die eben so etwas sagbar machen" - die glaubten, dass dieser Podcast ein akzeptables Format sei. Deshalb müsse die Kritik sich in diesem Fall laut Glanz an den Rundfunk Berlin-Brandenburg richten, der den Podcast der beiden produziert.
Talentmangel mit Skandalisierung ausgleichen
Am Ende gehe es nicht um Cancel Culture, findet Berit Glanz. "Niemand will diese Menschen canceln", es gehe eher darum, wer in öffentlich finanzierten Medien den Raum bekomme, etwas zu sagen. "Und warum werden solche Formate angekündigt als große radikale Form von Comedy, wenn letztlich eigentlich ganz alte Leiern permanent wieder bedient werden?". Glanz meint, in diesem Falle werde versucht, eine Talentmangel durch Skandalisierung auszugleichen.