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Vorwurf der Rebellion gegen Puigdemont
Umstrittener Straftatbestand

Carles Puigdemont und seine Mitstreiter sind in Spanien unter anderem der "Rebellion" angeklagt. Es ist allerdings ein Straftatbestand, der so in vielen anderen europäischen Ländern nicht existiert. Und in Spanien ist es auch unter Juristen umstritten, ob Puigdemont "Rebellion" vorgeworfen werden kann.

Von Marc Dugge |
    Menschen in Barcelona feiern, dass das Regionalparlament für die Gründung einer unabhängigen Republik Katalonien gestimmt hat.
    In Barcelona feierten die Menschen letztes Jahr, dass das Regionalparlament für die Gründung einer unabhängigen Republik Katalonien gestimmt hatte. Die Regierung in Madrid fand das nicht gut und ermittelte gegen Puigdemont (dpa-Bildfunk / AP / Emilio Morenatti)
    Für die Demonstrantin Rosa ist die Sache klar: Die Vorwürfe gegen Carles Puigdemont und die anderen Minister seien weit überzogen. Es handle sich um politische Gefangene:
    "Man kann ihn doch nicht der Rebellion bezichtigen, denn es gab keinerlei Gewalt! Wir haben kein Vertrauen in die spanische Justiz, wir vertrauen auf die Deutschen!"
    So wie sie denken viele, die gestern in Katalonien auf die Straße gegangen sind. "Rebellion" ist in Artikel 473 des spanischen Strafgesetzbuches geregelt – und richtet sich gegen Putschisten. Menschen, die versuchen, gewaltsam die Macht in Spanien an sich zu reißen. Indem sie etwa, so der Gesetzesartikel, mit Waffengewalt vorgehen, Gewalt gegen Personen ausüben oder Bahn-, Telefon- oder Funkverbindungen unterbrechen. Joaquim Bosch von der Vereinigung "Richter für die Demokratie" im Sender "La Sexta":
    "Dieser Artikel zielt auf einen öffentlichen und gewaltsamen Aufstand. Und da gibt es ja durchaus Fälle in der spanischen Geschichte. Aber ich denke, es ist eine Sache, ob wir es mit Soldaten zu tun haben, die Menschen ins Visier nehmen, um die Macht an sich zu reißen - oder ob wir es mit einem potentiellen Risiko zu tun haben, dass es später einmal zu Gewalt kommen könnte. Mir erscheint es sehr zweifelhaft, ob wir hier von Rebellion sprechen können."
    Einen Fall aus September hebt der Richter besonders hervor
    Genau so sieht es aber der zuständige Richter am Obersten Gerichtshof, Pablo Llarena. Er ist überzeugt, dass man die Separatistenführer wegen "Rebellion" zur Verantwortung ziehen kann – obwohl es keine physische Gewalt im größeren Ausmaß gegeben hat. Denn die Separatisten hätten konsequent auf eine Abspaltung von Spanien hingearbeitet. Und dafür die Menschen aufgestachelt, öffentliche Gelder zweckentfremdet und mögliche Gewalt billigend in Kauf genommen.
    Einen Fall hebt der Richter besonders hervor: Als am 20. September vergangenen Jahres Demonstranten ein Verwaltungsgebäude in Barcelona besetzten, in dem eine Hausdurchsuchung stattfinden sollte. Zehntausende versperrten den Polizisten den Zugang zu dem Gebäude. Bei der Aktion zerstörten einige Demonstranten außerdem Polizeifahrzeuge. Die Waffen, die in den Autos lagen, hätten leicht von den Demonstranten an sich gerissen werden können, so der Richter. Aber kann man da schon von Rebellion reden? Nein, sagt José Antonio Martín Pallín. Auch er war Richter am Obersten Gerichtshof, heute ist er im Ruhestand:
    "Ich kenne keinen einzigen Rechtsexperten - zumindest aus meiner Generation - der sich zu sagen getraut hätte, dass das unter den Tatbestand der Rebellion fällt. Das passt doch hinten und vorne nicht. Das ist eine Rechtsverdrehung, die mich besorgt."
    Mögliche Auslieferung liegt in den Händen deutscher Richter
    Über den Tatbestand des "Aufruhrs" könne man dagegen reden, so Richter Pallín. Er habe keine Sympathien für den Separatismus, betont er. Dennoch hat er von den Unabhängigkeitsbefürworten für seine Äußerungen viel Beifall bekommen.
    Nun liegt es in den Händen deutscher Richter, ob Puigdemont an Spanien ausgeliefert wird. Dass ihnen der Tatbestand der "Rebellion" unbekannt sein dürfte, muss kein Problem sein, glaubt Pablo Gutiérrez de Cabiedes, Professor für Prozessrecht an der katholischen Privat-Universität San Pablo in Madrid:
    "In diesem Fall ist es nicht entscheidend, wie man das Delikt nennt, sondern das zu schützende Gut ist entscheidend. Also, was in den beiden Ländern durch das Strafgesetzbuch geschützt wird und was bestraft wird. In Spanien heißt es Rebellion, in Deutschland Hochverrat – beide bezeichnen aber genau dasselbe. Ob der Vorwurf gerechtfertigt ist, darüber darf allein Spanien entscheiden. Das ist nicht die Sache von Deutschland, Belgien oder irgendeinem anderen Land."