Ismail Tipi verbringt offensichtlich viel Zeit in sozialen Netzwerken. Mehrere Einträge finden sich unter seinen Profilen bei Facebook und Twitter. Täglich. Tausende insgesamt. In einem Facebook- Post vom 24. Juli dieses Jahres spricht der hessische CDU-Integrationsexperte davon, dass der Hassprediger Pierre Vogel Deutschland zum Scharia-Staat machen wolle. Darunter ein Bild, auf dem Vogel in einem Kapuzenpullover mit "Islamischem-Staat"-Aufdruck posiert. Nicht zum ersten Mal warnt Tipi vor den Gefahren des Islamismus. Aber zum ersten Mal wird er dafür abgestraft.
Facebook sperrt die Seite Tipis wenig später. Für sieben Tage. Die Begründung: Tipi habe mit seinem Post den Richtlinien des Unternehmens widersprochen. Drei Tage später entschuldigt sich das kalifornische Unternehmen, schaltet die Seite wieder frei. "Sie haben ihren Fehler eingeräumt und damit eingesehen, dass sie voreilig gehandelt haben und dass so etwas nicht hätte passieren dürfen", freut sich der Landtagsabgeordnete nun auf allen Kanälen.
Also alles nur ein Missverständnis? Bei Twitter kritisieren viele das Vorgehen Facebooks im Fall Ismail Tipi. Von Zensur ist da die Rede. Nicht zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte.
"Schwierige Abwägung"
Er warne davor, Facebook vorschnell zu verurteilen, sagte der Internetrechtsexperte Dirk Heckmann gegenüber der Onlineredaktion des Deutschlandfunks. Das Unternehmen habe ein seriöses Anliegen: Rechtsverletzungen - wie volksverhetzende oder beleidigende Inhalte - auf seinen Seiten zu unterbinden. Und rechtlich dürfe es das auch. Facebook müsse dabei immer entscheiden: "Wenn ich lösche und es war noch legal, habe ich dem Nutzer unrecht getan; wenn nicht, vielleicht einem Beleidigungsopfer."
Bei Ismail Tipi sei diese Abwägung offenbar nur oberflächlich vorgenommen worden, so der Rechtswissenschaftler von der Universität Passau, weil ja bei genauem Hinsehen leicht erkennbar war, dass der Accountinhaber nicht hetzt, sondern sich im Gegenteil gegen Hetze und Hass engagiert. Zudem hätte Facebook auch nur den einzelnen Beitrag und nicht gleich die gesamte Seite sperren können.
"Unser Ziel ist es, den Menschen das Teilen von Inhalten zu ermöglichen und die Welt zu vernetzen." So heißt es zu Beginn der sogenannten Gemeinschaftsstandards von Facebook. Man wolle, "dass sich die Menschen sicher fühlen, wenn sie Facebook verwenden". Tipi wurde wohl gleich die erste dort aufgeführte Regel zum Verhängnis. Unter "Helping to keep you safe" schreibt das Unternehmen, es entferne Inhalte, "wenn wir zu dem Entschluss kommen, dass ein echtes Risiko physischer Gewalt oder eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit besteht".
"Wir haben ein Problem der Masse"
Der Fall offenbart laut Heckmann vor allem eines: "Wir haben ein Problem der Masse." Im sogenannten Web 2.0 gäbe es zu viele, zum Teil rechtswidrige und auch strafbare Inhalte, die man auch mit juristischen Mitteln nicht einfach eliminieren könne. Das Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes erinnert im Gespräch an die Fälle Dieter Nuhr und Till Schweiger. Der Kabarettist und der Schauspieler ernteten für Beiträge bei Facebook viel Kritik. Beide rechneten anschließend öffentlichkeitswirksam mit ihren Usern ab.
Diese Fälle gäben Anlass zu einer sachlichen Diskussion, findet Dirk Heckmann. "Wie gehen wir damit um?" Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht, räumt der Internetrechtsexperte ein.
(bor/ach)