Zlatan Ibrahimovic wird in Schweden nur beim Vornamen genannt. Zlatan also, der Sohn bosnischer Einwanderer, aufgewachsen im Problemvorort Rosengård der südschwedischen Stadt Malmö. Eine Aufsteigergeschichte, niedergeschrieben in der Biografie mit dem originellen Namen "Ich bin Zlatan Ibrahimovic". Das Buch beruht zwar nicht ausschließlich auf Tatsachen, wie Autor David Lagercrantz (der auch den umstrittenen vierten Band der Millennium-Trilogie schrieb) zugab – es sei eher ein wahrer Roman. An diesem habe Zlatan aber fleißig mitgeschrieben.
Im Zusammenhang mit Zlatans sportlicher Leistung werden gerne Superlative gebraucht. Er schoss in der vergangenen Saison 38 Tore in der Ligue 1 für Paris Saint-Germain, 17 mehr als der zweitbeste Torschütze. Er gewann zehn Meisterschaftstitel mit fünf verschiedenen europäischen Mannschaften und zehn Mal den Guldbollen, die Auszeichnung als bester schwedischer Fußballer, davon neun Mal in Folge. Mit 34 scheint er so gut wie nie.
Nun verlässt Zlatan Ibrahimovic Paris Saint Germain. Eins würde ihn zum Bleiben bewegen, sagte er: Wenn die Pariser den Eiffelturm durch eine Statue von ihm ersetzen würden.
Eine Legende wegen seiner Sprüche und seiner Leistung
Ich, seit jeher Schwedenfan, mag ihn, weil er anders ist als die meisten Fußballer, ungeschliffen in der Wortwahl, ein Sprücheklopfer, der sich aber selbst immer wieder durch brillante Leistungen auf dem Platz bestätigt. In seiner Zeit bei Barcelona sagte er: "Wir brauchen den Philosophen nicht, der Zwerg und ich reichen vollkommen." Wobei er mit dem Philosophen Trainer Pep Guardiola und mit dem Zwerg Lionel Messi meinte.
Einem Selfie mit sich selbst als Wachsfigur gab er folgende Bildunterschrift: Der Rechte ist aus Wachs und der Linke ist aus Stahl:
Einen Zweikampf gegen Sami Hyppiä beschrieb er wie folgt: "Ich ging nach links, er ging mit. Ich ging nach rechts, er ging mit. Dann ging ich noch mal nach rechts, und er ging zum Würstchenstand."
Ich applaudiere innerlich, weil seine Sprüche nicht nur arrogant, sondern häufig auch geistreich sind. Den meisten Profis hat man durch Rhetoriktraining Ecken und Kanten abgeschliffen, bloß nicht auffallen - zumeist geht das auf Kosten der Originalität. Ibrahimovic hatte vermutlich kein Rhetoriktraining. Und wenn, dann hatte es wohl nicht den intendierten Effekt.
Zlatan als Wort
Das Verb "zlatanieren" ("zlatanera") ist ins offizielle Wörterbuch des schwedischen Sprachrats aufgenommen worden. Es bedeutet soviel wie "etwas mit Kraft bewältigen" oder "dominieren".
In jedem Stockholmer Touristenladen hängen Ibrahimovic-Trikots. Und auch keine anderen - kennt überhaupt jemand den Namen eines anderen schwedischen Nationalspielers? Vielleicht seit dem U21-EM-Titelgewinn im vergangenen Jahr. Ich kaufte mir eins der Trikots für Karneval und erntete anerkennende Blicke.
Dumme Sprüche gegen Reporter und Fußballerinnen
Und doch kann ich Zlatan nicht unumwunden gut finden. Eine Kolumnistin der schwedischen Zeitung "Metro" bezeichnete ihn jüngst als "Mobber", weil er unter anderem zu einem Journalisten gesagt hat: "Boah, wie hässlich du bist" und zu einem anderen: "Igitt, du stinkst". Als ein schwedischer Nationalspieler ein Luxusauto vom Verband bekam und die Rekordnationalspielerin gar nichts, scherzte Zlatan, der Verband könne ihr ja ein Fahrrad schenken. Alles Dinge, die ich überhaupt nicht cool finde.
Unreflektiertes Fan-Sein ist vermutlich nie gut. Und so habe ich neben Sympathien für Zlatan Ibrahimovic eben auch ein paar Antipathien. Was davon zlata…, ähm, dominiert? Da bin ich unschlüssig.
Wenn Schweden heute gegen Irland erstmals seit der WM 2006 in Deutschland bei einem großen Turnier antritt, hoffe ich auf Zlatan-Tore. Denn ich weiß: Zlatan ist gut. Aber er ist sicher kein Gott.
Unter "Voyage surprise" (dt.: "Fahrt ins Blaue") bildet die DLF-Sportredaktion in den kommenden Wochen Hintergründiges, Humorvolles, Abseitiges rund um die Europameisterschaft in Frankreich ab.