Philip Banse: Wie motivierend es sein kann, wenn Digitalisierungsprojekte in der Welt sind und wirklich klappen, das können wir jetzt besprechen mit Mario Mosbacher, er ist hier bei mir im Ü-Wagen neben der Konferenz. Er ist Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums in Donaueschingen. Erstmal hallo und herzlich willkommen, Herr Mosbacher!
Mario Mosbacher: Ja, hallo!
Banse: Ihre Schule in Donaueschingen, Ihr Gymnasium, das kooperiert zusammen mit zwei anderen Schulen mit einer Softwarefirma, die VR-Anwendungen für den Unterricht entwickelt, also Virtual Reality, virtuelle Realitätsanwendungen, wo Kinder eben diese bekannten Brillen aufsetzen müssen und dann in eine dreidimensionale Welt eintauchen, in der sie virtuelle Dinge greifen und auch bewegen können und sich da selber auch bewegen können. Wie muss man sich das, diese VR-Anwendung, in Ihrem Unterricht vorstellen?
Mosbacher: Ich mache Ihnen ein Beispiel aus Chemie. Da müssen sie behandeln, wie Kunststoffe entstehen. Das macht man klassischerweise mit einer Reaktionsgleichung auf der Tafel, das macht man mit Baukästen, wo man Moleküle steckt oder mit Arbeitsblättern und vielleicht auch mit einem Schülerexperiment. Mit VR kann ich mich in diese Reaktion stellen, die Moleküle fliegen an mir vorbei, die sind größer als ich, ich kann die nehmen, greifen, vorwärts, rückwärts die Reaktion ablaufen lassen, und ich bin tatsächlich in dieser Reaktion live dabei. Und dieser zusätzliche Kanal vertieft dann das Wissen, das die anderen Kanäle haben. Er ersetzt es nicht, aber er vertieft es entscheidend.
"Dieses Lernen wird im Gehirn in anderen Bereichen abgespeichert"
Banse: Was macht denn das besser als ein Lehrbuch aus Papier oder ein traditioneller Lehrfilm? Was ist da anders?
Mosbacher: Wir haben eine Begleitforschung, eine didaktische Begleitforschung mitlaufen, zusammen mit der PH-Karlsruhe. Und dort rausgefunden, dieses Lernen, wenn ich dabei bin, wird im Gehirn in anderen Bereichen abgespeichert, nämlich unter erlebt und nicht unter gelernt. Und deshalb ist es leichter abrufbar, wie Dinge, die ich wirklich auch erlebt habe. Der Mensch ist ein 3-D-Augentier, und deshalb funktioniert es, und gleichzeitig macht es Spaß, und auch dieser Spaß befördert das Lernen.
Banse: Jetzt ist es ja so, die Kooperation sieht so aus, dass diese Firma diese Anwendungen programmiert, aber Ihre Schüler oder ein Teil Ihrer Schüler, die eben auch ausprobieren und entwickeln, wie entwickeln die diese Software mit? Wie funktioniert das?
Mosbacher: Wir fangen sogar ganz am Anfang bei den Schülern und den Lehrern an. Das heißt, die Themen, die dort in der Software vorkommen, die sind nicht vorgegeben von außen, sondern entstehen aus dem Unterricht. Aus dem, was die Schüler sagen, das sie brauchen, was die Lehrer sagen, das sie brauchen. Wir fangen im Prozess also von unten an.
Banse: Also was sind Themen, wo ihr euch vorstellen könntet, dass VR helfen könnte.
Mosbacher: Genau. Zum Beispiel jetzt die Chemie, oder ich brauche ein Magnetfeld. Das kann ich sonst nicht sehen, ich bräuchte es mal in 3-D, Schülerwunsch. Und dann wird das programmiert, und dann gibt es eine Software, wir testen die auf Bugs, auf den Unterrichtseinsatz. Und in diesem Dialog auf Augenhöhe zwischen Firma, Schule, und innerhalb der Schule auch zwischen Lehrern und Schülern, entsteht dann diese gemeinsame digitale Lernumgebung.
"Schülerwissen ist manchmal mehr als meines in diesem Bereich"
Banse: Jetzt ist diese VR-Technik mit ziemlich viel Technik verbunden. Man braucht starke Rechner. Diese Brillen werden finanziert von der Schule, von dem Softwareunternehmen und von Sponsoren. Wie hat denn dieses Projekt das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern verändert?
Mosbacher: Die Schüler werden als Experten mit ernstgenommen, das heißt, sie sind auf Augenhöhe mit den Lehrern, bringen ihr Wissen, was in dem Bereich manchmal auch mehr ist als meins zum Beispiel, ein. Und trotzdem hat die Rolle des Lehrers nicht verloren, weil wir Projekte besser steuern können und so gemeinsam gleichberechtigt an dem Projekt arbeiten.
Banse: Vielen Dank, Mario Mosbacher, für’s Kommen! Das war es von der "Zeit"-Bildungskonferenz hier in Berlin und damit zurück nach Köln!
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