Es bebt etwa alle zwei Minuten im Nordosten von Island. Bis zu einer Stärke von 5,7 auf der Richterskala - so verzeichneten die Geologen bislang. Die Erschütterungen folgen einer klaren Linie: Vom Vulkan Bárðarbunga inzwischen 40 Kilometer Richtung Norden. Es ist das Magma, das sich unter der Erde seinen Weg bahnt und sich quasi permanent durch Erdbeben bemerkbar macht.
Krisenzentrum in der Hauptstadt Reykjavík
Die Tür zum nationalen Krisenzentrum in der Hauptstadt Reykjavík ist gleich doppelt und mit einer Schleuse gesichert. Auf engem Raum verfolgen hier der Zivilschutz, der Such- und Rettungsdienst Björgunassveit und der Wetterdienst die Lage im rund 250 Kilometer entfernten Gletschergebiet sehr genau. Rund um die Uhr sitzen ein Dutzend Einsatzkräfte vor großen Bildschirmen, Livekameras und großen Plänen. Sie werten die Daten aus, die quasi per Standleitung aus dem Gebiet kommen.
Mindestens einmal täglich wird die aktuelle Lage besprochen, Szenarien durchgegangen und die Vorsichtsmaßnahmen gegebenenfalls angepasst, sagt der Leiter des Krisenzentrums, Viðir Reynisson:
"Wir sind in einer Alarmsituation, die Umstände ändern sich ständig und wir verfolgen die Lage am Vulkan sehr genau. Es gibt momentan drei Szenarien, die wahrscheinlich sind und wir hoffen, dass das Magma unter der Erde bleibt, der Magmagang zum Stoppen kommt und es überhaupt nicht zu einem Ausbruch kommt oder wenn, dann nur einen Lavastrom verursacht."
Alles ist möglich: vom besten bis zum ungünstigsten Fall
Der wäre dann das kleinste Übel, sollte es zu einem Ausbruch kommen. Das Magma unter der Erde ist inzwischen so weiter geflossen, dass das äußere Ende nicht mehr unter dem Gletscher liegt. Das lässt die Einsatzkräfte am Nachmittag hoffen. Denn ein Ausbruch unter dem Gletscher würde bedeuten, dass es zu einer Gletscherschmelze kommt. Das wäre das dritte Szenario und hieße: Überflutungen. Straßen, Brücken, einige Bauernhöfe und Tiere wären gefährdet. Dies begleitet von Eruptionen und einer Aschewolke wäre der ungünstigste Fall.
Das beliebte Wandergebiet rund um den Gletscher ist vorsorglich bereits vollständig evakuiert. Die Menschen, die im weiteren Umkreis leben, müssen ihre Handys eingeschaltet lassen - damit sie im Notfall erreichbar sind. Magnús Tumi Guðmundsson, Direktor des geophysischen Instituts der Universität Island, erläutert, was derzeit unterirdisch vor sich geht:
"Es hat sich seit mehr als einer Woche hoher Aktivität ein 40 Kilometer langer Magmagang entlang der Erdkruste gebildet mit einem Viertel Kubikkilometer Volumen."
Ungewiss, ob das Magma an die Oberfläche kommt
Unter Island driften die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatten auseinander. Da mindestens 100, wahrscheinlich eher 200 Jahre an dieser Stelle keine Aktivität war, sind große Hohlräume entstanden, in die das Magma nun fließen kann. Ob es unterirdisch bleibt oder seinen Weg an die Oberfläche findet, lasse sich nicht vorhersagen, betont Magnús Tumi Guðmundsson.
"Man muss auch damit rechnen, dass es zu einer Eruption kommen kann und wenn diese mit entsprechend großer Wucht kommt, dann hat das schwerwiegende Folgen für die Menschen dort und die Tiere und dann kann das Auswirkungen auf den Flugverkehr haben. Und wir können nicht sagen, inwieweit das mit Eyjafjallajökull vergleichbar sein wird."
"Für uns ist das Mist"
In der Hauptstadt Reykjavík ist von den Beben nichts zu spüren. Die Menschen genießen den isländischen Spätsommer bei angenehmen 18 Grad und Sonne. Studenten kommen gerade aus der Handelsschule und gehen zur Bushaltestelle. Statistisch gesehen erleben Isländer alle fünf Jahre einen Vulkanausbruch, inwieweit berührt sie das, was im Nordosten passiert?
"Für uns ist das Mist, wir haben mit der Schule eine Abschlussfahrt nach Italien geplant und wir wissen jetzt nicht. Ob wir wegkommen bzw. ob wir dann auch wieder zurückkommen."
"Das hat für uns ja bisher keine Auswirkung hier in Reykjavík. Solange es nicht zum Ausbruch kommt. Und wir wissen ja nicht, ob und wann etwas passiert, ob morgen oder nächste Woche und wenn, welche Folgen es für uns haben könnte."
Am späten Abend berichtet der isländische öffentlich-rechtliche Rundfunksender RÚV darüber, dass bei einem wissenschaftlichen Kontrollflug einen sechs Kilometer langer Riss im Gletscher entdeckt wurde. Zwei Tage zuvor hatte es den noch nicht gegeben.
Noch ist der Pegel der Flüsse normal, aber es kann sich jeden Moment ändern. Im Krisenzentrum ist sofort die nächste Sitzung einberufen. Für den Zivilschutzchef Víðir Reynisson wird es wohl eine lange Nacht werden.