Über Wochen erschütterten Erdbeben den Osten der großen Hawaii-Insel. Die meisten Bebenherde lagen mehr als 40 Kilometer vom Gipfel des Kilauea entfernt, und dazwischen verformte sich über Dutzende Kilometer hinweg die Erdkruste: Aus der Tiefe stieg Magma auf, das sich im Untergrund ausbreitete. Dann rissen Erdspalten auf, Lavafontänen schossen in den Himmel. Der 35 Jahre andauernde Ausbruch des Kilauea war in eine neue Phase getreten.
"Diese letzte Phase des Ausbruchs begann damit, dass sich im Untergrund Magma ausbreitete und dabei entlang von Schwächezonen sogenannte Gänge bildete. Wir haben uns nun angeschaut, warum diese Magmagänge in das Gestein eindringen konnten und glauben, dass starke Regenfälle diesen Prozess erleichtert haben."
In den drei Monaten zuvor waren auf Hawaii die höchsten Niederschlagsmengen der vergangenen 50 Jahre niedergeprasselt, beschreibt Falk Amelung von der Universität Miami. Genauer: 2250 Liter Wasser pro Quadratmeter – normal seien um die 900, erklärt der Geophysiker:
"Das Regenwasser drang tief in den Untergrund ein und schwächte so den Zusammenhalt des Gesteins, das dadurch leichter brach. Dieser Effekt kann bei der Entstehung von Erdbeben eine Rolle spielen, das ist schon seit langem bekannt."
Heftige Regenfälle verursachten heftigen Ausbruch des Kilauea
Dieser Effekt sei für die Beben in Gebieten verantwortlich, in denen Erdöl durch Fracking gewonnen wird. Beim Kilauea soll einsickerndes Regenwasser den Porendruck im Gestein soweit erhöht haben, dass das Magma leichter eindringen und sich im Untergrund ausbreiten konnte. Starke Niederschläge, so die Hypothese der Geophysiker, sollen also das Verhalten des Vulkans ändern.
"Damit das funktioniert muss wirklich über Monate hinweg starker Regen fallen. Erst dann baut sich der Effekt im Untergrund auf. Eine ganz andere Frage ist, ob die Lava dann schließlich an Spalten ausfließt, so wie bei dem Finale des 35jährigen Ausbruchs 2018."
Als nächstes haben sich Geophysiker die Ausbrüche seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1790 angeschaut. Das Ergebnis: Rund 60 Prozent aller Eruptionen ereigneten sich während der Regenzeit. Ein Hinweis, dass an ihrer Idee etwas dran sein könnte und dass sie es wert ist, weiter untersucht zu werden, urteilt Falk Amelung. Und er ist gespannt, wie seine Kollegen sie aufnehmen werden. Michael Manga von der University of California in Berkeley ist jedenfalls eher skeptisch.
Wasser verstärkt die Risse im porösen vulkanischen Gestein
"Ich bin sehr viel skeptischer als die Autoren, Im Prinzip ist es eine interessante Idee. Aber die Frage ist, wie wichtig dieser Prozess ist. Die Druckveränderungen im Gestein, um die es hier geht, sind wirklich winzig. Sie sind kleiner als die, die in ihnen der Mond durch seine Gezeitenkräfte verursacht. Wenn der Mond das Verhalten des Vulkans nicht beeinflusse, warum sollte es dann starker Regen tun?"
Michael Manga ist der Ansicht, dass der Regen einen Ausbruch höchstens um einen oder zwei Tage "vorziehen" kann. Falk Amelung beurteilt den Effekt anders, sieht stärkere Auswirkungen:
"Wenn wir ein System haben, in dem sich ein so hoher Druck aufgebaut hat, dass ein Ausbruch bevorsteht, dann kann eine längere Regenperiode den Ausbruch auslösen. Und am Kilauea geht dies besonders gut, weil das Gestein, das ihn aufbaut, sehr porenreich ist und das Wasser deshalb gut eindringen kann."
Man müsse nun bei anderen, ähnlich aufgebauten Vulkanen nachschauen, ob sich diese Effekte dort nachvollziehen lassen. Eine geologische Debatte jedenfalls ist eröffnet.