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Vulkanausbruch 44 v. Chr.
Der Ätna sorgte für Hungersnöte von Ägypten bis China

Vor 2063 Jahren verzeichneten die Geschichtsschreiber des Römischen Reiches einen besonders heftigen Ausbruch des Ätna. Die Aschewolke des Vulkans auf Sizilien, der bis heute aktiv ist, sorgte damals für einen globalen Winter, wie Historiker und Geowissenschaftler nun gemeinsam herausgefunden haben.

Von Dagmar Röhrlich |
Lava fließt am 13. August 2014 vom Vulkan Ätna auf der Insel Sizilien nahe der Stadt Catania. Der Vulkan ist einer der weltweit aktivsten.
Einer der weltweit aktivsten Vulkane: Am 13. August 2014 strömt Lava die Hänge des Ätna herab (AFP / TIZIANA FABI)
Wenn es um Fallstudien zu den Folgen abrupter Klimawechsel geht, sind explosive Vulkanausbrüche das Mittel der Wahl: Binnen Wochen und Monaten greifen sie tief in das System Erde ein, denn sie senken für Jahre die globalen Temperaturen und verändern Niederschlagsmuster. Und diese Veränderungen haben durchaus Auswirkungen in die menschliche Gesellschaft hinein. So, wie bei einem Ausbruch des Ätna vor 2063 Jahren, den die Historikerin Morgan King jetzt genauer untersucht hat: "Wir interessieren uns für die Jahre 44 bis 42 v. Chr. Sie fallen in eine entscheidende Phase der römischen Geschichte – den Übergang zwischen Republik und Imperium."
Morgan King vom College of St. Benedict an der St. John's University arbeitet in einem interdisziplinären Projekt mit Geowissenschaftlern zusammen: "Es geht um einen hundertjährigen Prozess mit mehreren Bürgerkriegen. Und mitten in diesen Übergang im Jahr 44 v. Chr., fällt die Ermordung Cäsars mit einem Ätna-Ausbruch zusammen."
Am Tag nach dem Vulkanausbruch wurde Cäsar ermordet
Augenzeugenberichten zufolge ereignete sich der Ausbruch am Tag vor der Ermordung Cäsars im Jahr 44 v. Chr. – und sofort danach beginnen Berichte über Klimaeffekte: "Die Römer erzählen davon, dass der Himmel dunkel blieb und die Sonne nicht zu sehen war. Das passt zu einem explosiven Vulkanausbruch. Cäsers Erbe, Octavian, der spätere Augustus, eilte nach Rom. Und als er ankam, war die Sonne von Halos umgeben."
Beides schien den Menschen Zeichen der Götter zu sein, die über den Mord erzürnt und über den Erben erfreut waren. Diese Sicht teilen die Forscher verständlicherweise nicht, sondern verweisen auf den Ätna. Um zu sehen, wie stark dieser Ausbruch wirklich war, haben die Forscher Baumringe, Höhlenablagerungen und grönländische Eisbohrkerne untersucht. Letztere zeigen, dass der Ausbruch zu den drei größten in der historischen Überlieferung zählt, erklärt Rafael Castro von der University of California in Berkeley: "Der Ausbruch setzte Schwefelaerosole frei, die sich wie ein Schleier in der Atmosphäre verteilten. Sie dämpften das Sonnenlicht und verursachten den Halo, die Nebensonnen, von denen berichtet wird."
Im Gefolge der Eruption kühlte sich die Erde merklich ab
Baumringe und Höhlenablagerungen legen nahe, dass die globale Temperatur damals um etwa zwei Grad Celsius abgestürzt ist, und dass die größten Veränderungen in Europa auftraten. Und während dieser Kälteperiode gibt es Berichte über Ernteausfälle und Hungersnöte in Italien, Ägypten, Indien und China, sagt Rafael Castro.
"Offensichtlich gibt es keine Satellitendaten aus dem Jahr 44 v. Chr., aber wir haben unsere Informationen in ein modernes Klimamodell eingespeist und das Geschehen während der ersten Tage und Wochen nach dem Ausbruch rekonstruiert. Dieses Bild überprüften wir dann mit unseren Auswertungen aus den Klimaarchiven und den historischen und archäologischen Daten."
Und die Übereinstimmung ist überraschend gut. Die stärksten Effekte ergaben sich im Modell – wie in der Realität auch – in den mittleren Breiten weit über Europa hinaus. Der Ausbruch des Ätna vor 2063 Jahren hat Hunger und Not rund um den Globus gebracht.