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Explosion vor Tonga
Vulkanologe: "Es muss wirklich Weltuntergangsstimmung gewesen sein"

Neueste Daten deuteten darauf hin, dass die Eruption des Vulkans bei Tonga bis zu 31 Kilometer in die Höhe ging, sagte der Vulkanologe Thomas Walter im Dlf. Es fehlten aber noch Messdaten. Daher könne man auch nicht sagen, welche Auswirkungen der Ausbruch für die Menschen vor Ort hatte. 

Thomas Walter im Gespräch mit Kathrin Kühn |
Eine Aschewolke und Vulkanische Gase steigen nach dem Ausbruch eines unterseeischen Vulkans im Inselreich Tonga auf.
Ein unterseeischer Vulkanausbruch erschüttert weite Teile im Südpazifik. (New Zealand High Commission/ZUMA Press Wire Service/dpa)
Noch seien die Informationen von vor Ort sehr sporadisch, sagte der Vulkanologe Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ). Die ersten Aufnahmen zeigten, dass die Eruptionswolken in wenigen Minuten auf mehrere Kilometer gestiegen ist. Dort, wo die Wolke dann hingezogen ist, sei das Sonnenlicht sehr stark eingetrübt worden. "Es wird am Tage dunkel wie in der Nacht, und es ist keine Sichtbarkeit mehr vorhanden. Das muss wirklich Weltuntergangsstimmung gewesen sein", sagte Walter.
Die Region des Ausbruchs gehört nach Angaben von Thomas Walter zum pazifischen Feuerring. "Das ist eine Aneinanderreihung von zahlreichen, eigentlich den meisten aktiven, explosiven Vulkanen auf der Welt."

Möglicherweise "größte Eruption der letzten Dekaden"

Die Explosionshöhe könnte laut dem Vulkanologen tatsächlich historisch sein. Neueste Daten deuteten darauf hin, dass es 31 Kilometer in die Höhe ging. "Und damit wäre es tatsächlich eine der größten Eruptionen der letzten Dekaden." Auch sei die Zahl der Blitze beachtenswert gewesen. Insgesamt 400.000 Blitze davon habe man in den ersten 12 Stunden an dem Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai vermessen. "Und das zeigt welche Dynamik der Ausbruch hatte."

Das Interview im Wortlaut
Thomas Walter: Der Ausbruch ereignete sich in einer sehr entlegenen Gegend, die auch nicht wirklich Gegenstand von intensiven Überwachungen ist vor Ort, und zeigt uns auch, dass insbesondere verborgene Vulkane doch dramatische Eruptionen auslösen können. Die Eruptionshöhe war ja bis über 30 Kilometer, zeigen neueste Daten.
Kühn: Was ist da denn genau passiert, dass das ein solches Ausmaß haben konnte, und warum genau da?
Walter: Die Region gehört zu dem pazifischen Feuerring, das ist eine Aneinanderreihung von zahlreichen, eigentlich den meisten aktiven, explosiven Vulkanen auf der Welt. Wir kennen dort 450 aktive Vulkane, die zum Teil eben schlafen, das heißt in einem temporären Ruhezustand sind, zum Teil ausbrechen. Dort in der Region ist es eine sogenannte Subduktionszone, das heißt die pazifische Platte taucht ab und erzeugt eben diesen Vulkanismus an dieser Nahtstelle.
Kühn: In den Diskussionen im Internet und in den sozialen Medien wird jetzt teilweise schon vermutet, dass es ein Ausbruch war, den es in der Form nur alle 1.000 Jahre gibt. Ist das so?
Walter: Das ist im Moment noch schwer zu sagen, wie groß der Ausbruch tatsächlich war, und zwar haben wir hier das Wechselspiel zwischen Magma und Wasser. Wasser entfaltet eben eine sehr große Sprengkraft, wenn es auf hohe Temperaturen erhitzt wird, Sie können sich vorstellen, ein Liter Wasser, wenn es überführt wird zu Wasserdampf, haben wir eine fast tausendfache Volumenvergrößerung. Das hat hier sicherlich eine große Rolle gespielt. Die Eruptionshöhe hier hat wahrscheinlich deutlich über 20 Kilometer betragen, neueste Daten deuten darauf hin, dass es bis 31 Kilometer Höhe ging, damit wäre es tatsächlich eine der größten Eruptionen der letzten Dekaden. Aber wie gesagt, um zu bewerten, wie stark der Ausbruch tatsächlich war, muss man noch abwarten, weil da gehen noch andere Messdaten mit ein, nicht nur die Höhe, sondern auch das Volumen, die Dauer der Eruption und anderes.

"Über 400.000 Blitze in den zwölf Stunden"

Kühn: Das war ja auch sehr spektakulär, was sich da an Spannung entladen hat, also Tausende, wenn nicht Hunderttausende an Blitzen. Haben Sie da schon Zahlen oder Hinweise?
Walter: Die Blitzbeobachtung bei Vulkanen ist ein ganz wichtiges Element, das können wir eben weltweit inzwischen mit sehr hoher Genauigkeit und Verlässlichkeit machen. Es gibt global einen Blitzmonitor, wo verschiedene Daten eben auch zusammengetragen werden. Da hat man tatsächlich über 400.000 Blitze in den zwölf Stunden vermessen an dem Vulkan. Das zeigt schon, welche Dynamik der Ausbruch hatte.
Kühn: Wenn wir uns das hier quasi aus der Vogelperspektive angeschaut haben, war das schon sehr, sehr eindrucksvoll. Wie muss das für die Menschen – mit Blick eben auch auf diese Entladungen – vor Ort gewesen sein, apokalyptisch ja fast.
Walter: Also die ersten Informationen wurden auch über die sozialen Medien eben geteilt und zeigten Aufnahmen, auch Videoaufnahmen von Schiffen aus. Die zeigten, dass innerhalb von wenigen Minuten die Eruptionswolken auf mehrere Kilometer, vielleicht zehn bis zwölf Kilometer Höhe gestiegen sind. Blitze zeigten sich da noch nicht, allerdings sehen wir, dass zu diesem Zeitpunkt schon in den ersten Minuten auch die ersten Blitze entstanden sind. Das sieht man hauptsächlich aus Satellitendaten. Dort, wo die Wolke hin verfrachtet ist, ist sicherlich das Sonnenlicht sehr stark eingetrübt worden, es wird am Tage dunkel wie in der Nacht und es ist meistens keine Sichtbarkeit mehr vorhanden. Das muss wirklich Weltuntergangsstimmung gewesen sein.

"Datenlage noch sehr dünn"

Kühn: Der Vulkan hatte sich ja schon im Dezember geregt, dann war Ruhe. Und plötzlich, so war jetzt mein Eindruck, kam dann der große Knall. War das so?
Walter: Die genauen Vorläufe sind sehr schwer einzuschätzen, einfach deswegen, weil es kein gut funktionierendes lokales Überwachungssystem gab. Grundsätzlich deuten sich größere Vulkanausbrüche schon an, einfach deswegen, weil Magma im Untergrund sich ansammelt, der Vulkanismus, den wir an der Oberfläche sehen, ist letztendlich das Endstadium einer langen Kette von Ereignissen. Somit kündigen sich derartig große Eruptionen normalerweise an. In dem Fall hier ist die Datenlage noch sehr dünn, muss man sagen, und wir versuchen noch, bessere Informationen zu bekommen, auch von den Nachbarinseln. Aber im Moment kann man noch nicht wirklich sagen, wie starke Vorzeichen es gab oder auch nur, ob die Bevölkerung wirklich rechtzeitig gewarnt wurde.
Kühn: Was ist denn die Frage, die für Sie im Moment am wichtigsten ist, wo Sie direkt schnell Antworten hätten?
Walter: Ausgelöst wurde eben hier bei dem Ausbruch auch ein Tsunami. Grundsätzlich bei Tsunamis von Vulkanen, die durch Explosionen erzeugt werden, sind die Wellenhöhen relativ gering, einfach weil das Punktquellen sind und somit sehr schnell sich verlieren. In dem Fall sind auch noch vor Japan beträchtliche Wellenhöhen gemessen worden. Das ist jetzt eine der großen Fragen, was letztendlich zu diesem Tsunami geführt hat. Ich kann derzeit nur spekulieren, ich vermute, dass es weniger mit der Explosion selber, sondern eher mit Bodenbewegungen zusammenhängt. Aber da sind sicherlich zukünftige Studien noch notwendig, die das erhärten oder eben auch eine andere Lösung vorschlagen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.