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Vulkane, Mulden, flüchtige Stoffe

Merkur, der kleinste aller Planeten, gehört zwar zu den nächsten Nachbarn der Erde im Sonnensystem. Dennoch ist er bis heute weitgehend unerforscht. Aufgrund seiner Sonnennähe ist er für Raumsonden nur schwer zu erreichen. Seit März kreist die NASA-Sonde Messenger um Merkur - und in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science" befassen sich gleich sieben Artikel mit überraschenden Entdeckungen auf dem Planeten.

Von Dirk Lorenzen |
    Messenger ist das englische Wort für Bote - ein passender Name für eine Mission zum Götterboten Merkur. Die Botschaften dieser Raumsonde bringen die Fachleute zum Schwärmen.

    "Schon die Daten der ersten paar Monate haben unser Wissen über den Vulkanismus auf Merkur revolutioniert. Wir haben riesige vulkanische Ebenen entdeckt, die nur wenige Krater aufweisen und daher recht jung sein müssen. Sie bedecken mehr als sechs Prozent der Oberfläche des Planeten. Die Lavaschicht ist offenbar sehr mächtig, bis zu zwei Kilometer dick."

    James Head ist Planetenwissenschaftler an der Brown University im US-Bundesstaat Rhode Island. Bisher war unklar, ob Merkur überhaupt vulkanisch aktive Phasen hatte. Nun staunen die Forscher über Lavaflächen, die fast so groß sind wie Europa. Allerdings scheint der Vulkanismus auf Merkur ganz anders abzulaufen als auf der Erde.

    "Wir haben keine einzelnen Vulkane gefunden, ähnlich denen in Hawaii oder auf dem Planeten Mars. Offenbar ist die Lava auf Merkur aus langen geraden Öffnungen hervorgequollen, die oft viele Kilometer lang waren. Die Lava hat das Gelände überflutet und schließlich auch die Spalten begraben, aus denen sie ausgetreten ist."

    An manchen Stellen haben extrem heiße Lavaströme ganze Berge weggerissen und breite Täler in die Landschaft geschnitten. Was bisher gar nicht oder nur unscharf zu erkennen war, zeigt sich dank der Messenger-Daten in unglaublicher Detailfülle. Helle Flecken, die an vielen Stellen auf der Merkur-Oberfläche auftreten und auf den ersten Blick an Schimmelbefall auf Brotscheiben erinnern, sind flache, unregelmäßig geformte Mulden, erklärt David Blewett von der Johns Hopkins Universität in Maryland.

    "Die Mulden sehen sehr frisch aus und es gibt in ihnen noch keine Einschlagskrater. Sie müssen also recht jung sein. Eine genaue Analyse der Anzahl der Mulden und wie schnell sie wachsen könnten führt zu der aufregenden Erkenntnis, dass vielleicht noch heute neue Mulden entstehen."

    Die Forscher vermuten, dass flüchtiges Material aus dem Gestein austritt und die Oberfläche absackt. Merkur, einst als heiße, langweilige Welt verschrien, erweist sich plötzlich als überraschend aktiv. Für Patrick Peplowski von der Johns Hopkins Universität bedeuten die flüchtigen Stoffe wie Kalium und Schwefel, die andere Messenger-Instrumente im Gestein nachgewiesen haben, ein großes Rätsel.

    "Dieser Befund widerspricht den meisten Theorien zur Merkurentstehung. Merkur hat verglichen mit der Erde einen ungewöhnlich großen Eisenkern. Nach gängiger Theorie war Merkur einst fast dreimal so groß, hat dann aber seine leichteren äußeren Schichten verloren: Entweder, weil die Sonne das leichte Material verdampft hat oder weil es bei einem großen Einschlag weg geschleudert wurde. Nach beiden Theorien war Merkur einige Zeit extrem heiß. Dann müssten auch die flüchtigen Stoffe verschwunden sein, was aber nicht zu den Messenger-Daten passt."

    Offenbar ist Merkur aus einem etwas anderen Materialmix entstanden als Venus, Erde und Mars - ein Befund, der sogar beim Erforschen von Planetensystemen bei anderen Sternen eine große Rolle spielen könnte. Die Astronomen haben für diese besondere Entwicklung Merkurs noch keine Erklärung. Aber sie hoffen, dass die Messenger-Sonde, die noch mindestens bis Mitte 2012 im Einsatz bleibt, ihnen bald mit weiteren Daten auf die Sprünge hilft.