Mario Vuskovic, Fußball-Profi beim Hamburger SV, ist wegen Epo-Dopings für vier Jahre gesperrt worden. Das hat der internationale Sportgerichtshof CAS Ende August entschieden, der die Sperre sogar von ursprünglich zwei Jahren auf vier Jahre angehoben hat. Gegen dieses Urteil hat Vuskovic vor dem Schweizer Bundesgericht Einspruch eingelegt.
"Die Richter des CAS haben zwar betont, dass sie keine Naturwissenschaftler sind, aber das hat sie nicht daran gehindert, sich als solche zu gebärden", sagte Thomas Kistner, Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, im Deutschlandfunk. Das Juristen-Trio schwingt sich plötzlich zu Labor-Experten auf, schmettert Fachleute aus Chemie, Blut- und Krebsforschung ab und analysiert einfach mal selber die Vuskovic-Analyse", sagte er. "Dort versuchen drei Hobby-Chemiker zu verbergen, dass sie nur als verlängerter Arm der WADA-Experten (Welt-Anti-Doping-Agentur, Anm. d. Red) fungieren. Dass sie deren apodiktisches Urteil also einfach vollstrecken."
Urteil "unantastbar wie ein Urteil der heiligen Inquisition"
Der CAS habe laut Kistner also einfach bestätigt, "was ein winziger, nur acht Köpfe umfassender Epo-Expertenkreis der WADA selbst entwickelt, analysiert, interpretiert und gegengecheckt hat, und jetzt der Sportjustiz als intern abgesicherte letzte Wahrheit auf den Weg gibt. Das ist so unantastbar wie ein Urteil der heiligen Inquisition. Denn offensichtlich gibt es auf diesem Planeten nur die acht WADA-Leute, die die Bilder richtig lesen können."
Dass das Schwiezer Bundesgericht nun eine Berufung zulasse, könne deswegen bedeuten, "dass man dort nicht restlos glücklich ist über die am CAS gepflegte Überwindung der Gewaltenteilung", sagte Kistner.
"Keine Chance auf Waffengleichheit"
Vuskovic ist gleichzeitig auch vor dem Bundesgericht des DFB in Berufung gegangen. Dort müsste das Verfahrung aus Basis von bislang nicht bekannten Fakten fortgeführt werden. "Was damals eben nicht bekannt war, ist eben die faktische Missachtung der Gewaltenteilung. Dazu gehört auch, dass der Athlet im konkreten Fall gar keine Chance hat, auf Augenhöhe gegen seine Ankläger vorzugehen. Das regelt das WADA-Reglement sogar explizit. Da heißt es, ein Labor darf Athleten oder ihren Vertretern keinerlei Expertenwissen bereitstellen. Das klingt verdächtig danach, dass Prozessgegner grundsätzlich jede Chance auf Waffengleichheit verwehrt werden soll."
Deshalb habe das Bundesgericht nun auch in den Raum gestellt, "dass die vom CAS abgesegnete Nebeldeuterei eines hermetisch geschlossenen Personenkreises für eine richterliche Überzeugungsbildung grundsätzlich ungeeignet sei, wenn diese Nebeldeuterei einer echten Überprüfung durch Dritte entzogen wird."
"Unwohlsein unter Naturwissenschaftlern"
Der Fall Vuskovic sorge deshalb auch generell auf eine neue Sicht in der Epo-Analyse, sagte Kistner. "Man merkt. wie groß das Unwohlsein unter Naturwissenschaftlern ist, die ihr Metier ja als lebendigen Bereich erleben, in dem ständig weitergeforscht, korrigiert und optimiert wird und deshalb per se keine absoluten Gewissheiten akzeptabel sind."
Der Fall rücke nun auch wieder den CAS selber in den Fokus, so Kistner. "Da gibt es ja nicht nur sehr gutes Geld zu verdienen, sondern da gibt es ebenfalls einen überschaubaren Kreis von Schiedsrichtern in Dopingfällen, die sich immer wieder die Klinke in die Hand geben. Im Fall Vuskovic war einer der drei Richter jemand, der gleichzeitig die Berufungskommission der italienischen NADA leitet. Also sowohl WADA als auch CAS werden vom organisierten Sport dominiert und da darf man sich nicht wundern, wenn solche Urteile zustande kommen."
WADA "führt keine ergebnisoffene Jagd auf Leistungsbetrüger"
Dieses System sei deshalb eine Gefahr für den Weltsport, "weil dieses System eigentlich das Gegenteil von dem tut, was eigentlich tun sollte. Die WADA führt, so sieht es aus, keine objektive, rein wissenschaftliche und damit ergebnisoffene Jagd auf Leistungsbetrüger mehr durch. Im Gegenteil. Mit ihrem skanadlösen Wegducken in der russischen Staatsdoping-Affäre und der naiven Umgangsweise mit dem massiven Doping-Phänomen rund um Dutzende chinesische Athleten, hat sie bleibende Kritik auf sich gezogen", sagte Kistner.
Die WADA dürfe sich deshalb nun keine Fehler mehr erlauben. "Es würde den Sport definitiv in eine große Vertrauenskrise stürzen. Und das in einer Zeit, in der sich der olympische Sport, aber auch der Profifußball nach neuen Finanzmodellen umschauen muss. Den klassischen Geldgebern geht gerade überall die Puste aus. Und wenn in dieser Situation auch noch die oberste Rechtsinstanz, der CAS, fragwürdige Urteile fällt, die am Grundsatz der Gewaltenteilung rühren, dann wird eine Gefahr für den Weltsport erkennbar, die nicht von unten und schon gar nicht von den Athleten kommt, sondern von ganz oben. Also von denen, die sich gern als Hüter des Sports bezeichnen."