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VW-Abgasskandal
Ausbleibende Gewerbesteuern belasten Kommunen

Für Städte und Kommunen mit VW-Standorten zeichnen sich drastische Einbußen bei den Gewerbesteuereinnahmen ab. Darum steigen nun vielerorts die Kosten bei der Kinderbetreuung, fürs Parken oder für öffentliche Bäder. Der Rotstift wird auch vor der städtischen Verwaltung nicht Halt machen, genauso wenig wie vor der Kulturförderung.

Von Alexander Budde | 29.08.2016
    Licht- und Wasserspiele vor dunkelblauem Nachthimmel und zwei beleuchteten Hochhäusern in der Autostadt Wolfsburg
    Noch sprudeln die Wasserspiele in der Autostadt Wolfsburg, doch der Einbruch von 80 Prozent bei den Gewerbesteuern wird auch hier Konsequenzen haben. (dpa-Report / Autostadt)
    Immerhin, die Produktion in den VW-Werken läuft nach Beilegung des Zulieferstreits von VW mit zwei sächsischen Partnerfirmen wieder normal. Wie hier im Wolfsburger Stammwerk sind die Bänder mit der Frühschicht wieder angelaufen. Automobile von VW werden gebaut und sind auch weiterhin gefragt: Bei seinem Besuch der Autofabrik vor einigen Wochen war Niedersachsens MP und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) sichtlich bemüht, den Blick nach vorn zu richten: "Sowas ist eine große Herausforderung. Und gleichzeitig ist das ein Unternehmen mit einer ungeheuren Kompetenz, sehr viel Engagement, auch einer starken wirtschaftlichen Substanz. Und deswegen bin ich unter dem Strich zuversichtlich."
    2015 verbuchte Volkswagen mit 1,6 Milliarden Euro den bisher größten Verlust. 2014 hatte noch ein Gewinn von knapp elf Milliarden Euro in den Büchern gestanden. Inzwischen ist klar: Der Abgasskandal und seine kaum kalkulierbaren Folgen trifft Mitarbeiter, Aktionäre und Partnerfirmen – vor allem aber die Städte und Gemeinden mit VW-Standorten, die bislang so große Nutznießer dieser Partnerschaften waren. Als es noch gut lief für VW, sprudelten die Gewerbesteuer-Einnahmen – nun gilt es zum Teil drastische Einbußen zu verkraften.
    Wolfsburg: Einbruch von 80 Prozent bei Netto-Gewerbesteuern
    Bei ihrer bundesweiten Umfrage sprach die Deutsche Presse-Agentur mit Kämmerern und Stadtoberen rund um die 28 VW-Werke, die allein hierzulande einzelne Komponenten oder ganze Automobile für den Weltkonzern fertigen. Die Liste der Zumutungen, mit der sich die Bürger konfrontiert sehen, ist lang: höhere Kosten bei der Kinderbetreuung, fürs Parken, für das Vergnügen in öffentlichen Bädern und für die Hundehaltung. In der städtischen Verwaltung werden Personalstellen gestrichen, Einschnitte gibt es vielerorts auch in der Kulturförderung.
    So kürzt Emden laut dpa etwa beim Aufwand für die Reinigung von Schulgebäuden und für die Straßenbeleuchtung. Bis 2019 gilt es dort 19 Millionen Euro einzusparen. Weissach verdreifacht die Gebühren für Beisetzungen in der Urne. Chemnitz rechnet mit zehn Millionen Euro weniger Gewerbesteuern, auch in Ingolstadt kalkuliert die Kämmerei mit einem drastischen Fehlbetrag – und will deshalb ihr immerhin 300 Millionen Euro umfassendes Finanzpolster angreifen.
    Noch rinnen die Wasserspiele in Wolfsburg. Doch Konsequenzen sind auch hier, in der Herzkammer des Konzerns, schon gezogen. VW sponsert Kultur, Forschung, Bildung. Rockstars, Schauspieler und Tanzkompanien kamen, weil der Konzern zahlte. Die Stadt verbuchte 2015 einen Einbruch von 80 Prozent bei den Netto-Gewerbesteuereinzahlungen. Der konkrete Anteil von VW an den Steuerausfällen ließ sich vorerst nicht enthüllen, denn es gilt das Steuergeheimnis.
    Eine Hypothek, die nicht so schnell zu tilgen ist
    Doch im Rathaus an der Porschestraße wird der Gürtel schon enger geschnallt: Oberbürgermeister Klaus Mohrs von der SPD hat einen Einstellungsstopp und eine Haushaltssperre erlassen. Wolfsburg muss das Sparen lernen. Wie das gehen soll, ist das heiße Thema im laufenden Kommunalwahlkampf. Die Stimmung schwankt zwischen banger Sorge und Zuversicht:
    "Erst mal, glaube ich, dass heillose Panik auftritt. Und dann müssen sie wieder neu anfangen zu denken, einen Sparkurs zu fahren."
    "Also ich mach mir jetzt keine großen Sorgen, dass VW jetzt keine Autos mehr verkauft."
    Fest steht: Der Dieselskandal und seine milliardenschwere Bewältigung sind eine Hypothek, die nicht so schnell zu tilgen ist. Und die Rechnung werden vor allem jene begleichen, die nicht für den Betrug verantwortlich sind.