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VW-Abgasskandal
"Bei uns wird um jeden einzelnen Fall gestritten"

Angesichts milliardenschwerer Entschädigungszahlungen von Volkswagen in den USA werden Forderungen nach einem Ausgleich auch in Deutschland lauter. Mittlerweile gebe es Fälle, in denen Kunden auch vor hiesigen Gerichten das Recht erstritten hätten, ihre Fahrzeuge zurückzugeben, sagte der Rechtsanwalt Ralph Sauer im DLF. Doch in den USA sei es sehr viel einfacher.

Ralph Sauer im Gespräch mit Georg Ehring |
    Volkswagen steht vor einer Einigung mit den US-Behörden
    Volkswagen hat einem Vergleich mit Kunden und Behörden in den USA zugestimmt. (dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Georg Ehring: Fahrer von Dieselautos hierzulande schauen neidvoll in die Vereinigten Staaten von Amerika. Der VW-Konzern entschädigt Kunden, denen eine nicht ordnungsgemäße Abgasreinigung untergejubelt wurde. Insgesamt bis zu 15 Milliarden Dollar muss das Unternehmen hierfür zurücklegen.
    In Deutschland soll es keine solchen Entschädigungen geben. Jedenfalls geht der Konzern bisher davon aus. Ralph Sauer ist Rechtsanwalt aus Lahr und wie viele andere Anwälte vertritt er Kunden, die sich damit nicht zufrieden geben wollen. Guten Tag, Herr Sauer!
    Ralph Sauer: Guten Tag!
    Ehring: Herr Sauer, wie stehen denn die Chancen auf eine Entschädigung bei uns in Deutschland?
    Sauer: Nun, das kann man noch nicht ganz sicher sagen. Momentan entscheiden sich die Gerichte in ersten Entscheidungen. Zunehmend kommen jetzt aber auch Entscheidungen zu Tage, die tatsächlich den Kunden auch das Recht geben, die Fahrzeuge zurückzugeben und den Kaufpreis zurückerstattet zu bekommen.
    "Es geht nicht um Schadensersatz, sondern um die Rückabwicklung"
    Ehring: Mit welchem Argument? Das Schadensersatzrecht ist bei uns ja nicht so weitgehend wie in den USA.
    Sauer: Nun, es geht hier in den Fällen auch nicht um Schadensersatz, sondern es geht um die Rückabwicklung. Das heißt, diese Kunden haben dann den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und können somit das Fahrzeug zurückgeben. Die Begründung liegt darin, dass sie sagen, der Fahrzeugmangel ist erheblich, die Pflichtverletzung aufgrund des Mangels ist erheblich und deswegen kann das Fahrzeug auch zurückgegeben werden, weil auch in einer gewissen Frist keine Nachbesserung möglich war.
    Ehring: Gegen wen müssen Kunden denn dann klagen? Gegen den Händler oder gegen den Hersteller?
    Sauer: Es gibt zwei Möglichkeiten, beziehungsweise man kann es auch zusammenfassen. Grundsätzlich ist der VW-Verkäufer, also der Händler der zunächst einmal in Frage kommende Gegner, weil der eben der Vertragspartner ist und es sich hier um vertragliche Ansprüche handelt. Man kann aber auch - und das machen wir dann kombiniert - VW mit verklagen, weil VW aufgrund der Manipulation eine Täuschungshandlung vorgeworfen werden kann, und diese führt dann zu deliktischen Ansprüchen.
    Ehring: Warum meint denn die Gegenseite, in Deutschland nicht zahlen zu müssen?
    Sauer: Nun, VW stellt sich mittlerweile auf den Standpunkt in den Klagen, wenn man die Klageerwiderungen betrachtet, dass nicht einmal ein Mangel vorliegt, ja es läge nicht einmal eine unzulässige Abschaltevorrichtung vor. Das muss man wahrscheinlich vor dem Hintergrund sehen, dass es eine BGH-Rechtsprechung aus dem Jahre 2012 gibt, in der klar gemacht wird, dass, wenn der Verkäufer den Mangel als solchen nicht anerkennt und dennoch eine Nachbesserung anbietet, sich keine neue Sachmangel-Gewährleistungsfrist daran anschließt. Das bedeutet, wenn jetzt jemand nachbessern lässt, tatsächlich die Nachbesserung aber zu Folgeschäden, zu Folgemängeln führt, dann hat er keinen neuen Nachbesserungsanspruch, wenn das dann in zwei Jahren von heute dann entsprechend zu Mängeln führt.
    "In Amerika geht der Prozess relativ schnell vonstatten"
    Ehring: Welche Voraussetzungen muss ich denn haben, um Erfolgsaussichten zu haben, wenn ich jetzt ein Auto einer der betroffenen Konzernmarken habe und mir überlege zu klagen?
    Sauer: Ja nun, wenn Sie ein Fahrzeug haben, das diesen betroffenen Motor hat, dann müssen Sie im Grunde genommen den Mangel anmelden beim Verkäufer. Sie müssen VW anschreiben und sagen, Sie hätten gern Schadensersatz. Viel mehr müssen Sie eigentlich nicht machen. Sie müssen es dann gerichtlich durchsetzen.
    Ehring: Zahlt denn die Rechtsschutzversicherung?
    Sauer: Ja das ist tatsächlich auch ein Problem. Viele Rechtsschutzversicherungen bezahlen Rückabwicklungen oder auch Neulieferungsklagen. Viele andere wie zum Beispiel ARAG, ÖRAG, neuerdings auch die HUK tun sich damit schwer und haben für Rückabwicklungen von Neulieferungen, zumindest was unsere Kanzlei angeht und auch viele andere, von denen wir hören, bisher keine Deckung erteilt.
    Ehring: Ist denn insgesamt das Verbraucherrecht in den USA besser als bei uns? Den Eindruck kann man ja jetzt bekommen.
    Sauer: Ja, das ist auch besser. Das sieht man eindeutig. In Amerika geht der Prozess doch relativ schnell vonstatten. Mittlerweile hat man eine Lösung: Die Leute bekommen bis zu 10.000 Euro beziehungsweise können das Fahrzeug zurückgeben. Und bei uns wird um jeden einzelnen Fall gestritten. In Amerika bekommen alle, auch die, die nichts gemacht haben, die nicht vor Gericht gegangen sind, entsprechend eine Kompensation, und das ist ein besseres Verbraucherschutzrecht als das deutsche.
    Ehring: Ralph Sauer war das, Rechtsanwalt aus Lahr, zum Thema VW und die Aussichten auf Schadensersatz. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.