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VW-Affäre
Sorge um portugiesisches Werk

Das VW-Werk Autoeuropa in Portugal gilt im Land als Vorbild bei Ausbildung, Produktionstechnik und Arbeitnehmervereinbarungen. 700 Millionen Euro wollte der Konzern in den nächsten Jahren in den Standort investieren. Doch der Abgas-Skandal könnte sich auch hier bemerkbar machen. 3.600 Menschen fürchten um ihre Jobs.

Von Tilo Wagner |
    Schild "VW Autoeuropa" an einer grauen Wand eines Fabrikgebäudes.
    Das VW-Werk Autoeuropa in Palmela nahe Lissabon gilt als Vorbild für die portugiesische Wirtschaft. (dpa/picture alliance/Ralf Hirschberger)
    Juni 2014. Bundespräsident Joachim Gauck sitzt bei seinem Staatsbesuch in Portugal mit einer Handvoll junger portugiesischer Auszubildender zusammen und spricht über die Vorteile des deutschen Berufsausbildungsmodells.
    "Und eben war ich drüben in der Volkswagenfertigung bei Euro-Auto oder Auto-Euro oder wie es heißt - Autoeuropa - und habe dort auch die Beschäftigten getroffen und nicht nur die Chefs und das ist mir einfach wichtig, dass ich gerade in einem Land, wo es so viele arbeitslose Jugendliche gibt, dass ich mich informieren lasse über die Chancen, die es trotz dieser schwierigen Situation gibt."
    Das größte Einzelinvestment in Portugal
    Kurz zuvor war Gauck mit dem portugiesischen Staatspräsidenten durch die Fertigungshalle des VW-Werks Autoeuropa gelaufen und hatte vom damaligen VW-Produktionsvorstand erfahren, dass der Wolfsburger Konzern weitere 700 Millionen Euro in die Modernisierung des Standorts Portugal investieren wolle. Gauck war binnen weniger Jahre bereits der zweite deutsche Bundespräsident, der das VW-Werk in Palmela, südlich von Lissabon, besucht hat. Gerade während der Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise haben sich deutsche Staats- und Regierungsvertreter bemüht, die Erfolge der Wirtschaftsbeziehungen mit Portugal hervorzuheben. Und dass die Wahl dabei auf das VW-Werk Autoeuropa gefallen ist, sei kein Zufall gewesen, sagt der Geschäftsführer der Deutsch-Portugiesischen Industrie- und Handelskammer in Lissabon, Hans-Joachim Böhmer:
    "Das Investment von Volkswagen in diesem Werk ist das größte Einzelinvestment in Portugal gewesen. Und zusammen mit den Zulieferern, wovon ein Teil in direkter Nachbarschaft des Werks angesiedelt ist, ist der Standort Palmela sehr wichtig. Autoeuropa ist so groß und so bekannt, dass viele auf dieses Beispiel deutschen Investments im Lande schauen und auch in dem Thema Ausbildung. Insofern, es wird immer wieder gerne als gutes Beispiel präsentiert bei Staatsbesuchen."
    Joachim Gauck steht vor zwei Reihen von Autos an einem Mikrofon und spricht.
    Beliebtes Ausflugsziel bei Staatsbesuchen: Bundespräsident Joachim Gauck besuchte das VW-Werk Autoeuropa in Portugal 2014. (dpa/picture alliance/LUSA/Mario Cruz)
    Mit großer Sorge verfolgt man nun in Portugal die Krise des größten deutschen Automobilkonzerns. Denn die Konsequenzen, die eine mögliche Werksschließung von Autoeuropa nach sich ziehen könnten, wären unkalkulierbar: Neben den 3.600 direkten Arbeitsplätzen wäre auch die Existenz Dutzender portugiesischer Zulieferer-Unternehmen in Gefahr. Über 100.000 Fahrzeuge rollen jährlich vom Band, die überwiegend für den Export bestimmt sind. Das VW-Werk in Palmela ist verantwortlich für 1,1 Prozent des portugiesischen Bruttosozialproduktes und ist das zweitgrößte Exportunternehmen in Portugal. Der Wirtschaftsprofessor João Duque weist zudem auf die Modellfunktion des Werkes hin:
    "Das Werk hat in der portugiesischen Industrieentwicklung eine Vorbildfunktion eingenommen: Bei der Ausbildung, bei der Produktionstechnik und schließlich hinsichtlich der internen Arbeitsvereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die auf friedliche Art und Weise Konflikte und Streitpunkte gelöst haben."
    Skandal drohte auch den Wahlkampf zu überschatten
    Aus dem VW-Werk in Palmela hat es bisher keine offizielle Stellungnahme zu den möglichen Konsequenzen der Krise im Wolfsburger Mutterkonzern gegeben. Doch die portugiesische Regierung reagierte nervös. Der VW-Skandal drohte auch den Wahlkampf der Mitte-rechts-Koalition zu überschatten, die den wirtschaftlichen Aufschwung Portugals in den Mittelpunkt ihrer Kampagne gestellt hatte. Wirtschaftsminister António Pires de Lima erklärte vor zwei Wochen, dass das VW-Werk in Palmela die Schummel-Software nicht in die Wagen eingebaut hätte. Nun hat der Besitzer eines in Portugal gebauten Fahrzeuges im Internet die Bestätigung dafür erhalten, dass sein Wagen betroffen sei. Der VW-Vertriebshändler in Portugal spricht mittlerweile von mehreren in Portugal montierten Modellen, die die Software zur Manipulation der Abgaswerte verwenden würden.
    Welche Auswirkungen die Krise des VW-Konzerns auf Autoeuropa in Portugal haben könnte, lässt sich zurzeit noch nicht absehen. Portugiesische Medien weisen aber darauf hin, dass die Investitionen von 700 Millionen Euro zur Modernisierung des Werks, die in Anwesenheit von Bundespräsident Gauck vor über einem Jahr verkündet worden waren, doch nicht vollständig nach Portugal fließen könnten.