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VW-Dieselskandal
Sorgen und Zuversicht in Emden

Zwei Jahre ist es her, dass die Abgasmanipulationen von VW und Audi in den USA aufflogen. Mit wohl bis zu 30 Milliarden Euro Kosten der größte Schadensfall der europäischen Wirtschaftsgeschichte. Wie geht es den VW-Mitarbeitern und den VW-Standorten? Eine Bestandsaufnahme in Emden.

Von Alexander Budde |
    Eine Mitarbeiterin betankt am 09.09.2014 in der Produktion des Passat im Volkswagen Werk in Emden (Niedersachsen) einen Wagen.
    Emden bringt sich als möglichen Standort für Batterieproduktion ins Gespräch (dpa/picture alliance/Nigel Treblin)
    Eine Produktionshalle im VW-Werk Emden. Im Hintergrund bewegen sich Roboter im immer gleichen Takt, vorn auf dem Fließband ziehen halbfertige Karosserien vorbei. Rund 30.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte arbeiten in der "Autostadt am Meer", fast jeder dritte direkt bei oder mittelbar für Volkswagen. An den 18. September 2015 erinnert sich Oberbürgermeister Bernd Bornemann von der SPD als wäre es gestern gewesen: "Als die ersten Meldungen kamen, habe ich sofort gedacht: Um Gottes Willen, was hat das für Auswirkungen auf uns, auf die Region?"
    Zwei Jahre sind vergangen, seit die Abgasmanipulationen von VW und Audi in den USA aufflogen. Mit bis zu 30 Milliarden Euro muss der Konzern rechnen, um den größten Schadensfall der europäischen Wirtschaftsgeschichte zu bewältigen. Zu hohe Kosten, zu viele Mitarbeiter: Bei der Kennmarke um Golf und Passat ist der Zwang zur Veränderung nun besonders groß. Zwar soll es etwa im Bereich der Software-Entwicklung Zuwachs geben. In der Summe aber will VW sich verschlanken. Am Ende dürften wohl bis zu 14.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland verloren gehen.
    Wie schult man Mitarbeiter um?
    "Die Situation der Beschäftigten ist ja auch extrem gewesen: Wir reden jetzt noch über kollektive freie Tage, wir haben Kurzarbeit gehabt. Insofern ist diese Welle der Emotion immer noch da – und der Betrieb wird ja gleichzeitig auch umgebaut."
    Wenn Betriebsrat Peter Jacobs an die Mobilität der Zukunft denkt, kommen ihm lauter Dinge in den Sinn, auf die wohl bald immer mehr verzichtet wird. Da wären zum Beispiel Verbrennungsmotor und Getriebetechnik. Die Branche steht vor dem größten Wandel seit Erfindung des Automobils. Neue Fertigkeiten sind gefragt: Wie schult man Mitarbeiter im Umgang mit Elektromotoren und Bauteilen, die unter Spannung stehen? Darüber denkt Betriebsrat Jacobs gerade nach: "E-Mobilität ist auch nicht ungefährlich. Da kann man nicht mal einmal anfassen und sagen, man hat eine Erkenntnis für das Leben!"
    Es wird zwischen Management und Betriebsrat gestritten um den Zukunftspakt, um Stellenabbau und um die Frage, wo die Elektroautos und ihre wertschöpfenden Anteile wie Batterie und Antriebstechnik entstehen sollen. Eine Chance, die Facharbeit im Lande zu halten, sieht Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies im Wiedereinstieg in die heimische Batteriezellenfertigung.
    CO2-freie Energie für Batterieproduktion in Emden
    "Die Vorstellung, die man heute entwickelt, in Osteuropa mit alten Braunkohlekraftwerken Batterien herzustellen, und damit mehr CO2 zu verbrauchen als man eigentlich in den nächsten Zweihunderttausend Kilometern einsparen kann, macht ja überhaupt keinen Sinn! Hier im Norden hätten wir die Möglichkeit mit einem hohen Maß an erneuerbaren Energien völlig CO2-frei diese Batterien auch herzustellen".
    Dieselgate und die Folgen: Oberbürgermeister Bornemann dringt auf schonungslose Aufklärung, die Verantwortlichen müssten gefunden und bestraft werden, fordert er. Denn die Rechnung dürfen vor allem jene begleichen, die nicht für den Betrug verantwortlich sind. Der Rotstift machte vor der städtischen Verwaltung nicht Halt, genauso wenig wie vor der Kulturförderung. Doch da ist auch Zuversicht bei Oberbürgermeister Bernd Bornemann:
    "Das Volkswagen-Werk hat enorme Investitionen auf den Weg gebracht, mit einem neuen Logistikzentrum, mit einer neuen Produktionshalle - und wird auch den Wechsel zur E-Mobilität hinbekommen. Wir haben die Windparks vor Ort hier in der See für dann grünen Strom und grüne Produktion."
    In der "Autostadt am Meer" glauben viele fest daran und hoffen darauf, dass sich Volkswagen, dass sich auch ihr windumtoster Standort mit neuen Produkten und Geschäftsmodellen noch einmal neu erfinden kann.