Im Oktober des letzten Jahres lobte Matthias Müller bei seinem Antrittsbesuch als neuer Vorstandsvorsitzender im Wolfsburger Stammwerk noch ausdrücklich die gesamte Mannschaft:
"Dass ich sehr froh bin, dass der VW-Konzern in diesen Zeiten so zusammenrückt. Wir sind fest davon überzeugt, dass dieses Unternehmen in absehbarer Zeit noch erfolgreicher sein wird als in der Vergangenheit."
Solche stolzen Worte kommen Müller schon lange nicht mehr über die Lippen. Es zeichnet sich ab, dass der Dieselbetrug und die Folgen VW zig Milliarden Euro kosten werden. Niemand will aber ausbaden, was die Dieselmanipulierer den weltweit 600.000 VW-Mitarbeitern, den Kunden, Anlegern und Zulieferern eingebrockt haben. Schon seit Monaten warnt auch Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh:
"Als Betriebsrat werden wir darauf achten, dass diese Krise.... wir gehen davon aus, dass der Bonus des Vorstands im Zweifel genauso fällt, wie der Bonus der Belegschaft."
Streit bei der Kernmarke
Der Ton hat sich in den letzten Wochen weiter verschärft. Seitdem bekannt geworden ist, dass die Aktionäre nicht auf eine Dividende - und einzelne Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht auf Bonuszahlungen verzichten wollen. Ausgerechnet der frühere Finanzvorstand und erst frisch gekürte Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch erwartet, dass ihm VW zehn Millionen Euro auszahlt, weil er vom lukrativeren Vorstandsposten in den Aufsichtsrat wechselte. Den Beschäftigten ist so etwas schwer vermittelbar. Ihnen wurde bereits angekündigt, dass statt einer Bonuszahlung allenfalls eine wesentlich niedrigere Anerkennungsprämie ausgezahlt wird, außerdem rund 1.000 Leiharbeitsverträge nicht verlängert werden und rund 3.000 Arbeitsplätze in der Verwaltung gestrichen.
Streit gibt es auch bei der Kernmarke VW: Herbert Diess wechselte im letzten Sommer von BMW auf den Markenchefsessel und sorgt mit wechselnden Sparplänen für Unruhe in der Belegschaft. Gestern nun reichte es den Betriebsräten. In einem offenen Brief fordern sie von der VW-Führung - Zitat: "Eine zentrale Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Marke und konkrete Standortvereinbarungen für alle deutschen Volkswagenwerke. […] Wir wollen einen verbindlichen Zukunftspakt." Die Forderungen wurden heute von IG-Metallchef Jörg Hofmann bekräftigt, der ebenfalls im VW Aufsichtsrat sitzt.
Schlüsselrolle für Osterloh
Der Zeitpunkt dieser Kampfansage kann dabei nicht überraschen, denn abgesehen von den anstehenden Tarifverhandlungen geht es für VW richtig zur Sache: Die brisanten Geschäftszahlen für 2015 werden vorgelegt, außerdem die Ergebnisse der internen Ermittlungen und eine Einigung von VW mit den Justiz- und Umweltbehörden in den USA muss erzielt werden.
Dann wird absehbar, wie viel VW-Kuchen überhaupt verteilt werden kann - beziehungsweise wie hart die Sparmaßnahmen ausfallen müssen. Um ein Stück für sich zu sichern, melden alle Stakeholder nun nochmal ihr Interesse an - und signalisieren sicherheitshalber auch gleich ihre Kampfbereitschaft. Für den Kampf um die Arbeitsplätze und den Betriebsfrieden kommt Gesamtbetriebsratschef Osterloh dabei eine Schlüsselrolle zu: Der gebürtige Braunschweiger kam mit Anfang 20 als VW-Arbeiter nach Wolfsburg und stieg 2005 zum Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates auf. Seit 2005 ist er zugleich auch selbst Aufsichtsrats- und Präsidiumsmitglied.