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VW-Konzern
Fatale Informationspolitik im Abgasskandal

Die Informationspolitik des VW-Konzerns stößt auf heftige Kritik bei der Bundesregierung. Zwar gelobt VW, die Halter zu informieren, sobald die technischen Details des angeordneten Rückrufs der betroffenen Autos geklärt sind. Doch erst nach amtlicher Aufforderung erklärte sich der Konzern bereit, zeitnah ein Beratungszentrum für die geprellten Kunden einzurichten.

Von Alexander Budde | 05.11.2015
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
    Betroffen sind nach einer vorläufigen Einschätzung des Konzerns weltweit 800.000 Fahrzeuge - zusätzlich zu den 11 Millionen Dieselautos mit manipulierter Motorsteuerung, von denen bislang schon die Rede ist. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand )
    Mit ihren Enthüllungen setzt die US-Umweltbehörde EPA den Wolfsburger Autobauer unter Druck. Womöglich ist VW mit dem jüngsten Eingeständnis von "Unregelmäßigkeiten" beim Ausstoß des Klimaschädlings Kohlendioxid den Prüfern aus Amerika nur zuvorgekommen. Denn die messen Schadstoffe auch unter realistischen Bedingungen - und drohen bei Verfehlungen mit empfindlichen Strafen.
    Anfang der Woche gab VW bekannt, den Behörden bei der Zulassung einiger Modelle zu niedrige Angaben zu Verbrauchswerten gemeldet zu haben - und damit auch zur tatsächlichen CO2-Belastung, denn die steigt mit dem Spritverbrauch.
    Betroffen sind nach einer vorläufigen Einschätzung des Konzerns weltweit 800.000 Fahrzeuge - zusätzlich zu den elf Millionen Dieselautos mit manipulierter Motorsteuerung, von denen bislang schon die Rede ist. Auch der jüngste Skandal dreht sich hauptsächlich um Dieselmodelle der Kernmarke VW sowie der Konzerntöchter Audi, Skoda und Seat. Delikat: Betroffen sind erstmals auch rund 100.000 Benziner - sowie Fahrzeuge unter dem Markenzeichen "Blue Motion", die VW als die sparsamsten Modelle ihrer Klasse bewirbt. Nähere Erläuterungen zu den Hintergründen blieben die Wolfsburger zunächst schuldig.
    Elf Millionen Dieselautos mit manipulierter Motorsteuerung
    Nach dem geltenden Regelwerk haben betroffenen Fahrzeughalter erst bei einer Abweichung von 10 Prozent und mehr vom Normwert einen Anspruch auf Schadenersatz. Das Problem: Der Nachweis muss auf dem Prüfstand geführt werden - die realitätsfernen Laborbedingungen dort werden von ADAC, Verbraucherschutz- und Umweltverbänden seit Jahren kritisiert, weil sie zum großen Schummeln der Autobauer geradezu einladen. Experten wie Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe e.V. monieren Abweichungen bis zu 40 Prozent im Durchschnitt - doch hierzulande sind Nachkontrollen in der Praxis nicht vorgesehen:
    "Die Typengenehmigung ist eben mit falschen Werten erschlichen worden! Und das ist eigentlich ein Grund, eine Betriebserlaubnis zu entziehen. Auf jeden Fall kommen auf die Halter geänderte Kraftfahrzeugsteuern zu, denn die werden seit einigen Jahren zumindest zur Hälfte eben nach dem CO2-Ausstoß berechnet."
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht VW in der Pflicht:
    "Das gilt auch rückwirkend - und deswegen sind wir schon in Abstimmung mit dem Finanzministerium und arbeiten an einer Gesetzgebung, dass nicht der Kunde durch diese Mehrkosten bei der Kfz-Steuer belastet wird, sondern der Volkswagen-Konzern!"
    Bereits am Montag hatte die EPA neue, schwere Vorwürfe gegen den Volkswagen-Konzern erhoben. Auch Sechszylinder-Motoren von VW, Audi und Porsche, darunter Neuwagen, bliesen bei Abgastests bis zu neunmal mehr Stickoxide in die Luft als gesetzlich erlaubt. VW soll also auch in der Oberklasse weiter betrogen, nicht sämtliche Fakten wie angekündigt offenbart haben.
    Anders als bei den kleineren Dieselmotoren älterer Baureihen bestreitet der Konzern diesmal jedoch, eine unerlaubte Technik zur Prüfstandserkennung installiert zu haben. Vorerst steht Aussage gegen Aussage.
    Die Bundesregierung lobt zwar den Aufklärungswillen bei Europas größtem Autobauer - die Informationspolitik des Konzerns stößt jedoch auf heftige Kritik. VW gelobt, die Halter zu informieren, sobald die technischen Details des für Anfang kommenden Jahres angeordneten Rückrufs der zweieinhalb Millionen allein in Deutschland betroffenen Dieselautos geklärt sind. Doch erst nach amtlicher Aufforderung erklärte sich der Konzern bereit, zeitnah ein Beratungszentrum für die geprellten Kunden einzurichten.