"Die wirtschaftlichen Risiken werden in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro beziffert", teilte der Konzern am Dienstagabend mit - und ließ bei dieser Rechnung noch die möglichen finanziellen Belastungen aus dem bisherigen Verlauf der Affäre außen vor, für die bereits 6,7 Milliarden Euro zurückgestellt wurden. Zudem sei ein Benzinmotor mit Zylinderabschaltung betroffen - damit ist erstmals ein Benziner Teil der Affäre. Allerdings handele es sich um eine geringe Stückzahl unter den 800.000 Fahrzeugen, sagte ein VW-Sprecher. Wie deutlich der gemessene CO2-Ausstoß über den angegebenen Werten liegt, legte der Konzern zunächst nicht offen. Die Aktie brach am Dax zu Handelsbeginn um mehr als elf Prozent unter die Marke von 100 Euro.
Oliver Krischer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, beklagte, "dass es überhaupt keine staatlichen Kontrollen gibt bei dem Thema Abgase. Man lässt die Automobilindustrie sich selber prüfen. Das ist meines Erachtens die tiefere Wurzel des Übels." Das habe dazu geführt, dass die Automobil-Industrie "in diese Betrügereien" gelaufen sei, sagte Krischer im Deutschlandfunk.
VW verspricht "schonungslose Aufklärung"
In dem neuen Fall geht es um den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) - und damit um den Spritverbrauch. Im Rahmen der derzeit laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren ist laut VW aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden. Betroffen seien ganz überwiegend Fahrzeuge mit Dieselmotoren. Es gehe um Autos der Typen Polo, Golf und Passat, sagte ein VW-Sprecher auf Anfrage. Bei der VW-Tochter Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia und bei Seat um den Leon und den Ibiza.
VW-Chef Matthias Müller versprach erneut eine "schonungslose" Aufklärung. "Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative." Der Aufsichtsrat reagierte in einer Mitteilung "mit Betroffenheit und Sorge" auf die neue Dimension. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird sich die Aufsichtsratsspitze spätestens an diesem Sonntag treffen, der komplette Aufsichtsrat dann am Montag.
USA verlangen weitere Informationen von VW
Bisher ging es in der Abgasaffäre um Stickoxid (NOX). Im September hatte das Unternehmen eingestanden, bei Abgastests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel-Motoren manipuliert zu haben. Die Software schaltet in Testsituationen in einen Sparmodus. Nach Angaben des Konzerns sind von diesen Manipulationen welweit rund elf Millionen Diesel-Fahrzeuge betroffen.
Erst am Montag war bekanntgeworden, dass die amerikanische Umweltbehörde EPA ihre Untersuchungen in der Abgasaffäre ausweitet. Nach Angaben der US-Behörde wurden auch in bestimmten Diesel-Modellen der Marken VW, Audi und Porsche der Modelljahrgänge 2014 bis 2016 Drei-Liter-Dieselmotoren verbaut, die die erlaubten EPA-Grenzwerte bis zu neunmal übertreffen. Die Verwendung einer entsprechenden Software bestritt VW. Das Energie- und Handelskomitee des Repräsentantenhauses in Washington forderte am Dienstag weitere Informationen von VW-US-Chef Michael Horn an. Die Abgeordneten schickten einen Brief an Horn, in dem sie um zusätzliche Details und Dokumente zu Abschalteinrichtungen baten. Porsche stoppte als freiwillige Maßnahme den Verkauf von Dieselmodellen des Geländewagens Cayenne in Nordamerika vorläufig.
(nch/stfr)