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VW-Skandal
Ingenieurskunst mit besonderer Energie

Dieter Westerkamp vom Verein Deutscher Ingenieure vermutet, dass VW mit den Tricksereien an der Steuerungssoftware für seine Motoren versucht hat, einen Vorsprung im Markt zu erreichen oder Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Das sei zwar nicht erlaubt, aber wahrscheinlich sei VW darauf angewiesen gewesen, sagte Westerkamp im DLF.

Dieter Westerkamp im Gespräch mit Ursula Mense |
    Ein kaputter grüner VW als Symbol für den Abgas-Skandal bei Volkswagen
    VDI-Ingenieur Westerkamp spricht von "gewisse Energie", die man für die VW-Abgasmanipulation mitbringen müsse. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Ursula Mense: Weltweit sind es elf Millionen Autos von VW, die mit der offenbar intelligenten Software ausgestattet wurden. Ein Betrug im sehr großen Stil aus wirtschaftlichen Motiven und ein Trick, der gesundheitliche Schäden für Menschen kalt mit einkalkuliert. Wer denkt sich so eine Software aus und wie funktioniert sie eigentlich? Das wollte ich von einem Fachmann wissen. Gefragt habe ich vor der Sendung Dieter Westerkamp, Leiter der Abteilung Technik und Wissenschaft beim Verein Deutscher Ingenieure.
    Dieter Westerkamp: So ein Motor ist ein sehr komplexes Produkt heute. Der Motor hat, damit er so läuft, wie er laufen soll, eine Steuerung, und diese Steuerung braucht eine Software, damit die Steuerung den Motor so steuert, wie es am Ende erforderlich ist. Diese Software, die schreibt man, und danach läuft dann die Steuerung und sorgt dafür, dass der Motor vernünftig arbeitet. Jetzt ist die Frage, welche Eigenschaft hat diese Software? Die Software hat die Eigenschaft, die man ihr mitgibt, und hier scheint es so zu sein, dass die Software auch erkannt hat, ob so ein Fahrzeug gerade im normalen Betrieb ist, oder auf einem Prüfstand steht. Abhängig davon gibt es dann unterschiedliche Eigenschaften, die die Software dann nutzt.
    Mense: Das heißt, die Software versetzt das Auto in die Lage, selbst zu entscheiden, ob es auf dem Prüfstand ist oder nicht, und dann handelt es entsprechend?
    Westerkamp: Genau. Dann stellt es sich darauf ein.
    Mense: Was tut es denn dann?
    Westerkamp: Es stellt fest zum Beispiel, dass ein gewisser Zyklus gefahren wird. International sind die Zyklen festgelegt, nach denen dann die entsprechenden Messungen gemacht werden, und diese Zyklen kann man feststellen oder die Software stellt das von selbst fest, und dann kann die Software dem Motor sagen, okay, jetzt fahr mal bitte mit einer entsprechenden anderen Leistung, und dann ist vielleicht der Verbrauch geringer und auch die Abgaswerte sind dann andere. Das kann die Software abhängig von dem Status, den das Auto hat, so einstellen.
    Mense: Da gibt es natürlich Gründe, warum man das macht. Meistens sind es wirtschaftliche, wie auch in diesem Fall wahrscheinlich.
    Westerkamp: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Wahrscheinlich hat man einfach versucht, die Fahrzeuge mit diesem Motor auf entsprechenden Märkten einzuführen, und war dann darauf angewiesen, dass man solche, ich nenne sie gerne mal, Tricks jetzt anwendet. Das ist sicherlich nicht erlaubt und sicherlich nicht im Sinne des Erfinders, aber diese Tricks scheinen hier Anwendung gefunden zu haben.
    Man muss auf die Idee einer Manipulation kommen
    Mense: Das heißt, wenn das Auto mehr Sprit verbraucht, ist es natürlich spritziger und schneller, und all das wollte man natürlich, weil das ein Verkaufsargument ist, und im Testmodus kann es ruhig ein bisschen lahmer sein, was man aber als Prüfer natürlich auch hätte merken können, oder?
    Westerkamp: Ja das ist die Frage, ob man das merkt. Normalerweise misst man ja so ein Fahrzeug auf dem Prüfstand durch, und alleine die Idee zu haben, das Fahrzeug könne sich im Normalbetrieb anders verhalten als auf dem Prüfstand, diese Idee hätte ich jetzt auch nicht gehabt. Da muss man schon eine gewisse Energie mitbringen, um solche Ideen zu haben.
    Mense: Sie meinen eine kriminelle Energie?
    Westerkamp: Kriminell würde ich es vielleicht nicht nennen, aber da war man natürlich schon ziemlich unterwegs. - Hier hat man wohl einfach dieses Mittel genommen und wahrscheinlich waren die Unterschiede dann so krass, dass man dann dieser Sache auf die Schliche gekommen ist.
    Mense: Herr Westerkamp, erklärt das auch, dass im Normalbetrieb dann so ein Auto gar keinen Alarm abgibt, weil es entsprechend programmiert ist und denkt, das ist ja der Normalzustand eigentlich?
    Westerkamp: Absolut. Man wollte sicherlich nicht, dass diese Weiche in der Software öffentlich bekannt ist. Das hat der Fahrer bestimmt nie gemerkt und er hat es auch nicht gewusst. Das ist ganz klar.
    Mense: Ist das Ganze denn eigentlich sehr kompliziert, oder kann das jeder so halbwegs begabte Ingenieur?
    Westerkamp: Da muss man schon die Software im Detail kennen. Da kann man sich nicht mal eben mit einem Rechner reinhacken und diese Sache ändern. Das geht nicht. Da muss man schon echt vom Fach sein.
    Mense: Das heißt, ich mache so etwas dann auch nicht nur für ein paar Hunderttausend Autos. Insofern wundert es Sie jetzt wahrscheinlich nicht, dass es inzwischen schon elf Millionen sind, die bei VW betroffen sind?
    Westerkamp: Normalerweise gibt es für einen Typ Motor einen Typ Steuerung und dann auch einen Typ Software. Von daher muss eigentlich die Software für jeden Motor dieser Typreihe gleich sein und von daher ist dann die Software auch wahrscheinlich überall gleich und dann mit dieser Entscheidung, bin ich auf dem Prüfstand oder nicht.
    Mense: Es gibt nun ja auch Autos, die die Abgasnorm erfüllen, trotzdem aber auch schnell beschleunigen können. Ist es teurer, solche Autos herzustellen? Anders gefragt: Hat sich VW möglicherweise durch diesen Trick auch noch andere, zusätzliche Vorteile verschafft?
    Westerkamp: Ja das kann man nur vermuten. Das weiß ich nicht. Aber wenn man solche Tricks natürlich anwendet, dann tut man das, um vielleicht einen Vorsprung im Markt zu haben, oder um vielleicht auch Wettbewerbsnachteile dadurch auszugleichen. Aber das kann ich nur vermuten, aber das liegt quasi auf der Hand.
    Mense: Dieter Westerkamp von Verein Deutscher Ingenieure war das. Vielen Dank!
    Westerkamp: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.