Unter Berufung auf eine interne Überprüfung teilte Volkswagen am späten Freitagabend mit, dass unterschiedliche Fahrzeugmodelle aus mehreren Baujahren betroffen seien. So etwa der Golf der sechsten Generation, der Passat der siebten Generation und die erste Generation des Tiguan. Nähere Angaben machte das Unternehmen nicht.
"Wir arbeiten mit Hochdruck an einer technischen Lösung, die wir so rasch wie möglich dem Handel, unseren Kunden und der Öffentlichkeit präsentieren werden", sagte VW-Markenchef Herbert Diess.
Unabhängig von den genannten Modellen älterer Bauart seien aber alle VW-Neuwagen, die über die europaweit gültige Euro-6-Norm verfügen, nicht von den Manipulationen betroffen. Dazu gehörten unter anderem die aktuellen Modelle des Golf, Passat und Touran.
Neuer VW-Chef verspricht "schonungslose Aufklärung"
Kurz zuvor hatte der Aufsichtsrat Matthias Müller zum neuen VW-Vorstandsvorsitzenden bestimmt. Er soll nun die Abgas-Affäre bei Europas größtem Autobauer in den Griff bekommen. In einer mehr als siebenstündigen Sitzung am Stammsitz in Wolfsburg wählte das 20-köpfige Gremium den 62-Jährigen Müller zum Nachfolger von Martin Winterkorn. Der langjährige VW-Chef war am Mittwoch infolge des weltweiten Abgas-Skandals zurückgetreten.
Vordringlichste Aufgabe des Konzerns sei es jetzt, Vertrauen zurückzugewinnen, erklärte der bisherige Porsche-Chef Müller nach seiner Berufung an die VW-Spitze. Dabei werde er auf eine maximale Transparenz setzen. Müller kündigte an, die strengsten Verhaltens- und Führungsregeln der gesamten Branche zu entwickeln und umzusetzen.
Huber: "Ein moralisches und politisches Desaster"
Auf Müller wartet eine titanische Herausforderung, beziehungsweise eine "nie dagewesene Aufgabe", wie er es nennt. Der bekennende PS- und Auto-Narr muss nun schnell Akzente setzen, um bei Kunden, Aktionären, Justiz und Mitarbeitern verloren gegangenes Vertrauen in den Konzern zurückzugewinnen. Großanteilseigner Wolfgang Porsche zeigte sich "überzeugt, dass er die richtige Persönlichkeit an der Spitze ist". Die Familien Porsche und Piëch stünden auch in der gegenwärtigen Krise "ohne Wenn und Aber zu VW".
Der geschäftsführende Vorsitzende des Aufsichtsrates von Volkswagen, Berthold Huber, bezeichnete Müller als Persönlichkeit von großer strategischer, unternehmerischer und sozialer Kompetenz. Zugleich betonte der Interims-Chef: "Die Testmanipulationen bedeuten für Volkswagen ein moralisches und politisches Desaster" Huber zufolge habe, das rechtswidrige Verhalten Volkswagen ebenso geschockt wie die Öffentlichkeit.
Weitere Personalrochaden - neue Vorstandsstruktur
Der Konzern wird in Zukunft von einem verkleinerten Vorstand gemanagt, wie der Aufsichtsrat weiter mitteilte. Müller soll demnach kein eigener Produktionsvorstand mehr zur Seite stehen. Der Posten fällt weg.
Desweiteren wurden neben dem Vorstandsvorsitz auch weitere Posten an der Unternehmensspitze neu besetzt. Um dem bereits länger kriselnden US-Markt neu zu beleben, werden die Märkte USA, Mexiko und Kanada in einer neu geschaffenen Region Nordamerika gebündelt. Mit dem bisherigen Skoda-Chef Winfried Vahland steht dem Marktbereich auch ein neuer Chef vor.
Der infolge des Skandals in die Kritik geratene US-Regionalchef von Volkswagen, Michael Horn, bleibt im Amt. An die Stelle Vahlands bei Skoda soll der bisherige Vertriebschef von Porsche, Bernhard Maier, treten.
Dobrindt: 2,8 Millionen Fahrzeuge betroffen
Flankiert wurde die Wolfsburger Aufsichtsratsitzung mit neuen, für den Konzern unangenehmen Nachrichten. Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seien mindestens 2,8 Millionen Fahrzeuge des Konzerns in Deutschland betroffen seien - darunter sowohl Pkw als auch leichte Nutzfahrzeuge.
Zugleich verbieten die Schweizer Behörden vorerst den Verkauf von möglicherweise betroffenen Dieselmodellen des Autokonzerns. Das teilte das Bundesamt für Straßen (Astra) mit. Nicht betroffen von der Verfügung sind demnach zugelassene Fahrzeuge. Diese dürften weiterhin fahren. Laut Astra könnten in der Schweiz rund 180.000 Fahrzeuge mit potenziell manipulierter Software auf den Straßen unterwegs sein.
(tön/jan)