Cornelius Senf forscht ganz bodenständig an der TU München, am Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldbau. Doch für die neue Studie, die er jetzt gemeinsam mit zwei Kollegen vorlegt, stieg der Geograph gewissermaßen ins All auf. Denn von dort hat man einfach den besten Überblick: „Wir haben über 60.000 einzelne Feuer untersucht in Europa. Also, das war tatsächlich eine riesige Datenbank, wo wir aus Satellitendaten alle Feuer der letzten 35 Jahre, die in Kontinentaleuropa aufgetreten sind, analysiert haben.“
So entstand ein umfassender Atlas der Wald- und Graslandbrände für die Zeit seit 1986. Und der zeigt erst einmal, „was vielleicht erstaunlich ist: Dass die Fläche, die jedes Jahr brennt, in den letzten drei Jahrzehnten eigentlich abgenommen hat. Also, es hat in den 80ern und 90ern noch mehr Fläche gebrannt in Europa, als es jetzt in den letzten zehn Jahren geschehen ist.“
Feueraktivität verschiebt sich zunehmend nach Mitteleuropa
Das liegt sicher daran, dass Waldbrände heute früher erkannt werden und es auch bessere Strategien gibt, um sie zu bekämpfen:
"Es ist aber tatsächlich so, dass die letzten Jahre dann jetzt doch schon außergewöhnlich waren. Und was wir gesehen haben, ist, dass sich auch die Feueraktivität mehr vom mediterranen Raum nach Mitteleuropa rein verschoben hat. Also, wir haben jetzt auch zunehmend größere und auch schwere Feuer in diesen mittleren Gebieten. In diesem Sommer zum Beispiel in Deutschland, in den letzten Jahren auch mal in Schweden, in Polen, in Finnland, wo wir zunehmend größere Feuer hatten.“
Auch in Skandinavien, in der borealen Nadelwald-Zone, brennt es also inzwischen häufiger. Die Münchener Forscher leiten aus ihrer Studie Zahlen ab, die den Trend verdeutlichen:
„In den vergangenen 30 Jahren haben wir es eher so, dass rund 75 bis 80 Prozent der Feuer im mediterranen Raum aufgetreten sind. Und nur ein relativ kleiner Teil, also 15 bis 20 Prozent, in den temperaten oder gemäßigten Zonen. Dieses hat sich aber verlagert. Also, so seit 2008 etwa haben wir dann schon so 30 bis 40 Prozent in den gemäßigten Zonen. Und 2020 war dann tatsächlich ein Jahr, wo wir das erste Mal mehr Feuer in den gemäßigten und borealen Zonen hatten als im Mediterranen. Von der Feuerfläche gemessen waren tatsächlich diese traditionell nicht so wichtigen Gebiete für Feuer wichtiger als die Gebiete, wo es normal viel brennt.“
Dichte Wälder bedeuten auch sehr viel Brennstoff
Das hat zwei wesentliche Gründe. Zum einen wird das Klima in Mitteleuropa mediterraner, die Sommer nicht nur heißer, sondern auch immer trockener. Bäume schwitzen dadurch mehr Wasser aus, wie es Cornelius Senf formuliert. Trockener werden dann auch sie! Zum anderen sind Wälder und Forste im gemäßigten Europa viel holzreicher als in den Mittelmeerländern:
„Gerade in Deutschland haben wir die dichtesten Wälder. Wir haben sehr viel Biomasse im Wald. Und wenn die jetzt austrocknen und anfangen zu brennen, ist natürlich sehr viel Brennstoff da. Das bedeutet, dass, wenn der Klimwandel so weitergeht und unsere Sommer zunehmend trocken und heiß werden, wir uns darauf einstellen müssen, dass wir in Europa zunehmend wahrscheinlich mehr Feuer haben, größere Feuer haben werden, mehr größere Feuer parallel brennen haben werden. Und die Feuer auch stärker werden. Wir werden sicherlich zunehmend damit zu kämpfen haben, dass Feuer auch zum Beispiel Gebiete oder Orte oder Infrastruktur bedrohen.“
Präventive Maßnahmen, um Feuer zu verhindern
Auch Lindon Pronto vom Europäischen Forstinstitut in Bonn kann sich vorstellen, dass wir uns langsam auf Verhältnisse wie in den USA zubewegen. In Kalifornien und Oregon gab es zuletzt mehrmals verheerende Waldbrände, die sich auch durch zahllose Einsätze von Löschflugzeugen nicht mehr eindämmen ließen. Europa sollte deshalb auf eine andere Strategie setzen, rät der gebürtige US-Amerikaner:
“Konzentrieren wir uns auf die Bekämpfung der Brände, dann suggerieren wir, es gebe eine einfache technische Lösung des Problems. Was wir brauchen, sind aber präventive Maßnahmen, um schlimmer werdende Feuer möglichst zu verhindern. Das ist aber in der Politik weniger beliebt.“
Man kann sich das vorstellen! Dann das würde bedeuten: Wir müssten unsere Wälder ausdünnen. Danach wären sie feuerfester, aber nicht mehr so produktiv. Weniger Bäume und Sträucher bedeuten weniger Brennstoff im Wald – aber auch weniger Holz, das sich ernten und verkaufen lässt!